Kabarett mit Schwarmfinanzierung

Moderation: Ulrike Timm · 06.12.2012
Seine Satiresendung "Scheibenwischer" war jahrelang eine Institution im deutschen Fernsehen, doch dann verschwand der Kabarettist Dieter Hildebrandt von den Bildschirmen. Da möchte er wieder hin, und die Netzgemeinde soll dabei helfen.
Ulrike Timm: Dieter Hildebrandt ist vom Fernsehschirm schon eine ganze Weile verschwunden, und das durchaus im Groll. "Notizen aus der Provinz" wie der "Scheibenwischer" sind schon länger her, und trotzdem ist er bis heute der bekannteste politische Kabarettist in Deutschland. 160 mal im Jahr lässt Dieter Hildebrandt sein Publikum wissen, was er denkt, tourt über die Bühnen, liest täglich sieben Zeitungen und kann noch in jedem Lokalteil was finden, was sein aktuelles Abendprogramm bereichert.

Aber auch mit Mitte 80 hat er jetzt noch was Neues vor, will ins Netz mit einer neuen Sendung, "Störsender" soll sie heißen. Heute stellt er sie in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft vor, das heißt, erst mal noch nicht, denn vor dem Start muss erst mal Crowdfunding stattfinden. Das heißt, Störsender braucht Fans, die ihn ermöglichen. Schönen guten Morgen, Herr Hildebrandt!

Dieter Hildebrandt: Guten Morgen! Ich bin nicht ...

Timm: Crowdfunding – kannten Sie das Wort eigentlich, bevor Sie dazu aufriefen, "Störsender" zu sponsern.

Hildebrandt: Ich kannte das Wort Crowd und ich kannte das Wort Funding. Und das Wort Fonds kenne ich auch, und ich weiß, es fondst unheimlich viel rum, aber das hat damit nicht zu tun. Ich habe jetzt gelernt, was das heißt: Es heißt einfach, sich selbst zu finanzieren mithilfe derer, die dann zu Anhängern werden sollen. Und das ist eigentlich eine ganz demokratische Einrichtung, ne?

Timm: Und deswegen werden Sie jetzt Fonds-Manager?

Hildebrandt: Ja, das hört sich nicht gut an, ja, ich weiß. Im Übrigen, ich muss ja ein bisschen richtigstellen: Ich bin nicht im Groll vom Fernsehen geschieden. Ich bin auf eigenen Wunsch ausgestiegen, also ...

Timm: Aber der Wunsch hatte ja Gründe.

Hildebrandt: Der Wunsch hatte Gründe, ja, nämlich, dass ich ein wenig, dass ich das Gefühl hatte, ein bisschen gealtert war.

Timm: Im "Störsender" können wir Sie tun sehen, was Sie machen, wenn Sie wollen – so heißt es im Trailer. Was wollen Sie denn?

Hildebrandt: Na ja, ich will eigentlich das machen, was mir am Herzen liegt. Das heißt, ich will ganz schnell entscheiden, ich mache heute das, ich mache heute das, ohne es abzusprechen mit Menschen, die mir dabei helfen müssen. Also ein Wort und 60 Menschen, die im Fernsehsender beispielsweise dafür arbeiten müssen. Hier sind wir nur zu dritt, und wir machen das ganz alleine. Und das hat sehr viele Vorteile: Man kann viel mehr improvisieren, man kann zum Beispiel sofort Stellung nehmen zu etwas, was gerade passiert. wenn Sie mir etwas sagen, in einer halben Stunde kann ich schon darüber reden.

Timm: Also Fernsehen für Nichtfernseher?

Hildebrandt: So ist es.

Timm: Aber trotzdem wundert mich das ein bisschen, denn es gibt ja politisches Kabarett im Fernsehen durchaus. Beispiel "Neues aus der Anstalt", die Kollegen machen das live, da kann auch kein Redakteur bis zuletzt, wie Sie so schön sagen, Papiere genehmigen. Treten Sie denn die Kollegen gleich mit in die Tonne?

Hildebrandt: Überhaupt nicht! Von in die Tonne Treten kann nicht – überhaupt sind die meistens voll ... es hat keinen Sinn, jemanden da hineintreten zu wollen. Ich will eigentlich nur einen eigenen, also meinen eigenen Stil ein wenig noch betreiben. Ich weiß nicht, wie lange es geht, aber wenn das Publikum das will, die meisten haben mir gesagt, dass es schade ist, dass ich nicht mehr da bin, da habe ich gesagt: Okay, auf diese Weise komme ich durch die Hintertür irgendwie mal wieder zu ihnen.

