Kartsport

Racing Girls

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Noch eine Männerdomäne: Kartsport. © picture-alliance/ dpa / Ingo Wagner
Von Fritz Schütte · 24.08.2014
Pausenloses Geknatter. Autos im Seifenkistenformat flitzen über einen Rundkurs. Wer es im Motorsport zu etwas bringen will, muss durch diese Schule gehen. Doch Mädchen und Frauen sind auf Kartbahnen immer noch Exoten.
Hellmut Münch: "Ich habe drei Karts, drei Rennkarts, 54 PS. Das ist eine Schau. Das ist mit das Schnellste, was im Kartsport möglich ist."
Doktor Hellmut Münch im blauen Rennoverall lauscht andächtig dem Brummen des Motors.
"Vielleicht mal so ein paar technische Daten: Beschleunigung von 0 auf 100 in 3,5 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit hier mit dieser Getriebeübersetzung 145 kmh, und das zwei Zentimeter über der Erde. Bei Bodenwellen setzt dein Ärschchen Funken sprühend mit dem Kevlarsitz auf. Das nötigt, glaube ich, schon mehr als Respekt ab."
Es ist Sonntagmorgen. Reifen quietschen. Die Kartbahn Ampfing in Oberbayern, ein 1.063 Meter langer Rundkurs in einer früheren Kiesgrube, liegt weit entfernt vom Ort.
Doktor Münch erwartet heute die Racing Girls zum Training.
Einige ziehen sich bereits in der Garage um. Am Start steht eine Flotte von Leihkarts bereit. Sie erreichen nur achtzig kmh. Für Sonntagsausflügler ein Abenteuer, Profis reicht das gerade mal zum Aufwärmen.
"Wir fahren jetzt die großen Rennkarts warm. In der Zeit geht ihr einmal zehn Minuten mit den Leihkarts raus, nur wieder Bahn, Ideallinie, und dann bei der nächsten vollen Stunde beginnt euer Rennkarttraining. Aber da möchte ich euch vorher extra briefen und euch noch mal sagen, worauf es heute ankommt. Okay?"
Voraussetzungen: 16 Jahre alt und maximal 70 Kilogramm Gewicht
Vor fünf Jahren startete Doktor Münch einen Aufruf: "Rennfahrerinnen gesucht", veranstaltete Workshops und testete Fahrerinnen. Vroni Gaubatz, Corinna Dietrich und Anne Schreiter sind Racing Girls der ersten Stunde. Als letzte ist Anja Herrmann aus München aufgenommen worden.
Anja Herrmann: "Ich habe letztes Jahr den Workshop mitgemacht, und da stand es fest, da muss ich irgendwie rein kommen, wenn es geht."
Vroni Gaubatz: "Die Chance, in einem reinen Mädchenteam zu fahren, ist natürlich super, und die musst du auch ergreifen. Und dann sind die Mädchen so nett, und dann hat das gleich gepasst. Und das finde ich, ist auch wichtig, dass das Team stimmt."
Anja Herrmann: "Ich bin sowieso von klein auf, seitdem ich denken kann ... Rennsport, Formel Eins ... ich stehe nachts für jedes Rennen auf. Also, das begeistert mich schon sehr."
Corinna Dietrich: "Ich bin vielleicht vorher einmal im Kart gesessen. Aber so richtig mit Training war das erste dieses Frauenkartteam."
Anne Schreiter: "Eine Freundin von mir kam ins Geschäft und hat gesagt: "He, da steht in der Zeitung, die suchen da ein paar Mädels." Und dann sind wir auf das Seminar gegangen vom Hellmut und haben beschlossen, wir schauen uns das an und fahren da einfach mal mit."
Voraussetzungen, um bei Hellmut mitzufahren: Mindestalter 16 Jahre - Maximalgewicht siebzig Kilogramm - sportliche Motivation - zehn Liegestützen schaffen - 45 Minuten Joggen ohne Pause durchhalten.
