Botschaften aus der Zeit des Alten Reichs

Von Volkhard App |
Die Funde aus dem ägyptischen Giza waren lange Zeit über Museen auf der ganzen Welt verstreut, jetzt sind sie zum ersten Mal wieder vereint zu sehen - im Roemer- und Pelizaeus Museum in Hildesheim.
Eine Frau beim Mahlen von Getreide; ein Mann, der eine Gans rupft und ein zweiter, der Brote backt. Auch ein Bierbrauer und ein Schlachter sind mit dabei: kleine Figuren aus Kalkstein, die man einst im Grab des Beamten Djascha fand, errichtet auf dem Plateau von Giza. 15 Dienergestalten waren es insgesamt. Kuratorin Bettina Schmitz:

""Die waren sehr wichtig, denn sie sicherten den im Grab Bestatteten ewige Versorgung und ein schönes Leben im Jenseits. Das sind Dienerfiguren, die vor allem bei der täglichen Versorgung mit Essen und Trinken dargestellt sind und dadurch auch sehr genau anzeigen, was zu den wichtigen Speisen gehört hat: Brot, Bier und alle möglichen Speisen aus Fleisch.”"

Für das ewige Leben wurde vorgesorgt: deshalb auch ließ sich ein Grabherr auf einem Relief am Speisetisch darstellen. Andere wollten mit ihren Frauen abgebildet sein, denn an deren Auskommen im Jenseits wurde ebenfalls gedacht. Bildmagie im Alten Ägypten.

Am Beispiel von vier Gräbern, die der Archäologe Georg Steindorff freilegte, wird mit allen noch erhaltenen Beigaben vom tiefen Glauben und von den Ritualen jener Menschen erzählt. Dabei kündet diese Schau eben nicht vom Ruhm der Könige, sondern widmet sich denen, die sich "am Fuß” der mächtigen Pyramiden bestatten ließen.

""Das ist die damalige Oberschicht Ägyptens, vor allem die Männer, die als Beamte das Land für den König verwalteten. Und die haben sich dort ihre ewige Ruhestätte, ihr Haus für die Ewigkeit, angelegt bzw. bekamen das Grab vom König zugewiesen, der es für sie anlegen ließ.”"

Statuen, Schmuck, Schalen, Gefäße zur Beisetzung der inneren Organe - vielerlei Objekte hat man geborgen. Die Gräber boten den Verblichenen Schutz, und auf besondere Weise wurde für die Erhaltung der Körper gesorgt - auch wenn die Praktiken von einer perfekten Mumifizierung noch ein ganzes Stück entfernt waren.

""In dieser Epoche, der Pyramidenzeit, dem Alten Reich, beginnt bereits die Mumifizierung. Aber die klassische Form, die wir von den Königs-Mumien des Neuen Reichs her kennen, hat sich erst über Jahrhunderte entwickeln müssen. Zunächst hat man balsamiert, den Körper für die Ewigkeit also durchaus behandelt, hat ihn eingewickelt in schützende Binden - und hat Versuche gemacht, indem man auf dem balsamierten, eingewickelten Körper eine Gipsschicht modelliert hat mit einem lebensähnlichen, d.h. lebensfähigen Gesicht, das die Sinnesorgane so wiedergibt, dass sie im Jenseits funktionsfähig sind.”"

Eine Zeitreise ins dritte Jahrtausend vor Christus, ins Alte Reich. Und zugleich eine ins frühe 20. Jahrhundert. Denn 1903 begann Georg Steindorff im Auftrag der Leipziger Universität zu graben, später übernahm Hermann Junker diese Aufgabe. Wie darf man sich die Arbeit jener Jahre vorstellen? Als nüchterne, eher wissenschaftliche Angelegenheit oder eher als kinotaugliches Abenteuer? Museums-Direktorin Katja Lembke:

""Also, jede Ausgrabung ist natürlich filmreif. Aber die Ausgrabungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Giza-Plateau stattfanden, waren die ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen an dieser Stelle. Es ist uns wichtig, das immer wieder zu betonen, denn gerade die Wissenschaftlichkeit, die gute Dokumentation, stellt die entscheidende Grundlage für unsere Ausstellung dar.” "

Durch die Fundteilung wurden die Objekte an etliche Plätze verstreut. Die eine Hälfte blieb in Ägypten, die andere bekam Steindorff, der Stücke, die nicht nach Leipzig gingen, an den Unternehmer Wilhelm Pelizaeus weitergab, der lange Zeit in Ägypten tätig war und die Arbeit der deutschen Archäologen weitgehend finanzierte. Die Sammlung schenkte er seiner Heimatstadt Hildesheim und gab zudem Geld für den Bau eines neuen, nach ihm benannten Museums, das 1911 eröffnet wurde.

Dieses Roemer- und Pelizaeus-Museum hat sich jetzt zum runden Geburtstag mit Erfolg bemüht, die seinerzeit verstreuten, aber aus denselben Gräbern stammenden Objekte erstmals wieder zusammenzuführen: Stücke aus Leipzig und Wien sind dabei, aus den USA, und aus dem Vatikan kam eine in einer Wand angedeutete Tür, die einmal zur Grabanlage eines Mannes gehört hatte, der als "Verwalter der Pyramidenstadt des Cheops” fungierte. Von kulturpolitischer Bedeutung ist vor allem die Reise von Schätzen aus Ägypten nach Hildesheim. Diese Zusammenarbeit war früh verabredet, geriet jüngst aber noch in Gefahr.

""Denn am 25. Januar begann in Ägypten die Revolution und damit für uns auch eine große Phase der Unsicherheit. Der Antiken-Minister ist abgesetzt worden, es gab eine Vakanz von mehreren Wochen: es war schlicht und einfach keiner da, der unterschreiben konnte. Erst am Donnerstag letzter Woche habe ich eine E-Mail aus Ägypten bekommen, dass die Verträge jetzt unterschriftsreif seien. Ich habe mich am Freitag ins Flugzeug gesetzt, um sie am Samstag zu unterzeichnen. Und die Objekte kommen nun in der nächsten Woche nach Hildesheim.”"

Diese 15 Exponate, kleine Statuen zumeist, werden die opulente, über ein Budget von 1,2 Millionen Euro verfügende Schau vervollständigen. Auch durch die Ausstellungsarchitektur - die transparente, räumlich großzügige und doch dichte Präsentation in drei Abteilungen - kann sie überzeugen und spielt zudem auf die konkreten Grabanlagen an. Ein Film in 3D aus Boston führt am Schluss des Rundgangs die Mastabas genannten Bauten mit perspektivischer Raffinesse vor Augen: mit der Kultkammer für die Angehörigen, dem Statuenraum, dem Grabschacht und der unterirdischen Sargkammer. Botschaften aus der Zeit des Alten Reichs für ein großes Publikum von heute.

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