Laurie Penny: „Sexuelle Revolution"

Eine leidenschaftliche Kämpferin

05:58 Minuten
Das Cover zeigt den Titel in großen Buchstabend auf neutralem Grund ohne weitere Gestaltungselemente
© Edition Nautilus

Laurie Penny

Aus dem Englischen von Anne Emmert

Sexuelle RevolutionEdition Nautilus, Hamburg 2022

384 Seiten

24,00 Euro

Von Susanne Billig · 09.03.2022
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Sex und Gender sind keine politischen Nebenschauplätze. Arbeitswelt, Bildung und Gesundheit, Naturzerstörung, Armut, Reichtum, Krieg und Frieden – bei all dem spielt die Ordnung der Geschlechter eine entscheidende Rolle, zeigt Laurie Penny.
„Sexuelle Revolution“ hat Laurie Penny ihr neues Buch genannt und stellt schon im Vorwort klar, dass sie in 14 Kapiteln einen weiten Horizont spannen möchte. Selbstverständlich geht es dabei auch um Sex im engeren Sinne, mit feministischem Vorzeichen: Beklemmungen im Bett, normierte Vorstellungen von dem, was da passieren sollte, Pornografie, Prostitution, rassistische Schlagseiten, Männer ohne Sexpartnerinnen, die deswegen alle Frauen hassen.

Hungern für den Kitaplatz

Ein hochinteressantes Kapitel widmet die Autorin auch dem „Arbeitskörper“ von Frauen, insbesondere der Haus- und Erziehungsarbeit, die zwischen den Geschlechtern hartnäckig ungleich verteilt bleibt.
Laurie Penny dekliniert schmerzhaft präzise durch, was das für ärmere Frauen bedeuten kann: Ein Drittel der arbeitenden Britinnen verzichtet auf Essen, um den Kindergarten bezahlen und einer Lohnarbeit nachgehen zu können.
„Wie soll eine Frau mit Studienkredit, Hypothek und kleinen Kindern es sich leisten“, fragt Laurie Penny, „einen Ehemann zu verlassen, der sie schlägt, wenn sie doch weiß, dass sie und ihre Familie damit in die Armut stürzen?“
Sie zitiert eine aktuelle Studie der Organisation „Women’s Aid“: Danach berichten mehr als zwei Drittel der Opfer häuslicher Gewalt, dass ihr Partner ihnen Geld vorenthält, um sie zu kontrollieren. „Diese sexuelle Revolution“, argumentiert die Autorin schlüssig, „ist grundsätzlich eine wirtschaftliche Revolution.“

Etwas zu einfach gedacht

Laurie Penny schreibt recherchefreudig und wuchtig. Mit ihrer kraftvollen Sprache, von Anne Emmert perfekt ins Deutsche übertragen, bewegt sie sich stilistisch auf höchstem Niveau.
Und doch: Ist es legitim, einer solchen Kämpferin, die durchaus nicht blind für eigene Schattenseiten ist, vorwerfen zu wollen, sie mache es sich streckenweise zu einfach? Laurie Pennys Buch ist durchzogen von einem Grundton der Frustration, was ihre eigenen Liebesbeziehungen zu Männern angeht, und einem optimistischen Leuchten, sobald es um queere Lebensweisen geht.

Laurie Penny ist mit ihrem neuen Buch auf Lesereise in Deutschland - Heide Soltau berichtet

08.03.2022
06:40 Minuten
Podcast: Fazit
Podcast: Fazit
Ja, zahllose Männer bedrängen Frauen sexuell, lassen sie menschlich im Stich, sind nur mit Mühe dazu zu bewegen, auch mal die Waschmaschine auszuräumen. Doch steht es in gleichgeschlechtlichen Liebesbeziehungen um so diffizile Angelegenheiten wie dauerhafte Intimität oder ungerecht verteilte Care-Arbeitslasten tatsächlich grundsätzlich besser?

Die Ursachen sind komplexer

Manches von dem, was Laurie Penny der Geschlechterordnung anlastet, hat mehr als eine Ursache, und es hat nicht nur mit den toxischen Leitbildern von Männern zu tun, wenn sich der Traum von der langjährigen, immer nahen, sexuell immer erfüllenden, menschlich immer fairen Liebesbeziehung für die meisten Menschen als massiv dysfunktional erweist.
Die Autorin nimmt das zu wenig in den Blick, weil es der Stoßrichtung ihres Buches nicht entspricht.
Doch dann packt Laurie Penny die nächste Studie, die nächste Zahlenkolonne, die nächste helle Wut auf den Tisch – mit einem Nachdruck, einer Gerechtigkeitsliebe und einer Überzeugungskraft, dass man sich der Lektüre erneut nur hingeben und applaudieren kann.

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