"Kein Problem damit, wenn die Sachen bei der Universität Leipzig verbleiben"

Roman Haller im Gespräch mit Dieter Kassel |
Der Verhandlungsführer der Jewish Claims Conference (JCC), Roman Haller, will den Streit über die Steindorff-Sammlung zügig beilegen. Die altägyptische Sammlung des jüdischen Wissenschaftlers werde wohl bei der Uni Lepzig bleiben können, wenn alle Erben einverstanden sind.
Dieter Kassel: Seit einer guten Stunde verhandelt die Universität Leipzig mit der Jewish Claims Conference über die Zukunft der altägyptischen Sammlung der Universität. Es ist ein Fall, in dem gemäß geltendem Recht ein deutsches Verwaltungsgericht Tatsachen geschaffen hat, mit denen eigentlich nun keine der betroffenen Parteien so richtig glücklich ist, und wie viele Parteien betroffen sind, das ist allein schon eine ziemlich offene Frage.

Und just jetzt wird gerade verhandelt zwischen der Universität Leipzig und der Jewish Claims Conference. Ich hatte Gelegenheit, vor Beginn dieser Verhandlungen mit dem Verhandlungspartner aufseiten der Claims Conference, deren Direktor Roman Haller nämlich, zu reden. Und weil wir ja gerade auch noch einmal gehört haben, dass der Erbe Steindorffs - Thomas Hemer heißt er - lebt und deutlich gesagt hat, was er will, habe ich Roman Haller als Erstes gefragt, ob es denn eigentlich in Ordnung ist, dass nur zwei Verhandlungsparteien am Tisch sitzen, und dass nicht eigentlich dieser Erbe Thomas Hemer auch mit am Tisch sitzen müsste.

Roman Haller: Ja, zu Thomas Hemer muss ich sagen: Thomas Hemer hat sich eigentlich nie an uns gewandt, Thomas Hemer hat auch niemals irgendwelche Forderungen an uns gestellt. Wir haben es eigentlich mit Thomas Hemer nie zu tun gehabt, und insofern – er könnte sehr gerne am Tisch sitzen, aber er hätte sich auch früher melden können, um mit uns ein Gespräch zu führen. Ich bedauere sehr, dass er das nie getan hat.

Kassel: Hätte es denn eine Möglichkeit gegeben, diese Klage zu vermeiden, also hätten Sie eine Möglichkeit gesehen, sich mit der Universität außergerichtlich zu einigen?

Haller: Auf jeden Fall, und ich bedaure sehr, dass die Universität zu keinem Zeitpunkt auf uns zugekommen ist. Es wäre durchaus möglich gewesen, eine Einigung herbeizuführen, ohne dass es zu dieser Klage hätte kommen müssen.

Kassel: Wie beurteilen Sie denn den Ausgang dieses Gerichtsverfahrens? Denn es ist ja wohl tatsächlich so gewesen, dass Experten auch überrascht gewesen sind von diesem Urteil.

Haller: Das sehe ich nicht so. Dieses Urteil ist konsequent und entspricht den gesetzlichen Regelungen. Das ergibt sich auch daraus, dass keine Revision zugelassen worden ist, also im Urteil steht: Eine Revision ist ausgeschlossen. Was uns besonders wichtig ist: dass die Kollektion nach Professor Steindorff als verfolgungsbedingt entzogen vom Gericht anerkannt worden ist.

Ich denke, dass das auch ein Signal an Galerien, Museen und Auktionshäuser ist, eine solide Provenienzrecherche zu betreiben und für faire und gerechte Lösungen einzutreten, und das entspricht dem Sinn der Washingtoner Prinzipien und Erklärung von Theresienstadt im Jahre 2009.

Kassel: Wenn also die Universität Leipzig sagt, Georg Steindorff hätte 1937/38/39, das hat sich ja angeblich über Jahre hingezogen wegen der Zahlung, hätte damals diese altägyptische Sammlung ohne Verfolgungsdruck an die Universität verkauft, dann sagt die Universität nicht die Wahrheit?

Haller: So ist es. Wir kennen die Zeit. Wir wissen genau, dass wenn nach 1935 jemand - noch dazu zu einem, wie es dann später auch von seinem Nachfolger Dr. Wolf gesagt wurden ist, zu einem schäbigen Preis verkauft hat, - dann wissen wir, dass das eben mit der Verfolgung zu tun hatte. Uns hat es natürlich schon geärgert, dass die Universität, ja, auf diesen Zug gesprungen ist, zu behaupten, das war nicht verfolgungsbedingt, und so geglaubt hat, ja, so kann sie das alles behalten.

Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass das die Universität behält. Es gibt noch ein Problem, das wir klären müssen: Ob es noch weitere Erben gibt. Denn wir sehen uns ja auch als Unterstützer der Erben, und was machen wir, wenn es noch einen weiteren Erben gibt, der kommt und sagt, ja, warum habt ihr mich nicht gefragt? Das ist so ein kleines Problem, das noch im Raum steht. Aber ich gehe davon aus, dass wir das alles regeln können.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur mit dem Direktor der Jewish Claims Conference Roman Haller, Anlass ist der heutige Beginn der Verhandlungen zwischen der JCC und der Universität Leipzig über die Sammlung Steindorff. Diese Verhandlungen, Herr Haller – das ist jetzt mein Eindruck, nachdem ich gehört habe, was Ihnen wichtig ist, auch um eine Einigung erzielen zu können mit der Universität über den Verbleib der Sammlung –, diese Verhandlungen werden wahrscheinlich nicht so leicht, denn wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist Ihre Grundforderung, dass die Universität zunächst einmal anerkennen muss, dass der Verkauf der Sammlung damals doch unter Verfolgungsdruck stattfand.

