Kein Erbarmen mit der FDP?!

Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur · 17.12.2011
Die FDP hat noch ein Zeitfenster bis zu den nächsten Bundestagswahlen, sich zu berappeln, auch wenn anscheinend keiner so richtig weiß, wie das gehen soll. Verliert sie allerdings 2013 die Regierungsbeteiligung im Bund, dann wird es wirklich finster, meint Peter Lange.
Die FDP ist serienweise aus den Landtagen geflogen; zwei Drittel der Deutschen meinen, sie sei sowieso überflüssig. Der Parteichef steht kurz vor der Ablösung. Eine aktuelle Zustandsbeschreibung? Keineswegs. Gemeint ist die FDP Ende 1995. Da waren die Liberalen nur noch in vier Landtagen vertreten. Sie hatten sich Mitte des Jahres ihres glücklosen Vorsitzenden Klaus Kinkel entledigt. Und die Talsohle doch noch nicht erreicht. Die kam erst 1998 mit dem Verlust der Regierungsbeteiligung im Bund. Danach geriet die FDP deutschlandweit fast unter die Nachweisgrenze.

Die Geschichte des organisierten Liberalismus in Deutschland ist gesäumt von Abspaltungen, Richtungskämpfen, Kurswechseln und Existenzkrisen. Und verglichen mit der vorletzten großen Krise Ende der 90er steht die FDP zur Zeit durchaus besser da. Auch nach diesem Schreckensjahr 2011 sitzt sie noch in neun Landtagen; ist Regierungspartei im Bund und in sechs Ländern.

Und trotzdem haftet der aktuellen Krise der Liberalen etwas Finales an. Das hat im Wesentlichen mit den politischen Hypotheken zu tun, die sich die Partei von Guido Westerwelle hat aufladen lassen. Er hat die FDP in der Opposition zu einer populistischen Partei gemacht, zu einer wunderbaren Projektionsfläche für alle Genervten und Frustrierten, die sich für die Populisten ganz links zu fein sind. Immer etwas zu laut, immer etwas zu schrill und vor allem immer besserwisserisch und selbstgerecht. Die Probleme, unter denen das Land leidet, wurden so vollmundig gegeißelt, dass man glauben konnte, die FDP sei seit 1949 ununterbrochen in der Opposition gewesen; eine einzige Spekulation auf das schlechte Gedächtnis der Bürger - bis in diese Tage. Eine Fehlspekulation, denn natürlich erinnern sich noch genügend Zeitgenossen, dass den Liberalen die von Rotgrün eingeleitete Deregulierung der Finanzmärkte längst nicht weit genug ging.

Der historische Irrtum der FDP 2009 bestand darin, dass sie glaubte, mit der CDU von Angela Merkel ein Regierungsprogramm aus einem Guss umsetzen zu können. Aber der Union ging es vor allem darum, diese Populisten-FDP, die ihr gefährlich wurde, zu entzaubern und sie als Scheinriesen zu demontieren. Das - muss man sagen - ist gelungen.

Zu den Hypotheken gehört, dass unter Guido Westerwelle kaum jemand aus der gleichen Alterskohorte Profil gewinnen konnte. Dass hätte ja dem Parteichef gefährlich werden können. Die Älteren und Altvorderen wurden vergrämt oder verdrängt - der schlaue Rainer Brüderle ist da nur die Ausnahme von der Regel. Bleiben die Jungen als letzte Führungsreserve, smart aber blass, noch nicht so richtig erfahren - weder im Berliner Regierungsbetrieb noch im wahren Leben.

Ihnen steht eine in jahrelanger Krise desorientierte und verunsicherte bürgerliche Wählerschaft gegenüber, die in ihren aufmüpfigen Teilen zur nächsten Protestpartei weitergezogen sind, zu den Piraten. Der größere Teil geht gar nicht mehr zur Wahl. Für diese Verunsicherung hatte die Westerwelle-FDP weder eine Antenne noch eine angemessene Antwort. Und die junge Parteiführung ist schlicht überfordert. Wo soll sie so kurzfristig die Autorität herbekommen, um in dieser Krise Orientierung und Halt zu geben?

Schließlich steht dieser FDP als härtester Konkurrent die grüne Partei gegenüber, nicht eigentlich liberal, aber weitaus stärker anschlussfähig an die Lebenswelt eines Bürgertums, das eine grüne und eine soziale Ader hat und ahnt, das es mit Freiheit, Markt und Wachstum allein nicht mehr lange gut geht.

Damit sind wir bei der nächsten Hypothek: Es gibt im Grunde kein Politikfeld mehr, nicht einmal in der Wirtschafts- und Außenpolitik, in dem den Liberalen unter allen Parteien die höchste Kompetenz zugemessen wurde. Das gab es noch nie.

Für Abgesänge und Nachrufe auf die FDP ist es dennoch zu früh. Die Partei hat jetzt noch ein Zeitfenster bis zu den nächsten Bundestagswahlen, sich zu berappeln, auch wenn anscheinend keiner so richtig weiß, wie das gehen soll. Immerhin wird noch über sie geredet, wenn auch die Anlässe für die FDP nicht erfreulich sind. Verliert sie allerdings 2013 die Regierungsbeteiligung im Bund, dann wird es wirklich finster.
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