Hellmut Münch: "Mir ist es gelungen, etwas zu machen, was es vorher nie gab: in ganz Europa ist das einzige Frauen-Gokart-Team die Dr. Münch Racing Girls."
Die Kosten für Training und Ausrüstung, Helm, Anzug, Schuhe, übernehmen Sponsoren, Doktor Münch selbst und seine Firma, die ein Enzympräparat vertreibt.
Hellmut Münch: "Ich bin der Idealist erstmal. Ich bin Ideengeber. Ich bin selbst Motorsportler. Und das ist mein Team, mein Geld, das muss man auch sagen. Idealismus bedeutet einfach, dass ich mit meiner Partnerin ausgemacht habe, etwas weniger Urlaub zu machen, ein paar Wochenenden mehr Notarztdienst zu fahren und das Geld zu sparen, um dieses Team mit jährlich sicher 15.000 Euro überhaupt finanzieren zu können."
Rasenmähermotor auf einen Rohrrahmen montiert - fertig ist das Kart
Die Racing Girls wohnen in verstreut in Süddeutschland. In ihrer Freizeit halten sie sich fit und versuchen, möglichst oft Kart zu fahren.
Hellmut Münch: "Wir haben so drei Wochenenden im Jahr, die wir so sechs Monate im Voraus immer planen, wo wir dann alle zusammenbringen und die Besprechung machen, so wie heute. Wir gucken mal, ob wir Regenreifen aufziehen oder auf den Slicks fahren können. Und heute ist dann ein sehr straffes Trainingsprogramm bis so neunzehn Uhr, schätze ich. Und das ist so eines der drei Wochenenden, wo alle auch da sein sollten ... So, wo sind denn die anderen Mädels?"
Bisher sind erst fünf Racing Girls da. Doktor Münch beugt sich gerade über eines seiner Rennkarts.
Hellmut Münch: "Ich habe ein Problem im unteren Drehzahlbereich, und ich denke mir, dass die Vergaserdüse einen Tick zu schlecht eingestellt ist. Ich muss das jetzt noch mal zerlegen und mir anschauen. Corinna soll in das Kart von Charly. Das ist enger.
Die ersten beiden Mädchen machen sich fertig und fahren mit diesen Karts. Nach zehn Minuten kommt ihr rein, dann dürfen die anderen drei Mädchen fahren, gute zehn Minuten. Achtet mir drauf: was können die Reifen? Und dann tastet euch ans Limit ran."
Als Erfinder des Karts gilt der kalifornische Ingenieur Art Ingels, der 1956 einen Rasenmähermotor auf einen Rohrrahmen montierte. Heute gibt es 125 Bahnen in Deutschland mit Namen wie Magicdrive, Kart Fun, Knatterdom. Am bekanntesten ist der Erftlandring in Kerpen. Dort sind Michael Schumacher und Sebastian Vettel als Kinder Kart gefahren. Auf einigen Kartbahnen werden an Wochenenden Läufe der Rennserien ausgetragen für Profis und hoch ambitionierte Hobbysportler.
Hellmut Münch: "Natürlich gibt es die großen offiziellen Rennen, wie die Deutsche Kartmeisterschaft, das ist der Olymp im deutschen Kartsport. Aber ganz klar, wenn du pro Kart mit Mechaniker, mit Allem nicht mindestens 150.000 Euro hast, fährst du gar nicht vorne mit. Das ist der Nachteil im Motorsport: wenn du keine Asche hast, hast du keine Chance, irgendetwas zu machen. Aber wir haben mehrere Städterennen, wir haben Sechs- Stunden-Rennen, dann haben wir das 24-Stunden-Rennen auf der Kartbahn in Eiselfing ein paar Mal sehr erfolgreich bestritten."
Racing Girls sind das einzige Frauen Kart-Team
Bei 24-Stunden-Rennen wechseln sich die Fahrer ab. Am Ende ist selten das Team vorne, das am schnellsten startet.
