1. FC Kaan-Marienborn

Von der vierten bis in die elfte Fußballliga

06:42 Minuten
Mirko Kringe vom 1. FC Kaan-Marienborn (links) im Duell gegen Aleksandar Kandic vom FC Gütersloh im Westfalenpokal
Der 1. FC Kaan-Marienborn (hier der Spieler Mirko Kringe im hellen Trikot) spielt jetzt in der elften Liga. © IMAGO / Rene Traut
Von Heinz Schindler · 10.12.2023
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Der 1. FC Kaan Marienborn spielt nach dem freiwilligem Rückzug aus der Regionalliga inzwischen in der Kreisliga. Der Grund: Der Verein sah keine Möglichkeit, seine Arena nach Bedingungen des Westdeutschen Fußballverbandes viertligatauglich zu machen.
Hinweise für den Ticketverkauf, für Medienvertreter, Pressemitteilungen – auf der Internetpräsenz des 1. FC Kaan-Marienborn weht noch der Wind der erfolgreichsten Jahre der Vereinsgeschichte. Das Allermeiste ist schon unter den Rubriken Historie und Archiv abgelegt worden, soll für die Nachwelt erhalten werden.
Denn schon in wenigen Jahren wird sich kaum noch jemand vorstellen können, dass auf dem Platz am Waldrand in Kaan-Marienborn, einem Stadtteil von Siegen, einmal viertklassiger Fußball gespielt worden ist.

"Eine gut überlegte Entscheidung"

Im Sommer zog sich der Verein als Tabellenfünfter aus der Regionalliga West zurück bis in die Kreisliga C, Liga elf. Eine Entscheidung der Vernunft, sagt der zweite Vorsitzende Stefan Jäkel.
"Affekt auf gar kein Fall. Das war wirklich eine gut überlegte Entscheidung. Wir waren eigentlich noch im Prozess, die Lizenz für das nächste Jahr zu stellen. Und haben bis zum Ende wie die Löwen gekämpft, um es noch irgendwie möglich zu machen. Aber wir mussten am Ende gemeinsam mit dem Vorstand, mit den Hauptsponsoren erkennen, dass es unter diesen Bedingungen für uns sowohl finanziell als auch vom personellen Aufwand sinnvoll nicht mehr machbar war."
Auch während der beiden Spielzeiten in der Regionalliga wurde hinter den Kulissen alles im Ehrenamt erledigt. Was bisweilen einem zweiten Vollzeitjob gleich kam.
Die Heimspiele wurden - abhängig vom Gästeaufkommen und somit der Sicherheitslage - auf dem eigenen Platz in Kaan-Marienborn ausgetragen oder aber im großen Siegener Leimbachstadion mit seiner Kapazität von 18.000 Plätzen. Vor allem dann, wenn es gegen tief gefallene Profivereine wie Oberhausen oder Aachen ging.
Doch der Westdeutsche Fußballverband will diese Zwei-Stadien-Lösungen nicht mehr. Das hatte auch der aktuelle Aufsteiger aus Bocholt schon vor der Saison vermittelt bekommen. In Kaan-Marienborn standen sie im Frühjahr vor einer kaum lösbaren Aufgabe.

Einer der Knackpunkte war, dass wir bis zum Sommer eine überdachte Tribüne auf der Haupttribüne hätten bauen müssen. Und es gab von jeher von der Stadt die klare Aussage, dass eine überdachte Tribüne nicht machbar ist in Kaan-Marienborn - aus teilweise Naturschutzgründen, aus Lärmschutzgründen. Dann hätte auch im Gästebereich eine mobile Tribüne aufgebaut werden müssen. Wir hätten die Zuschauerkapazitäten deutlich erweitern müssen zu einer Gesamtkapazität, die wir hier auf unserer begrenzten Platzanlage gar nicht hätten gewährleisten können.

Bei einem Stammpublikum von deutlich weniger als tausend Zuschauern wäre ein Ausbau weit am Bedarf vorbei gegangen. Ein dauerhafter Umzug nach Siegen hätte Kosten verursacht, während für den Kunstrasenplatz auf der eigenen Anlage weiterhin Darlehen bedient werden müssen.

