Kampf für ein anderes Russland
Panjuschkin stellt in seinem Buch Menschen vor, die sich den Herrschenden in Russland entgegen stellten - und für ihre politische Überzeugung ihre Karriere, manchmal sogar ihr Leben aufs Spiel setzten.
Waleri Panjuschkin hat ein spannendes Buch geschrieben. Von einigen der elf Porträtierten hat man schon gehört, zum Beispiel von dem ehemaligen Schach-Weltmeister Garri Kasparow, andere sind hierzulande weitgehend unbekannt. Da ist zum Beispiel die heute 27-jährige Tochter des einstigen liberalen Premierministers Jegor Gaidar, Maria Gaidar. Um gegen Wahlbetrug zu protestieren, seilte sie sich vor einigen Jahren mit einem Freund von einer Brücke über dem Fluss Moskva ab und rollte ein Transparent aus. Direkt gegenüber vom Kreml. Eine halbe Stunde konnten sie aushalten, dann kamen die Polizei und Rettungskräfte und zogen die Aktivisten nach oben.
"Als Maria an der Brüstung anlangte, beugte sich als Erstes ein Milizionär zu ihr herüber, riss das Spruchband ab und knüllte es zusammen. Der Mann vom Rettungsdienst packte Maria, half ihr, über das Geländer zu steigen, und flüsterte ihr dabei ins Ohr: 'Was stand denn auf eurem Transparent?' - 'Gebt dem Volk die Wahlen zurück, ihr Banditen.' Maria schlotterte vor Kälte. 'Richtig!', sagte der Mann und lächelte. 'Sagt uns das nächste Mal Bescheid, wenn ihr euch wieder einmal an eine Brücke hängt.'"
Das ist eine hoffnungsvolle Nebenerkenntnis des Buches zwischen den Zeilen: Dass offenbar mehr Russen als vermutet still mit den Andersdenkenden sympathisieren. Aber eben nur still.
Panjuschkin schildert in seinem Buch erstaunliche Lebensläufe. Anatoli Jermolin etwa war Elitesoldat der Sowjetunion. Später leitete er soziale Projekte des mittlerweile verhafteten regierungskritischen Unternehmers Michail Chodorkowski. Zugleich saß er für Putins Partei "Einheitliches Russland" in der Staatsduma. Jermolin nahm sich das Recht heraus, nach seinem eigenen Gewissen abzustimmen. Damit eckte er an. Im Jahr 2004 bestellte der stellvertretende Leiter der Präsidialadministration Jermolin und andere Abgeordnete zu sich.
"Er brüllte sie an: 'Welche Knöpfe drückt ihr denn? Wer seid ihr überhaupt? Wem seid ihr Rechenschaft schuldig?' Das Gespräch war intern gewesen, aber Jermolin schrieb darüber einen offiziellen Brief an den Vorsitzenden des Verfassungsgerichts. Den fragte er, wie zum Teufel der stellvertretende Leiter der Präsidialadministration dazu komme, Abgeordnete der Staatsduma antreten zu lassen wie Gefreite und ihnen zu befehlen, wie sie zu stimmen hätten. Als der Brief abgeschickt war, teilte Jermolin das der Presse mit."
Wenig später wurde Jermolin aus der Partei "Einheitliches Russland" ausgeschlossen.
Panjuschkin stellt in seinem Buch Menschen vor, die ihre Karriere, manchmal sogar ihr Leben für ein "anderes" Russland riskieren. Er erzählt, wie perfide und schamlos die Machthaber gegen Oppositionelle vorgehen. Aber er zeigt auch die Widersprüche innerhalb der "Nichteinverstandenen". Da marschieren Bürgerrechtler – wenn auch widerwillig – gemeinsam mit antiliberalen "Nationalbolschewisten". Ein in jeder Hinsicht aufschlussreiches Buch. Leider ist der Stil mitunter allzu reißerisch und plakativ. Wenn das aber dazu beiträgt, dass diese mutigen Menschen bekannter werden, sei es dem Autoren verziehen.
Waleri Panjuschkin: Die Nichteinverstandenen. Das Gesicht der russischen Opposition
Knaur Verlag, 2009
"Als Maria an der Brüstung anlangte, beugte sich als Erstes ein Milizionär zu ihr herüber, riss das Spruchband ab und knüllte es zusammen. Der Mann vom Rettungsdienst packte Maria, half ihr, über das Geländer zu steigen, und flüsterte ihr dabei ins Ohr: 'Was stand denn auf eurem Transparent?' - 'Gebt dem Volk die Wahlen zurück, ihr Banditen.' Maria schlotterte vor Kälte. 'Richtig!', sagte der Mann und lächelte. 'Sagt uns das nächste Mal Bescheid, wenn ihr euch wieder einmal an eine Brücke hängt.'"
Das ist eine hoffnungsvolle Nebenerkenntnis des Buches zwischen den Zeilen: Dass offenbar mehr Russen als vermutet still mit den Andersdenkenden sympathisieren. Aber eben nur still.
Panjuschkin schildert in seinem Buch erstaunliche Lebensläufe. Anatoli Jermolin etwa war Elitesoldat der Sowjetunion. Später leitete er soziale Projekte des mittlerweile verhafteten regierungskritischen Unternehmers Michail Chodorkowski. Zugleich saß er für Putins Partei "Einheitliches Russland" in der Staatsduma. Jermolin nahm sich das Recht heraus, nach seinem eigenen Gewissen abzustimmen. Damit eckte er an. Im Jahr 2004 bestellte der stellvertretende Leiter der Präsidialadministration Jermolin und andere Abgeordnete zu sich.
"Er brüllte sie an: 'Welche Knöpfe drückt ihr denn? Wer seid ihr überhaupt? Wem seid ihr Rechenschaft schuldig?' Das Gespräch war intern gewesen, aber Jermolin schrieb darüber einen offiziellen Brief an den Vorsitzenden des Verfassungsgerichts. Den fragte er, wie zum Teufel der stellvertretende Leiter der Präsidialadministration dazu komme, Abgeordnete der Staatsduma antreten zu lassen wie Gefreite und ihnen zu befehlen, wie sie zu stimmen hätten. Als der Brief abgeschickt war, teilte Jermolin das der Presse mit."
Wenig später wurde Jermolin aus der Partei "Einheitliches Russland" ausgeschlossen.
Panjuschkin stellt in seinem Buch Menschen vor, die ihre Karriere, manchmal sogar ihr Leben für ein "anderes" Russland riskieren. Er erzählt, wie perfide und schamlos die Machthaber gegen Oppositionelle vorgehen. Aber er zeigt auch die Widersprüche innerhalb der "Nichteinverstandenen". Da marschieren Bürgerrechtler – wenn auch widerwillig – gemeinsam mit antiliberalen "Nationalbolschewisten". Ein in jeder Hinsicht aufschlussreiches Buch. Leider ist der Stil mitunter allzu reißerisch und plakativ. Wenn das aber dazu beiträgt, dass diese mutigen Menschen bekannter werden, sei es dem Autoren verziehen.
Waleri Panjuschkin: Die Nichteinverstandenen. Das Gesicht der russischen Opposition
Knaur Verlag, 2009

Waleri Panjuschkin: "Die Nichteinverstandenen"© promo