Hellmut Münch: "Sehr schön war mal in Erfurt. 25 Teams sind angetreten, meine Racing Girls und 24 Männerteams, und die Girls waren am Wochenende dann am Sonntagabend auf Platz eins. Die haben alles in Grund und Boden gefahren, weil sie eben vernünftiger fahren. Und es zeigte sich erstaunlicherweise, dass diese Mädchen bei großen Rennveranstaltungen immer vorne waren, sehr oft auch auf dem Podium, was dann wiederum auch zu sehr missmutigen Äußerungen, ich sage es jetzt mal vorsichtig, von manchen Testosteron gesteuerten Männern führte."
Corinna Dietrich: "Ich denke, wir fahren anders als die Männer. Vielleicht nicht vorsichtiger, aber mit mehr Respekt, mit mehr Hirn. Und Männer neigen eher dazu, ein bisschen härter zu fahren, und dann trägt es sie vielleicht auch manchmal raus, kann sein."
Hellmut Münch: "Frauen fahren im Rennen diszipliniert. Sie haben aber, und das merke ich hier deutlich, einen Nachteil: zum Beispiel heute kommen drei Mädchen nicht, obwohl der Termin seit sechs Monaten feststeht, weil ihre beste Freundin Geburtstag feiert. Das heißt, die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen, ist bei Männern besser ausgeprägt."
Die Racing Girls sind das einzige Frauen Kart-Team. In den Rennserien treten aber auch Fahrerinnen an.
Eine der Erfolgreichsten ist Lena Heun aus Gelnhausen.
Lena Heun: "Ich glaube, kein Kerl lässt sich gerne von einer Frau überholen. Aber es lässt sich halt jetzt manchmal nicht vermeiden."
Die 22-jährige Studentin mit den langen braunen Haaren startet beim Rhein-Main-Kart-Cup, einer Rennserie aus fünf Läufen.
Dirk Meyer: "Die Jungs haben doch eine ganz andere Psyche. Die sind doch total verbissen. Wenn die von einem Mädchen geschlagen werden, das ist für die noch mal ein Stück schlimmer als alles andere."
Eltern fiebern mit ihren Töchtern mit
Dirk Meyer ist Lenas Vater und Mechaniker. An diesem Wochenende macht der Tross auf der Kartbahn Oppenrod in Hessen Station. Auf dem Parkplatz stehen Wohnwagen mit Kennzeichen aus ganz Deutschland. Vor den Zelten auf der Wiese sind Rennkarts aufgebockt, über die sich Männer beugen und Motoren aufheulen lassen.
In den Kinderwettbewerben sind ein, zwei Mädchen dabei. Aber bei den Erwachsenen nur eine Frau.
Lena Heun: "Seitdem ich fahre, bin ich eigentlich immer die einzige gewesen in dem Feld, wo ich gerade gestartet bin. Mal mit ein paar Ausnahmen. In einigen Jahren war dann vielleicht noch mal ein anderes Mädchen dabei. Aber man setzt sich dann auch irgendwann durch. Ich werde mittlerweile auch da ganz ernst genommen. Klar, es heißt immer: das Mädchen, die Lena, aber trotzdem wird man ernst genommen."
Lena, das ist der erste Eindruck, ist ruhig, unaufgeregt.
Lena Heun: "Ja, mein Papa ist eher der, der sich immer mal aufregt. Die Eltern sind meistens mehr in die Sache emotional verwickelt als die Kinder."
Dirk Meyer: "Lena ist vorne. Start gewonnen. Geil... Normal, wenn nichts kaputt geht, fährst sie es nach Hause."
Dirk kennt diesen Zirkus seit vielen Jahren. "Andere bauen ein Haus, ich verbrenne mein Geld hier", sagt er.