Ein Ende mit Schrecken

Der Verein wählte das Ende mit Schrecken und bitterem Beigeschmack, so Stefan Jäkel.
„Man bekommt so ein bisschen das Gefühl, die Regionalliga soll jetzt auch eine Profiliga werden. Wir waren nie eine Profimannschaft oder ein Profiverein, auch wenn wir zuletzt eine Handvoll Profispieler in unseren Reihen hatten. Wenn ich bedenke, dass jetzt für zehn Jahre die Übertragungsrechte am Stück vergeben wurden, merkt man, in welche Richtung das gehen soll. Es soll professionalisiert werden. Da möchte man vom Verband wahrscheinlich auch nur noch diese Traditionsvereine oder die finanzkräftigen Vereine haben, die entsprechende Strukturen haben, um diese Professionalisierung auch mitgehen zu können.“
Anhänger vom 1. FC Kaan-Marienborn
Anhänger vom 1. FC Kaan-Marienborn unterstützen ihr Team.© IMAGO / Rene Traut
Der 1. FC Kaan-Marienborn meldete seine erste Mannschaft ab, machte die zweite Mannschaft zur neuen ersten und steht nun auf einem Abstiegsrang in der Kreisliga C.

Verein setzt neuen Schwerpunkt

Doch der Verein hat im Sommer einen neuen Schwerpunkt gesetzt und mit drei Nachbarklubs einen Jugendförderverein gegründet, erzählt Jugendgeschäftsführer Tim Gleibs:
„Da gibt es vier Stammvereine. Wir haben uns zusammengetan, haben uns in Kaiserau zusammengesetzt mit dem Verband, weil das genehmigt werden muss. Dann musste er ganz offiziell gegründet werden. Dann haben die Kinder und Jugendlichen aus den Stammvereinen die Möglichkeit, im Förderverein höherklassigen Fußball zu spielen.“
Im Gegensatz zu einer Jugendspielgemeinschaft bleiben diejenigen Spieler in den Stammvereinen, die Fußball nicht leistungsorientiert betreiben wollen. Wer mehr will, muss sich entdecken lassen.
„Das machen die Trainer aus dem Jugendförderverein. Da gibt es dann ein- oder zweimal im Jahr Sichtungstrainings. Die gucken sich natürlich auch während der Saison die Kinder im Stammverein an, und wenn sie sehen, der eine passt – dann wird er eingeladen, macht ein Probetraining mit und dann hat er die Möglichkeit.“ 

Erste Erfolge beim Jugendförderverein

Erste kleine Erfolge geben allen Beteiligten Auftrieb.
„Unsere A-Jugend spielt momentan sehr gut. Da kommen auch ein paar raus, das könnte schon sein, dass die nächstes Jahr auch in der Bezirksliga und Landesliga Fuß fassen. Ob wir natürlich irgendwann mal wirklich ein Talent haben, das wir in der Bundesliga sehen? Aber die Möglichkeit besteht, wenn wir uns stetig weiterentwickeln und die B- und A- Jugend wirklich dann auch irgendwann mal Landesliga oder Regionalliga spielt. Dann hat man natürlich auch ein ganz anderes Einzugsgebiet.“ 
Und man ist mit seiner Anlage für diese Klassen überproportional gut ausgestattet. Fast schon ein Treppenwitz. Der Verein sieht sich mehr denn je als Teil der Gemeinschaft im 4000-Einwohner-Ort.„Aus Kaan für Kaan“, so sagt man hier. 

Ein Rückzug ohne Schulden

„Wir wollen auch ein starker Teil der Ortsgemeinschaft sein. Ich finde es einfach schön, wenn ich überlege, dass wir Spieler haben, die schon seit den Bambinis in Kaan spielen und jetzt immer noch in Kaan spielen. Die sich auch mit fast 40 noch in der Kreisliga C hinstellen und die Knochen hinhalten – einfach, weil sie den Verein und das Umfeld und die Menschen hier mögen. Das sind eigentlich die besten Geschichten am Ende des Tages, wenn man dann wieder Richtung Fußballromantik geht.“
Der 1. FC Kaan-Marienborn hat auch während der sportlichen Höhenflüge seine Identität nicht verloren. Hat den Rückzug bis in die elfte Liga vollzogen ohne Schulden, ohne eine Insolvenz, dafür haben die Sponsoren gesorgt.
Fast alle sind - natürlich zu anderen Konditionen - treu geblieben. Vielleicht ist das, wenn man aus der Zukunft einmal zurückschauen wird, ein ebensolcher Erfolg wie die Jahre in der Regionalliga.

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