Kein Gold
Der Gold-Favorit, der beim Zehnkampf versagt, und ein Kommissar, der es als einstiges Wunderkind doch nur zur Polizei geschafft hat: Der Kriminalroman "Mehrkampf" schildert gescheiterte Helden und liefert so einen fein gewobenen Psychothriller mit Tiefgang.
Es beginnt mit einem Attentat: Am helllichten Tag fallen Schüsse, mitten im Stadtzentrum. Der Mann, dem die Schüsse gelten, wird mittelschwer verletzt, kann sich aber retten. Das Opfer ist nicht irgendwer. Es handelt sich um Roland Farwick, den ehemaligen Weltrekordler im Zehnkampf. Ein einst gefeierter Leistungssportler, Frauenheld und Society-Liebling - bis zu seinem dramatischen Karriereende, am 8. August 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles. Als Gold-Favorit angetreten, waren Farwick damals schon in der zweiten Disziplin, dem Weitsprung, drei Fehlversuche unterlaufen, worauf er sich vom Leistungssport zurückzog, um als Repräsentant eines Sportartikelherstellers ein unauffälliges Leben zu führen.
Wer sich jemals mit der Königsdisziplin der Leichtathletik beschäftigt hat, wird bei Farwick automatisch an eine paralleles, sehr reales Ereignis aus der Welt des Zehnkampfs denken, das mit dem Namen Jürgen Hingsen verbunden ist.
Hingsen scheiterte 1988 in Seoul nach drei Fehlstarts bereits im ersten Wettbewerb, dem Einhundertmeterlauf. Eine Blamage, die ihn vom Supermann zur öffentlichen Lachnummer degradierte und nach der er so gut wie in der Versenkung verschwand.
Burkhard Spinnen hat indes keinen Zehnkampf-Roman geschrieben. Vielmehr verknüpft er mit einer kunstvollen Dramaturgie verschiedene Genres: "Mehrkampf" ist zunächst die Geschichte eines Sportlerlebens zwischen Triumph und abruptem Scheitern, ist zugleich Kriminalroman und bewegt sich darüber hinaus in die virtuelle Welt der Computerspiele. Wer also schoss auf Roland Farwick? Bald verdächtigt der ermittelnde Hauptkommissar Grambach das Opfer, aus Publicity-Sucht das rätselhafte Attentat auf sich selbst inszeniert zu haben. Jener Grambach, der sich - einst hochbegabtes Wunderkind - am Tag von Farwicks olympischem Blackout entschloss, Polizist zu werde, und der als seine Lieblingsbeschäftigung "das ungestörte Denken an nichts Bestimmtes" angibt.
Mit seiner lakonisch-unterkühlten Erzählweise hält der Autor das Interesse an dem Kasus auch da lebendig, wo sich die Handlung - analog zum physischen Zustand des Antihelden Farwick - nur schleppend fortbewegt. Eine Textprobe:
"Sportler zu sein, das heißt doch: Bekanntschaft mit dem eigenen Körper schließen. Und niemand kennt seinen Körper so gut wie der Zehnkämpfer; denn niemand verlangt von ihm so viel, und so viel Verschiedenes. Zehnkampf ist und bleibt die Königsdisziplin. Da kann man sagen, was man will. Wenn irgendwo der ganze Mensch gefordert ist, dann hier. Dagegen ist alles andere ein dauerndes Sichverbiegen, die Herstellung einer krankhaften Unausgeglichenheit.
Farwick wundert sich über keinen Hochleistungssportler aus den Spezialdisziplinen, der in seinen Dreißigern einfach tot umfällt. Es müssen nicht die Folgen der Medikamente sein. Es ist nur die Folge dieses schiefen, dieses einseitig forcierten Lebens. Wie ein Bauwerk, das einstürzt, weil die rechte Seite aus anderem Stein gebaut ist als die linke."
Fazit: "Zehnkampf" von Burkhard Spinnen: Kein Buch für die Freunde actiongeladener Stoffe. Wer dagegen fein gewobene Psychothriller mit Tiefgang mag, dürfte wohl auf seine Kosten kommen.
Burkhard Spinnen: Mehrkampf
Schöffling & Co., Frankfurt am Main
Wer sich jemals mit der Königsdisziplin der Leichtathletik beschäftigt hat, wird bei Farwick automatisch an eine paralleles, sehr reales Ereignis aus der Welt des Zehnkampfs denken, das mit dem Namen Jürgen Hingsen verbunden ist.
Hingsen scheiterte 1988 in Seoul nach drei Fehlstarts bereits im ersten Wettbewerb, dem Einhundertmeterlauf. Eine Blamage, die ihn vom Supermann zur öffentlichen Lachnummer degradierte und nach der er so gut wie in der Versenkung verschwand.
Burkhard Spinnen hat indes keinen Zehnkampf-Roman geschrieben. Vielmehr verknüpft er mit einer kunstvollen Dramaturgie verschiedene Genres: "Mehrkampf" ist zunächst die Geschichte eines Sportlerlebens zwischen Triumph und abruptem Scheitern, ist zugleich Kriminalroman und bewegt sich darüber hinaus in die virtuelle Welt der Computerspiele. Wer also schoss auf Roland Farwick? Bald verdächtigt der ermittelnde Hauptkommissar Grambach das Opfer, aus Publicity-Sucht das rätselhafte Attentat auf sich selbst inszeniert zu haben. Jener Grambach, der sich - einst hochbegabtes Wunderkind - am Tag von Farwicks olympischem Blackout entschloss, Polizist zu werde, und der als seine Lieblingsbeschäftigung "das ungestörte Denken an nichts Bestimmtes" angibt.
Mit seiner lakonisch-unterkühlten Erzählweise hält der Autor das Interesse an dem Kasus auch da lebendig, wo sich die Handlung - analog zum physischen Zustand des Antihelden Farwick - nur schleppend fortbewegt. Eine Textprobe:
"Sportler zu sein, das heißt doch: Bekanntschaft mit dem eigenen Körper schließen. Und niemand kennt seinen Körper so gut wie der Zehnkämpfer; denn niemand verlangt von ihm so viel, und so viel Verschiedenes. Zehnkampf ist und bleibt die Königsdisziplin. Da kann man sagen, was man will. Wenn irgendwo der ganze Mensch gefordert ist, dann hier. Dagegen ist alles andere ein dauerndes Sichverbiegen, die Herstellung einer krankhaften Unausgeglichenheit.
Farwick wundert sich über keinen Hochleistungssportler aus den Spezialdisziplinen, der in seinen Dreißigern einfach tot umfällt. Es müssen nicht die Folgen der Medikamente sein. Es ist nur die Folge dieses schiefen, dieses einseitig forcierten Lebens. Wie ein Bauwerk, das einstürzt, weil die rechte Seite aus anderem Stein gebaut ist als die linke."
Fazit: "Zehnkampf" von Burkhard Spinnen: Kein Buch für die Freunde actiongeladener Stoffe. Wer dagegen fein gewobene Psychothriller mit Tiefgang mag, dürfte wohl auf seine Kosten kommen.
Burkhard Spinnen: Mehrkampf
Schöffling & Co., Frankfurt am Main