Zuschauer drängen sich unterhalb der Kommentatorenbrücke. Von dort oben kann der Stadionsprecher den ganzen Ring überblicken. Lena fährt die Ideallinie und beschleunigt, sobald sie auf die Gerade einbiegt. Es gibt keine Chance, an ihr vorbeizukommen. Nach sechzehn Runden wird die schwarz-weiß karierte Zielfahne geschwenkt, und wenige Sekunden später knattert das Kart in die Box.
Obwohl von zweiter Position aus gestartet, hat Lena sich sofort an die Spitze gesetzt.
Lena Heun: "Früher, musst du wissen, konnte ich überhaupt nicht starten. Ich habe immer das Scheißding abgewürgt, also so, dass er zwar noch gebrummt hat, aber alle anderen an mir vorbei waren. Dann habe ich so lange geübt, bis ich es jetzt kann."
Dirk ist nicht zufrieden, denn über den Startplatz im Finale entscheiden die Rundenzeiten.
Dirk Meyer und Lena Heun:
"Ihr seid so Scheißzeiten gefahren."
"Papa, die Bedüsung war die größte Kacke. Ich habe ganz andere Schaltpunkte auf einmal gehabt. Da ging gar nichts mehr."
Bedüsung? Was ist das?
Lena Heun: "Wir haben jetzt eine recht hohe Düse drinnen: eine 175er. Und eben war der Motor bei diesen Temperaturen zu fett. - Was heißt das? - So genau kann ich es auch nicht erklären. Ich bin nicht so der Technikfreak. Das denkt aber jeder, dass ich mich so auskenne. Ich weiß immer gerade das, was ich so muss. Papa, erklär ihm mal, wie das mit der Bedüsung funktioniert."
Unter 100 Startern sind nur zwei Frauen
Soweit ich verstehe, regelt die Bedüsung das Kraftstoff-Luft-Gemisch, das in den Verbrennungsraum des Motors gelangt.
Dirk Meyer: "Je heißer das Wetter, desto magerer kann man fahren. Und je kälter, desto fetter müssen wir fahren. Wir sind jetzt zu fett gefahren, dass heißt, wenn wir zu fett fahren, fehlt dem Motor nach oben raus Dampf. Je fetter man fährt, dann geht kein Motor kaputt. Wenn ich fett fahre, passiert gar nichts, weil der Motor immer gut geschmiert ist, aber er hat dann halt weniger Leistung."
Schwierige Entscheidung. Es geht um Zehntelsekunden. Also: lieber hoch pokern?
Lena Heun und Dirk Meyer:
"Nimm 70, weil ich keinen Bock habe, dass er fest geht!"
"Den Motor sind wir schon mit einer 162er gefahren, und der ist nicht fest gegangen."
"Aber hier geht es arg bergab, und da hinten steht er fast an. Weißt du, es ist doch gescheiter, ein Zehntel langsamer zu riskieren, und der Motor geht nicht fest, als wenn wir hier wieder so einen Scheiß zusammenbauen, und am Ende stehe ich hinten im Feld und habe gar nichts davon. Und es wird auch wieder ein bisschen kälter. Es kommen dauernd Wolken."
"Okay."
Die beiden sind sich einig. Aber es gibt noch jemanden, der informiert werden muss. Den beiden gehört zwar das Kart, aber nicht der Motor.
Dirk Meyer: "Jetzt muss ich aber erstmal mit dem Teamchef sprechen. Ich will nicht, dass wir jetzt zu mager gehen und den Motor himmeln. Das wäre schade. - Himmeln? - Kaputt fahren. Das geht ganz schnell."
Also 68 oder 70?
Dirk Meyer und Lena Heun: "... Neunundsechzig ..."
Daniel Mazur, Kart-Händler aus Mühlheim, hat in seinem LKW eine komplette Werkstatt untergebracht. Er betreut mehrere Fahrer, denen er Rennmotoren ausleiht.
