Katja Spitzer: "Haare. Geschichten über Frisuren"

Turmfrisuren, Stacheligelhaare und Afrolook

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Buchcover von Katja Spitzer: "Haare. Geschichten über Frisuren", Prestel Verlag, 2021.
Berauschend farbgewaltig und lustig ist das Sachbuch "Haare. Geschichten über Frisuren" von Katja Spitzer. © Prestel Verlag / Deutschlandradio
Von Kim Kindermann  · 29.06.2021
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Steckfrisuren, Zöpfe, Dreadlocks, Bärte: Selten wurde dem Haar eine solch gelungene Hommage gewidmet wie in diesem Kinder-Sachbuch. "Haare. Geschichten über Frisuren" ist in wunderschönen Bildern und wissenswerten Texten erzählt.
Auf fetzig blauem Hintergrund erstrahlen ein roter Pferdeschwanz, grüne Stacheligelhaare, ein kunstvoll aufgetürmte Frisurenturm oder blonde Affenschaukeln auf dem Cover dieses wunderbar illustrierten Kinderbuches. Sie setzten dem Thema Haare einen würdigen Anfang.
Auf 40 Seiten erzählt Katja Spitzer "Geschichten über Frisuren". Etwa die über die ein Meter langen Haare der Kaiserin Sisi, deren Schopf so schwer war, dass die Monarchin jeden Tag Kopfschmerzen hatte und nur dann Erleichterung fand, wenn die Haare an der Zimmerdecke aufgehängt wurden.

Turmhohe Steckfrisuren des Rokoko

Oder die der Rokoko-Turmfrisuren, in die Muscheln, Obst und andere Dekorationsobjekte hineingeflochten wurden. Die Frauen mussten damals ihre Köpfe aus der Kutsche stecken, weil sie sonst nicht in das Gefährt gepasst hätten. Die Punks der 1970er-Jahre hingegen rasierten sich fast das gesamte Haupthaar ab und ließen nur hohe Stacheln stehen, denen sie mit Hilfe von Zuckerwasser oder Bier die nötige Steife verliehen.
Schöne Anekdoten und viel Wissenswertes erfahren die jungen Leserinnen und Leser so: Wie und wo Haare wachsen (überall außer an den Fuß- und Handsohlen), aus was sie bestehen (Horn, wie in den Fuß- und Fingernägeln), dass sie ewig brauchen, um zu verrotten und warum es unterschiedliche Haarfarben gibt (winzige Farbkügelchen, sogenannte Pigmente, bestimmen den Ton).

Frisuren sind oft auch politisch

Und sie lernen auch, dass Frisuren oft auch politisch sind. So stand der Bubikopf in den 1920-ern für Emanzipation und der Afrolook vieler Afroamerikaner für den Stolz auf ihre Freiheit und Selbstbestimmung.
Dazu lernt man noch zahlreiche lustige haarige Redewendungen, die letztlich nichts anders beweisen: Haare sind Menschen immer schon wichtig gewesen – und das seit der Steinzeit, wie es im Buch heißt.
Aber Katja Spitzer erzählt nicht nur die irrsten Geschichten über Haare, sie illustriert ihr Buch in den tollsten und kräftigsten Farben: gelb, rot, blau und grün strahlen hier um die Wette. Auf jeder Doppelseite gehört eine dem blaugedruckten Text, die andere dem Bild.

Farbgewaltig illustriert

Mal sind es großseitige, dann wieder mehrere kleine Illustrationen. Da schwebt ein rothaariges Mädchen im grünstichigen See. Mit weit ausgebreiteten Armen und gefächerten Haaren schwimmt sie rücklings auf dem Wasser, in dem sich zahlreiche rote Pflanzen und Fische tummeln. Eine wahre Pracht!
Auf einer anderen Seite sieht man die zahlreichen Frisuren der Menschen im alten Ägypten: seitliche Zöpfe der Männer und orangefarbene mehrstufige Langehaare der Frauen mit den dazu gehörigen Utensilien wie Kämme, Haarspangen, Perücken. Besonders beeindruckend ist dabei der kleine, gelbe Kegel aus Fetten, Harzen und Duftstoffen, den die Ägypter auf dem Kopf trugen.
Und so ist dieses berauschend farbgewaltige und lustige Buch mit all seinen Steckfrisuren, Zöpfen, Dreadlocks und Bärten eine wahre Freude – und eine Hommage an die menschliche Behaarung. Nicht umsonst steht "Haare. Geschichten über Frisuren" auf der Longlist des World Illustration Awards 2021.

Katja Spitzer: "Haare. Geschichten über Frisuren"
Prestel Verlag, München 2021
40 Seiten, 16 Euro

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