Zum Tod von "Emmanuelle"-Regisseur Just Jaeckin

Erotik mit Kunstanspruch

07:49 Minuten
Emanuelle (Sylvia Kristel, links) und Ariane (Jeanne Colletin) aus dem Film "Emanuelle": Sie blicken nach unten, im Hintergrund sind Palmen zu sehen. Die Darstellerin der Emanuelle hält ein halbvolles Rotweinglas in der Hand.
Erotik in Asien: Emanuelle (Sylvia Kristel, l.) und Ariane (Jeanne Colletin) auf Erkundungstour. © picture alliance / United Archives / United Archives / Impress
Florian Widegger im Gespräch mit Massimo Maio · 08.09.2022
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Just Jaeckin, Regisseur des Kinoklassikers „Emmanuelle“, ist tot. Der Film erregte bei Erscheinen 1974 großes Aufsehen und gilt manchen als Wegbereiter der sexuellen Revolution. Filmkurator Florian Widegger erklärt die Bedeutung dieses Erotikfilms.
Am Anfang war ein Buch: 1959 erschien „Emmanuelle“ von Emmanuelle Arsan. Es schilderte die sexuellen Erfahrungen einer jungen Diplomatengattin in Thailand. „Schon das Buch war ein Skandal“, weiß Filmkurator Florian Widegger vom Filmarchiv Austria.
Das Buch habe zwar Zensurvorschriften unterlegen. Der Hauch des Verruchten, Verbotenen sei dennoch sehr gefragt gewesen. In Paris in den 1960ern habe die Bücher „jeder gelesen“.

Kunstanspruch und explizite Szenen

„Emmanuelle“ hat lange als nicht verfilmbar gegolten, weiß Widegger. 1974 erschien dann doch die Filmversion, Regisseur war der nun verstorbene Just Jaeckin. Bis zu dem Zeitpunkt gab es nur wenige erotische Filme in Frankreich, erklärt Kurator Widegger. Wahrscheinlich sei man in der Frage der Freizügigkeit noch nicht so weit gewesen.
„Emmanuelle“ erschien da wie „ein Bombenschlag“, beschreibt Widegger den Erfolg des Films. Regisseur Jaeckin habe eine Leerstelle füllen können, weil er einerseits einen Kunstanspruch erfüllt habe und andererseits explizite erotische Szenen zeigte. Nicht umsonst sei der Film von 1974 an mehr als ein Jahrzehnt in Pariser Kinos gelaufen.

Kritik am Frauenbild

Für ihn stehe der Film „vor allem für eine bestimmte Zeit“, sagt Florian Widegger, in der die sexuelle Revolution der ausgehenden 1960er ihre Wirkung entfaltet habe. Die Figur sucht ihre sexuelle Freiheit und nimmt sie sich, beschreibt er die Grundidee von „Emmanuelle“.
Gleichzeitig habe der Film seit Erscheinen polarisiert, kritisiert wurde etwa die Darstellung der Rolle der Frau. Tatsächlich sei der Film von einem Mann gedreht, das Drehbuch stamme von einem Mann, der Kameramann sei männlich und der Film spreche ein männliches Publikum an, sagt Widegger.
„Ich glaube aber nicht, dass es so eine Entweder-oder-Geschichte ist.“ Es sei möglich, dass beide Ansprüche erfüllt wären. Er halte den Film für „ein interessantes Zeitdokument“.

Florian Widegger leitet seit 2017 das Programm des Metro Kinokulturhauses des Filmarchivs Austria. Dort liefen unter anderem Retrospektiven zum Wilden Kino, François Truffaut oder Edgar Reitz.

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