Der Händler will natürlich, dass sein Motor hält, der geht lieber auf Nummer sicher, und der Fahrer will natürlich das Beste herausholen.
Lena bringt die besten Voraussetzungen für eine Rennfahrerin mit, meint Daniel.
Daniel Mazur: "Ich kenne sie, da fuhr sie noch Bambini mit Reifen, die ein ganzes Jahr gehalten haben. Vor allem, dass sie extrem ruhig ist, nicht ausrastet. Konstanz ist wichtig."
Unter hundert Startern sind im Schnitt vielleicht zwei Mädchen, sagt er.
Daniel Mazur: "Ich denke mal, dass die Mädchen sich nicht unbedingt für den Motorsport interessieren. Und wenn die Eltern das nicht fördern und irgendwohin leiten, dann wird das wahrscheinlich auch nie kommen. Ich meine, meine Tochter reitet, und mein Sohn fuhr Kart. Das ist halt so. Sie wollte auch Kart fahren. Aber da habe ich dann gesagt: "Marleen, das ist zu viel. Beide kann ich nicht betreuen." Und dann hat sie gesagt: "Kein Problem.""
Zurück auf der Kartbahn Ampfing. Doktor Münch winkt ein Racing Girl in die Box.
"Anja, schau mal..."
Die Vibration hat ein Plastikteil der hinteren Verkleidung gelöst.
"Ach, das war das."
"Ich dachte mir: hörst du das nicht?"
"Ich habe das gehört. Ich dachte, das Ding ist herausgerutscht."
"Wenn du etwas hörst, egal, was du hörst, raus fahren! Das ist dann gefährlich, weil, wenn das unter die Räder kommt, kannst du dich überschlagen oder der, der hinter dir fährt."
Helmut Münch: "Da sind die Mädchen noch ein bisschen unerfahren. Und dann müssen wir einfach schauen, dass wir das von der technischen Seite her stabil halten."
Nur Anfänger legen sich mit dem Körpergewicht in die Kurve
Es ist schon schwer genug, die Strecke und die Temperaturanzeige im Blick zu behalten, meint Anja.
"Da hinten ist so eine schöne Gerade, und wenn du da aufs Gas drückst, dann legt es dich richtig hinten hin. Da musst du schauen, dass du mit dem Kinn halt immer relativ auf der Brust bist, weil anders zieht es dich sonst weg. Aber das ist schon... puh... ... das ist schon geil. Du hast echt so einen ... Adrenalinschub vielleicht nicht ...aber zumindest siehst du Sterne und alles, wovon du sonst immer träumen möchtest. Das ist schon geil."
Heute sieht Anja gleich, ob jemand Kart fahren kann oder nicht. Nur Anfänger legen sich mit dem Körpergewicht in die Kurve.
"Das war eine Riesenumstellung, weil ich natürlich auch immer falsch gefahren werde. Also, nicht, wenn du rechts rum fährst, dich reinlehnen, sondern gerade nach außen, wo du denkst: "Scheiße, da fliege ich ja weg." Aber das ist nicht so, weil du belasten musst, das Gewicht ist auf dem Außenrad sozusagen."
Kart fahren geht mächtig in die Arme, weil es keine Servolenkung gibt wie im Auto. Körperspannung ist wichtig.
Corinna Dietrich: "Also, da muss man schauen, dass man seinen Nackenmuskeln vorher schon ein wenig trainiert hat, weil in den Kurven ist es wirklich körperlich anstrengend."
Vroni Gaubatz: "Es macht riesigen Spaß, aber es ist sehr anstrengend: Blasen, rote Hände, Genickschmerzen."
Silvia Wurst: "Ich meine, das ist anstrengend, aber das ist so schön, weil hinterher, je mehr ich zum Fahren komme, umso besser ist es dann. Manche hören dann auf und sagen: "Ja, und alles tut weh." Aber dann musst du weiter fahren, und dann wird es erst richtig gut."
