Karl-May-Festspiele

"Inszenierungen kulturell sensibel durchleuchten" (Podcast)

10:00 Minuten
Hinter einem Planwagen, der von einem Pferd mit Reiter gezogen wird, ist eine Gruppe von Männern mit Cowboyhüten versammelt. Hinter der Freilichtbühne erheben sich bewaldete Felsen.
Karl May in der Sächsischen Schweiz: Auf der Felsenbühne in Rathen wird die Aufführung von "Winnetou I" geprobt. © picture alliance / dpa / Matthias Rietschel
Ben Hänchen im Gespräch mit Boussa Thiam |
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Sind Karl-May-Festspiele noch zeitgemäß? Der Kulturjournalist Ben Hänchen behandelt diese Frage in seinem Podcast "Winnetou ist kein Apache" sehr persönlich. Denn seit fast 30 Jahren wirkte er selbst als Darsteller auf einer Karl-May-Bühne mit.
Karl Mays Darstellungen des "Wilden Westens" ziehen seit Jahren immer wieder Kritik auf sich. Der Vorwurf: Die Abenteuergeschichten verbreiteten Klischees über die Kulturen der Native Americans und vermittelten ein falsches und verharmlosendes Bild von ihrer leidvollen Geschichte.
Sind Karl-May-Aufführungen auf Festspielbühnen wie in Bad Segeberg oder Rathen, die nach wie vor ein großes Publikum anziehen, vor diesem Hintergrund überhaupt noch vertretbar?

Karl-May-Fan mit Hingabe

Der Radiojournalist Ben Hänchen geht dieser Frage in seinem vom MDR produzierten Podcast "Winnetou ist kein Apache" auf sehr persönliche Weise nach. Seit seiner Kindheit hat er selbst unzählige Male als Darsteller in Karl-May-Inszenierungen mitgewirkt.
Die Karl-May-Spiele im sächsischen Bischofswerda wurden 1993 von seinem Vater mitbegründet. Hänchen hat mit dem Hobby seine Kindheit und Jugend verbracht und sich ihm mit großer Hingabe gewidmet.
Als Journalist begann er, sich mit Themen wie kultureller Aneignung und Kolonialismus zu beschäftigen und auch das eigene Tun zu hinterfragen. Sein Podcast ist ein Versuch, möglichst viele Perspektiven auf das Phänomen Karl May zusammenzuführen und dabei auch Menschen mit gegensätzlichen Sichtweisen ins Gespräch zu bringen.

Verhärtete Fronten

Die in den letzten Wochen entbrannte Debatte um die vom Ravensburger Verlag zurückgezogenen Winnetou-Bücher habe deutlich gezeigt, wie verhärtet dabei oft die Fronten sind, sagt Hänchen. Besonders wichtig sei es ihm daher gewesen zu erfahren, wie Menschen indigener Herkunft die Diskussion wahrnehmen.
So habe etwa der kanadische Autor und Dokumentarfilmer Drew Hayden Taylor, der selbst dem Stamm der Ojibwe angehört, über Karl Mays klischeehafte Darstellungen von Native Americans den Kopf geschüttelt.
Den Vorwurf der kulturellen Aneignung hielt er aber für abwegig, da es sich offensichtlich um Märchen handle.

Große Reichweite als Chance

In der Karl-May-Szene sei ihm zugute gekommen, dass ihm viel Vertrauen entgegengebracht wurde, da er selbst Fan ist. Natürlich gebe es Karl-May-Puristen, die ihn zunächst als "Nestbeschmutzer" wahrgenommen hätten. Aber er habe durchaus viel Bereitschaft gefunden, über kritische Punkte zu sprechen.
Hänchen spricht sich dafür aus, dass die Karl-May-Spiele der Verantwortung besser gerecht werden, die ihnen durch ihre großen Reichweite zuwachse. Er sieht darin die Chance, über die tatsächliche Geschichte der Native Americans und ihre heutigen Lebensverhältnisse aufzuklären und zugleich die eigenen Darstellungsformen des "Wilden Westens" zu überdenken:
"Wir sollten unsere Inszenierungen künftig eben nicht nur unter dramaturgischen oder Story-Gesichtspunkten anschauen, sondern auch durchleuchten, ob es kulturell sensibel ist. Konkret bei Themen wie Redfacing, Darstellung von vermeintlich authentischen Ritualen oder Sprachen, da muss mehr passieren bei der Stückentwicklung in Zukunft."
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