Haller: Schauen Sie, uns ging es darum, dass die Erben ihre Kunstgegenstände zurückbekommen. Das ist eigentlich das, was wir wollen.. Was uns eben wichtig ist, ist, dass anerkannt wird – das ist schon mal durch das Urteil anerkannt worden, aber wir wollen auch, dass die Universität zu dieser Verpflichtung steht.

Kassel: Aber damit sind wir ja doch wieder bei Thomas Hemer. Wenn Sie selber sagen, es ist immer in Ihrem Interesse, dass die Erben zu ihrem Recht kommen. Also im Moment ist Thomas Hemer der Erbe seines Großvaters, und der sagt ja eindeutig: Ich bin überzeugt davon, mein Großvater würde wollen, dass das Ganze in Leipzig bleibt und ich würde das selber so entscheiden. Warum überlassen Sie es nicht ihm?

Haller: Ja, schauen Sie her: Darum haben wir auch kein Problem damit, wenn die Sachen bei der Universität bleiben. Es sind da noch ein paar Rechtsunsicherheiten, ich sagte schon, es könnten andere Erben auftreten, die dann auf uns zu kommen und sagen, ja, warum wurde ich nicht gefragt, wie kommt ihr eigentlich dazu, das zu belassen? Aber ich glaube, diese Fragen können gelöst werden.

Uns geht es wie gesagt um etwas ganz anderes, und ich glaube, damit wird die Universität auch leben können. Sie kann die Sachen dann auch behalten, und das wäre ja dann auch im Sinne zumindest dieses einen Erben.

Kassel: Sie haben vorhin schon gesagt, dass Sie ein bisschen enttäuscht darüber gewesen sind, dass, so sagen Sie das, die Universität vor dem Prozess in Berlin nie auf Sie zugekommen ist. Wenn Sie jetzt aber sagen, Sie haben gar kein Interesse daran, dass die Sammlung woanders hinkommt, die kann ruhig in Leipzig bleiben – warum ist die Jewish Claims Conference nicht auf die Uni vorher schon zugekommen?

Haller: Na ja, schauen Sie her: Die Uni hat Klage erhoben. Und wenn Klage erhoben wird gegen ein Urteil, das uns begünstigt hat – warum sollten wir ... Es ist glaube ich ganz normal, dass wir überhaupt keinen Anlass sehen, auf die Uni zuzugehen. Nach Abschluss der Prozessverhandlung, nachdem uns die Kollektion zuerkannt worden ist, sind wir auf die Uni sofort zugegangen und haben signalisiert, dass es uns nicht darum geht, dass wir diese Ausgrabungsstücke behalten.

Kassel: Sind solche Verhandlungen für Sie auch heikel, weil das natürlich auch ein Imageproblem werden kann für die JCC? Denn in vielen Zeitungsartikeln habe ich nun doch die Frage gelesen: Wie kann es denn sein, wenn ein Erbe so eindeutig sagt, das soll in Leipzig bleiben, dass andere sagen, okay, der darf das nicht allein bestimmen?

Haller: Schauen Sie her, darum bin ich dankbar, wenn Sie mich befragen, und ich kann aufklären darüber, wie sich das verhält, und dass es in diesem Fall eben so ist, dass die Erben niemals bei uns einen Antrag gestellt haben. Zivilrechtlich ist es nun mal eben so, dass in diesem Fall, dass wir und nicht die Erben Nachfolger dieser Dinge sind, dieser Ausgrabungsstücke. Das ist eben so.

Aber in diesem Fall, wie gesagt, sind wir ja durchaus bereit, wenn dieser Erbe es so will, die Ausgrabungsstücke bei der Universität zu belassen, und wir hoffen, dass alle Erben, die es nach Professor Steindorff gibt, in die gleiche Richtung ziehen.

Kassel: Ich meine, die Verhandlungen beginnen heute und ich kann mir auch vorstellen, dass Sie da auch noch nicht alle Karten auf den Tisch legen wollen, aber dennoch die Frage: Was für ein Verhandlungsergebnis können Sie sich denn konkret vorstellen – eine langfristige Leihgabe, einen Verkauf? Welche Bedingungen werden Sie wahrscheinlich daran knüpfen?

Haller: Also es gibt keine Verkäufe. Wir verkaufen solche Sachen nicht, wir nehmen, übernehmen solche Sachen auch nicht, und wir wollen aus Kunst nicht irgendwelche Gewinne abschöpfen. Ich könnte mir vorstellen, dass es irgendeine ideelle Sache gibt. Ich meine, dass die Universität vielleicht irgendwie ein Education-Programm aufstellt, Erziehungsprogramm über den Holocaust, über Professor Steindorff – in dieser Richtung. Aber es wird mit Sicherheit kein Geld dabei fließen.
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