Auf der Strecke trainieren auch Fahrer, die mit dem Kartfahren sogar ein bisschen Geld verdienen, sagt Hellmut. Im Vergleich mit ihnen schneiden die Racing Girls ganz gut ab.
Hellmut Münch: "Also, wenn man jetzt eine erste Fahreranalyse macht, dann sieht man so: ganz hervorragend die Anja Hermann und sehr gut unsere Silvia. Corinna, Vroni und Anne brauchen vielleicht noch so den ersten stint, um richtig vorn zu fahren."
Silvia Wurst ist mit Mitte Vierzig Seniorin im Team und Garant für gute Laune.
Hellmut Münch und Silvia Wurst:
"Das finde ich bei Silvia sehr gut, dass sie eigentlich das ganz nach vorne stellt und auch vorne fährt, muss man wirklich sagen."
"Ja, weil es einfach schön ist. Deswegen investiere ich die Zeit natürlich auch gern. Und mit dem Hellmut und den Mädchen, das ist immer ganz etwas Besonderes. Das macht richtig Spaß."
"Ich habe es in der Zeitung gelesen. Und dann habe ich mir gedacht: "Kart fahren wollte ich eigentlich schon immer." Vor allem auch durch meinen großen Sohn, der ist gerne Kart gefahren. Und dann habe ich mir gedacht: "Das schaue ich mir jetzt einmal an." Und dann bin ich mit zu der Sichtung gefahren, und dann hat mich der Hellmut eigentlich von Anfang an auf dem Plan gehabt."
"Du warst auch von Anfang an schnell."
"Ich bin das erste Mal bei der Führerscheinprüfung durchgefallen. Da hat der Prüfer gesagt, ich wäre ein Verkehrshindernis. Und dann habe ich mir geschworen: "Ein Verkehrshindernis bin ich nie mehr wieder." Und seitdem fahre ich schnell."
Silvia betreibt eine Tankstelle. Zum Training hat sie ihre Jungs mitgebracht und ihren Freund.
Silvia Wurst: "Mein Mann, von dem habe ich mich letztes Jahr getrennt. Der fährt zwar auch gerne Kart, aber er hat das nicht akzeptieren können, wenn ich das mache. Jedes Mal bin ich heulend hergefahren. Der wollte mir alles nehmen, wo mein Herz dran hängt. Und ich habe irgendwann gemerkt: das Kart fahren kann so schlecht nicht sein, wenn ich es so gerne mache, wenn es mir ein so gutes Gefühl gibt. Da haben die Männer schon oft ein Egoproblem, wo sie sagen: "Wir können damit nicht umgehen, dass eine Frau so etwas macht." Am Anfang wird das schon unterschätzt. Man denkt: "Ja, das geht schon. Das kriegen wir schon hin." Aber das kristallisiert sich dann schon heraus: diese feinen Sticheleien und was da so unterschwellig einfach läuft. Also, das war da beim Kart fahren ganz extrem, weil er immer gesagt hat, wie schlecht das ist, was ich da tue. So etwas macht eine Frau einfach nicht, und schon gar keine Mutter und eine Geschäftsfrau."
Markus Peske: "Wir fahren jetzt das große Finale und haben ein volles Feld mit 34 Mann. Entschuldigung, auch die Damen... Dame... Dame."
In Oppenrod hat Rennleiter Markus Peske die Teilnehmer des Finales um sich versammelt.
Markus Peske: "Ich bin nicht so ganz zufrieden mit der Fahrweise. Fahrt mit Vernunft! Noch mal eine ganz große Bitte an euch. Alles klar? Viel Spaß! Viel Erfolg!"
Wenn Lena gewinnt, schmückt ihre Mutter den Vorgarten
Lena steigt in ihr Kart. Sie klappt das Visier des Helms noch einmal hoch, denn Bahnkommentator Sebastian Bauer streckt ihr ein Mikrofon entgegen:
"Lena Heun in der zweiten Position. Sie hat letztes Jahr die Meisterschaft für sich entscheiden können. Die letzten Worte, bevor es dann wieder los geht: Lena, der Blick wird wahrscheinlich in Richtung eins?"