Ich bin ja jeden Abend unterwegs, ich bin ja 160 mal im Jahr auf Bühnen, und das ist auch ein sehr angenehmes Gefühl. Nur, die sagen, es ist zu wenig. Wenn ich in einer Stadt komme, dann gehen da 500 Leute rein, und die anderen sagen: Ah, der war gestern da, schade, ich bin nicht reingekommen.

Timm: Aber fehlt Ihnen nicht im Netz genau das, was Sie auf der Bühne stark macht, nämlich der direkte Kontakt zum Publikum?

Hildebrandt: Ach nein, ich habe ja gelernt, dass das andere auch geht. Weil das ist ja ein sehr schnelles Feedback. Die rufen an, die mailen, oder was machen sie alles, es geht ganz schnell, und ich weiß ganz genau, bin ich auf dem richtigen Weg, bin ich nicht, wollen sie mich nicht, wollen sie mich – ich kann ja auch aufhören, das ist auch das schöne, ich habe keine Verträge, wir haben miteinander keinen Vertrag, wir verdienen auch kein Geld damit.
Timm:Ist das so eine Art geplantes Küchenfernsehen? Drei Leute sitzen am Tisch ...

Hildebrandt: Ja, genau so ist es ... ja, so ist es.

Timm: ... und spinnen vor sich hin?

Hildebrandt: Ja, ja, ja, Arbeitszimmerfernsehen!

Timm: Wer ist denn schon alles mit im Boot?

Hildebrandt: Also es haben mir zugesagt, außer der Tatsache, dass der Redaktionschef – der heißt Stefan Hanitzsch, ein sehr begabter junger Mann, der macht alles, der macht die gesamte Technik, und der macht auch Texte, sehr gute, junger Typ –, der Vater macht auch mit, das ist der bekannte Karikaturist Dieter Hanitzsch, und dann haben zugesagt, mal vorbeizukommen und einen Text abzulassen, der Conny Wecker, der Frank Barwasser, also Pelzig, der Georg Schramm, der Willemsen – also, es ist unglaublich, wer, wie viel ... und Siggi Zimmerschied ... es sind jetzt schon sechs oder sieben, die zugesagt haben.
Timm: Dieter Hildebrandt, kennen Sie sich eigentlich normalerweise aus im Netz, surfen Sie da, recherchieren Sie, ist das Netz für Sie wirklich ...

Hildebrandt: Ich bin nicht der Techniker, ich bin der Texter. Ich habe genug Techniker um mich herum. Mit der Zeit werde ich das auch lernen, jetzt weiß ich noch gar nichts.

Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton" – der Kabarettist Dieter Hildebrandt will mit Freunden im Internet den "Störsender" aufmachen. Geplant sind ungefähr 20 Sendungen im Jahr mit einfachen, mit Bordmitteln, aber ganz aktuell und so, wie den Machern der Schnabel gewachsen ist. Herr Hildebrandt, wenn heute nicht Start des Crowdfunding, sondern schon die erste Sendung wäre, was wäre dann heute Abend Thema im Störsender?

Hildebrandt: Also heute Abend wäre mit Sicherheit die Jubelfeier der CDU ein Thema, die sich auf die Schulter klopfen und sagen, wir sind die Größten. Die Bundeskanzlerin hat auch gesagt, sie ist die Allergrößte, und zwar seit Adenauer gab es keine so Tolle. Und ich würde mitjubeln und würde ihnen wirklich unter die Arme greifen und sagen: Ihr habt zwar dann nur 40 Prozent, und niemand mit ihnen macht etwas – eine Große Koalition ist das nächste, also es ist für den Jubel keine große Möglichkeit.

Dann sind selbstverständlich die Dinge, die auch mit unserer Außenpolitik zu tun haben, dann ist Steinbrück ein Thema, natürlich, der Kandidat, und dann sind hier auch ein paar, liegen ein paar Themen bei uns, der Fall Mollath bei uns. Da sitzt einer sechs Jahre lang im Gefängnis, praktisch in einer Psychiatrie, in einer wirklich gerichtlichen Medizin, halt eine Psychiatrie, und man kann nicht sagen, dass er an irgendetwas schuld ist, das ist ein typisches bayrisches, spezielles – denken wir an Feuchtwanger – Skandalon, und dann haben wir dann auch hier um die Ecke, ich habe sieben oder acht Themen, die ich sofort anpacken müsste.

