Kapitalismuskritiker Elmar Altvater gestorben

    "Er war ein Popstar und Großdenker"

    Der Politologe und Ökonom Elmar Altvater (1938 -2018) auf einem Archivbild aus dem Jahr 1996
    Der Politologe und Ökonom Elmar Altvater (1938 -2018) auf einem Archivbild © imago / Rolf Zöllner
    Dirk Messner im Gespräch mit Marietta Schwarz · 02.05.2018
    Elmar Altvater ist gestorben. Der bekennende Marxist war einer der bekanntesten und profiliertesten Kapitalismuskritiker. Er schrieb über die Regulierung von Märkten, das Problem der Verschuldung und die Folgen kapitalistischer Wirtschaft. Der Politologe Dirk Messner erinnert sich an den Lehrer und Weggefährten.
    Einen Namen machte sich der bekennende Marxist Elmar Altvater als Vertreter der Schule der "Kritik politischer Ökonomie". Er war Autor vieler globalisierungs- und kapitalismuskritischer Schriften. Altvater befasste sich mit Fragen der Entwicklungstheorie, der Verschuldung, der Regulierung von Märkten und mit den Auswirkungen kapitalistischer Ökonomien auf die Umwelt. Jetzt ist er im Alter von 79 Jahren gestorben.

    Kult-Vorlesungen eines unorthodoxen Marxisten

    Der Politologe Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik und Weggefährte Altvaters, sagt im Interview über seine Zeit als Student bei Altvater:
    "Er war vor allen Dingen ein großer, beeindruckender Lehrer für uns alle. Er hat uns eine neue Welt erschlossen und für Welt- und Weitblick gesorgt. Er hat uns alle elektrisiert. Seine Vorlesungen waren Kult. Wir sind in großen Massen zu ihm geströmt, um mit ihm arbeiten zu können. Er konnte überzeugen, er war rhetorisch sehr, sehr stark. Er war ein wissenschaftlicher Popstar und hat uns beeindruckt durch die unglaubliche Vielzahl von Literatur, die er verarbeiten konnte."
    Altvater habe sich selbst immer als "unorthodoxen Marxisten" bezeichnet, so Messner weiter. Er habe den Studenten gezeigt, wie Marx in die große Literatur der Aufklärung eingebettet sei, in Kant, Rousseau und Hume: "Er konnte das alles miteinander verbinden, er war ein Großdenker. Er konnte Weltsysteme erklären und die Gesellschaft aus unterschiedlichsten Perspektiven wahrnehmen."

    Marxismus im aktuellen gesellschaftlichen Kontext

    Wahrscheinlich sei Altvater in seiner Generation der Wissenschaftler, der sich am intensivsten mit dem Marxismus beschäftigt habe. Den habe er dann versucht in den gesellschaftlichen Kontext des 20. und 21. Jahrhunderts zu übersetzen. "Er ist immer davon ausgegangen, dass die Art und Weise wie Ökonomie organisiert werde, viel damit zu tun hat, wie die Gesellschaft dann ausschaut, wie Ungleichheit und Gleichheit entstehen."
    Altvater sei nicht nur Wissenschaftler und Intellektueller gewesen, so Messner, sondern er habe sich auch sehr stark politisch engagiert. Das zeige sich unter anderem daran, wie enorm er die 68er geprägt habe. Er sei einer der großen Intellektuellen, die aus der 68er-Bewegung hervorgegangen sind. Er habe das Nachdenken über unsere Gesellschaft, die Weiterentwicklung der Politikwissenschaften aus einer Marx'schen Perspektive, vorangetrieben und damit Generationen von Studenten geprägt.

    Kritik am Kapitalismus und an der Globalisierung

    Im Deutschlandfunk Kultur betonte Altvater in einem Interview vor einigen Jahren, dass Kritik am Kapitalismus und der Konsumgesellschaft heute genauso aktuell sei, wie vor mehreren Jahrzehnten:
    "Diese Kritik war damals richtig und sie ist auch heute richtig. Denn tatsächlich werden die Dinge, die wir produzieren, als Waren auf den Markt geworfen und müssen konsumiert werden, sodass tatsächlich so eine Art Konsumzwang besteht.
    Das Problem besteht nun aber darin, dass auch Waren auf den Markt geworfen werden, für die ein Konsumzwang ausgeübt wird, der außerordentlich nachteilig ist, sowohl für die Konsumenten, weil sie damit nicht glücklich werden, was sie denn da konsumieren, als auch für die Produzenten, weil sehr viel Unfug angestellt wird, sehr viel auch ökologisch schädliche Produktion auf diese Weise auf den Markt kommt. Mit anderen Worten, wenn man denn die Konsumkritik mit der Kritik an der Produktionsweise verbindet, ist sie so aktuell, heute genauso wie vor 30, 40 Jahren."
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