"Ich hoffe."
"Okay, viel Glück an alle Teilnehmer!"
Nun geht also die Reise los im Schalterfinale 2014 hier in Oppenrod im zweiten Lauf.
Lenas Mama hat mittlerweile auch ihren Frieden mit dem Sport geschlossen, sagt Dirk. Wenn Lena mit einem Titel nach Hause kommt, ist der Vorgarten geschmückt.
Dirk Meyer: "Als sie kleiner war, gab es schon sehr oft Ärger deswegen. Vor allem gab es einmal richtig Ärger, da ist die Lena verunfallt und ist mit total vielen blauen Flecken im Beckenbereich und an den Oberschenkeln nach Hause gekommen, und das hat dann schon... da gab es sogar einen Brief vom Rechtsanwalt."
Vor zwei Jahren wurde Lena von einem Teamchef angesprochen, ob sie sich vorstellen könne, Rennauto zu fahren. Vereinbart wurden zwei Starts in der Formel Renault. Beim Rennen in Spa in Belgien wäre Dirk fast das Herz stehen geblieben.
Dirk Meyer: "Da war mir ein bisschen anders, wie das so ist. Man hat über das Streckenfernsehen, - es gab ein Streckenfernsehen in der Formel Renault -, hat man gesehen, dass es einen sehr schweren Unfall gegeben hat. Und da habe ich gesehen, dass ein total havariertes Auto abtransportiert worden ist. Und dann habe ich so etwa vierzig Minuten lang nicht gewusst, wo meine Tochter ist. Und nach vierzig Minuten kam die Lena dann unversehrt mit dem Schrotthaufen zurück in die Box mit einem Abschleppauto."
Lena Heun: "Es war dramatischer aus, als es dann tatsächlich war. Das Auto war komplett Asche, aber mir ging es gut. Das ist Gott sei Dank heute möglich. Mit dieser Technik, mit der heute gearbeitet wird, passiert dem Fahrer so gut wie nichts mehr."
Kommentar: "Es sind nicht mehr viele Meter. Es ist die letzte Runde. Noch drei Kurven. Die erste ist jetzt schon geschafft, und dann heißt die Siegerin des Finales in Oppenrod Lena Heun vor Julian Hanses ..."
Lena Heun: "Ich bin jetzt hier im Kartsport. Aber das heißt ja nicht, dass ich nicht mal versuchen kann, im Auto Fuß zu fassen. Das verfolge ich seit Jahren, das Ziel, und vielleicht wird man irgendwann dafür noch mal belohnt. So eine Saison im Formelauto kommt auf Minimum 200 000 Euro, und das ist noch wenig.Im Grunde sind es die wenigsten Leute, die das Geld selber mitbringen. Also, ohne Sponsor hat man keine Chance. Ich habe jedes Jahr nach Sponsoren gesucht. Aber es ist halt sehr schwer. Welche Firma gibt einfach so 50.000 Euro? Das müssen schon richtig große Firmen sein. Die muss man dann auch überzeugen, und das ist von zwei Seiten zu betrachten."
Siegerehrung - Kommentar: "Das Gesicht der Siegerin kennen wir noch aus dem letzten Jahr. Letztes Jahr Meisterin im Rhein-Main-Cup, auch hier der Laufsieg. Herzlichen Glückwunsch Lena Heun!"
Lena Heun: "Auf der einen Seite ist es so, dass wir Frauen immer herausstechen in so einer Männerdomäne. Auf der anderen Seite haben wir immer noch dieses Klischee: Frauen und Steuer das ist nichts. Die muss man dann eben überzeugen, dass es Frauen gibt, die genauso mithalten können wie eben die Männer auch."
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