Timm: Aber erst mal kümmern Sie sich ums Spendensammeln, neue Räume für Sie, Crowdfunding – im Trailer für Störsender heißt es: "Wir wollen Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Anteile", ganz direkt. Der "Störsender" kriegt also einen Gründungsfonds. Das ist eine neue Rolle für sie, Fonds-Manager. Wie wollen Sie die denn ausfüllen?

Hildebrandt: Also ich bin nicht der Werbende!

Timm: Doch, im Trailer sagen Sie: "Wir wollen Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Anteile."

Hildebrandt: Ja, ich stehe dahinter, ich stehe dahinter, aber ich bin nicht drin. Also ich meine, ich bin schon – ich bin kein Manager, ein Manager werde ich nie in meinem Leben werden, das managt Stefan Hanitzsch, und ich sehe wohlwollend zu, wie sich eventuell das Ding gut entwickelt oder nicht. Wenn nicht, kriegen die alle ihr Geld zurück, und dann ist das nichts gewesen.

Timm: Das haben Sie hiermit öffentlich gesagt, die kriegen dann alle ihr Geld zurück!

Hildebrandt: Richtig, ja, ja, richtig! Und das ist doch eine sehr gute Geschichte. Genau so gut, wie wenn man nachher auf die Bühne geht und sagt: Ich habe Ihnen Plakate, ich sage, ich komme heute am Freitag und bin bei euch im Saal, und ich werde, ich stelle mich zur Wahl. Das ist wie als wenn ich als Politiker gewählt werde in meinem Wahlkreis: Kommen sie oder kommen sie nicht, werde ich gewählt oder nicht? Das ist eine ganz faire Sache. Und es hat mit Management eigentlich weniger zu tun, es ist eigentlich ein gutes Verhältnis zu denen, die ich dann zu denen zählen kann, die mich sehen wollen.

Timm: Das heißt, Dieter Hildebrandt entdeckt die Community. Klick oder nicht Klick, das ist dann die Frage.

Hildebrandt: Das ist ein sehr guter Satz, der Ihnen da eingefallen ist!

Timm: Danke, aber ... war ganz spontan. Ich habe mich eher gewundert, wie günstig Sie sind. Mit fünf Euro ist man dabei, sehr sozial, bei 200 Beitrag kriegt man eine Sondervorstellung von Dieter Hildebrandt – echt?

Hildebrandt: Ja ...

Timm: Steht drin.

Hildebrandt: Ja, nicht im Haus, nicht im Schlafzimmer.

Timm: Aber eben in der Community.

Hildebrandt: Na ja, der kann zu mir kommen, irgendwo, wo ich hinkomme, da kann er hinkommen.

Timm: Ich war nur erstaunt, dass das so billig ist: 200 Euro und Sondervorstellung.

Hildebrandt: Ja, ja, wir erwarten aber auch, dass jemand 1.000 jetzt vielleicht spendiert.

Timm: Es heißt ...

Hildebrandt: Es könnte ja auch sein, dass jemand 10.000 gäbe, ich sage, das ist mir das wert. Durchaus möglich.

Timm: Also Sie freuen sich drauf, weil Ihnen noch mal was ganz neues ins Haus geflattert ist?

Hildebrandt: Ja, ich bin neugierig, natürlich, und auch geblieben, neugierig geblieben.

Timm: Dieter Hildebrandt, reicht es denn da, dass Sie ihrer Ehefrau, wie Sie es erzählt haben, beim Internet-Surfen mal über die Schulter gucken?

Hildebrandt: Nein, schon über beide Schultern.

Timm: Über beide?

Hildebrandt: Außerdem ist sie pädagogisch sehr gut, also sie wird mich lehren, und dann habe ich noch zwei, drei andere, die mich dann vielleicht auch darauf bringen, dass ich ein moderner Mensch werde. Aber wahrscheinlich gelingt denen das nicht, ich bin doch von Hause aus in dieser Beziehung doch etwas konservativ. Aber von mir werden nur Texte verlangt und mein Gesicht.

Timm: Da kommt noch was Neues – Dieter Hildebrandt will mit Freunden und seiner Sendung "Störsender" ins Netz und betreibt erst mal Fundraising dafür. Schönen Tag noch und alles Gute!

Hildebrandt: Danke für die Werbung!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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