Kampf gegen den Klimawandel

Wie verschwinden CO2-Emissionen aus der Atmosphäre?

06:46 Minuten
Illustration: Die Erde in eine graue dreckige Wolke eingehüllt.
Um den Klimawandel einzudämmen, müssen wir den CO2-Ausstoß massiv reduzieren. Aber auch die Entnahme des klimaschädlichen Gases spielt eine entscheidende Rolle. © Getty Images / Comotion Design
Jan Minx im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 19.01.2023
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Bei der Diskussion um die Klimakrise geht es vor allem um die Reduktion von CO2: kein Autofahren, nicht in den Urlaub fliegen, kein Rindfleisch essen. Ebenso wichtig ist es aber, Methoden zur gezielten Kohlendioxidentnahme weiterzuentwickeln.
Die Wissenschaft beschäftigt sich schon länger mit der Frage: Wie kriegen wir klimaschädliches CO2 wieder aus der Atmosphäre raus? Nun hat die Universität Oxford, gemeinsam mit anderen Institutionen, dazu eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme veröffentlicht. Klima- und Nachhaltigkeitsforscher aus Deutschland, Großbritannien und den USA haben daran mitgearbeitet. Der deutsche Nachhaltigkeitsforscher Jan Minx vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change ist einer der Autoren und ordnet das Thema für uns ein.
Laut Angaben des Global Carbon Project wurden 2022 weltweit 40,6 Milliarden Tonnen energiebedingte CO2-Äquivalente (CO2e) ausgestoßen  – so viel, wie noch nie zuvor.  CO2e ist die Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase.
Im internationalen Pariser Klimaschutzabkommen haben die Regierungen vereinbart, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und einen Anstieg von weniger als 1,5 Grad Celsius anzustreben.
Um das bis 2100 zu erreichen, darf die Menschheit bis dahin nur noch 420 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre pusten. Wenn man bedenkt, dass wir allein im Jahr 2022 mehr als 40 Milliarden verbraucht haben, müssen nun massive Einsparungen und Co2-Entnahmen vorgenommen werden.
Bis 2030 sollen dafür zunächst insgesamt 65 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen eingespart werden (im Vergleich zu 1990). Das Klimaschutzziel 2040 sieht 88 Prozent vor. 
Das klimaschädliche Kohlendioxid kann entweder auf natürliche Weise entzogen werden oder aber auf technischem Weg. Die natürliche Methode funktioniert über die Photosynthese der Pflanzen, die CO2 aufnehmen und Sauerstoff produzieren.
Sprich: Große, intakte Wälder sind der beste und wertvollste natürliche Filter. Zwei Milliarden Tonnen CO2 werden auf diese Weise der Atmosphäre pro Jahr entzogen. Somit sind Aufforstung und Schutz das Gebot der Stunde.
Die technische Entnahme von CO2 – etwa durch spezielle chemische Filter, die den Klimakiller aus der Luft filtern – ist noch stark ausbaufähig. Gerade einmal zwei Millionen Tonnen der Emissionen werden damit zurzeit eliminiert.
Weitere Möglichkeiten: die Speicherung in Böden oder die geologische Speicherung in Gesteinen (etwa in Bergwerken). Hier ist Island federführend.
Seit 2014 pumpt Island CO2, das bei seinem Erdwärmekraftwerk Hellisheidi anfällt, in vulkanisches Gestein. Das Gas mineralisiert dann dort innerhalb relativ kurzer Zeit, heißt: Es wird selber zu Stein. Diese Methode ließe sich vielerorts in der Welt anwenden.
Nein, selbstverständlich nicht. Es gibt laut Nachhaltigkeitsexperte Jan Minx immer Restemissionen, die nur sehr schwierig aus der Atmosphäre zu bekommen sind, etwa Methangasemissionen aus der Landwirtschaft. Kompensation sind deshalb zwar ein unverzichtbares Instrument im Kampf gegen den Klimawandel, aber keine Alternative zur Reduktion unseres Ausstoßes.
Wer also hofft, sein uraltes Diesel-Auto weiterfahren zu können, der irrt. Wir können uns nicht auf den technischen Möglichkeiten zur CO2-Entfernung ausruhen, selbst wenn diese deutlich erweitert werden. Im Gegenteil: Es kann nur eine Ergänzung sein. Das Hauptaugenmerk muss auf der Reduktion der Emissionen liegen.
Klimaforschende erinnern immer wieder daran, neben der CO2-Einsparung auch die CO2-Entnahme politisch ernst zu nehmen: Es gebe in Deutschland, aber auch weltweit keinen Plan dafür.
Dringend müsse definiert werden: Wie viele Restemissionen können wir uns überhaupt noch leisten? Und wie können diese dann kompensiert werden? Und: Bei der Weiterentwicklung von Methoden zur CO2-Entnahme sollten immer auch mögliche Nebeneffekte kritisch beleuchtet werden.
(weitere Quellen: Helmholtz-Klimainitiative/GEOMAR Kiel, dpa)
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