Jurist und Autor Bijan Moini

"Es gibt keinen Endpunkt des Rechts"

36:31 Minuten
Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte spricht auf einer Pressekonferenz. Er hält in seiner rechten Hand ein Mikrofon.
Engagierter Jurist: Bijan Moini will gegenüber unseren Rechten und dem Rechtsstaat für mehr Wertschätzung werben. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Moderation: Britta Bürger · 01.09.2021
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Wir brauchen neue Grundrechte, in denen auch Klimawandel und Digitalisierung berücksichtigt werden, meint Bijan Moini. Er ist nicht nur in der Gesellschaft für Freiheitsrechte aktiv, sondern auch Autor. Für seinen ersten Roman wurde er ausgezeichnet.
In seinem neuen Buch "Unser gutes Recht. Was hinter den Gesetzen steckt" vergleicht Bijan Moini diese mit einem schönen, großen Haus. Für den Autor und Juristen ist das gerade in diesen Tagen ein passendes Bild:
"Ein Haus bietet Schutz. Wir sollen uns darin wohlfühlen, es ist auch ein Stück weit lebensnotwendig. Ich fand den Vergleich auch deshalb gut, weil in einem Haus einfach sehr viel Arbeit steckt. Es dauert sehr lang, um es aufzubauen. So ein bisschen verhält es sich auch mit unserem Recht. Das ist über Jahrtausende gewachsen. Es hat sehr viele schöne Ecken hervorgebracht, bietet uns eben Schutz."

"Nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen"

Dem Juristen ist in seinem Buch eines besonders wichtig: Er möchte gegenüber unseren Rechten und dem Rechtsstaat für mehr Wertschätzung werben. Letzterer sehe sich aus Moinis Sicht einer Kritik ausgesetzt, die vor allem mit Blick auf die Pandemie teilweise ungerechtfertigt sei.
Zwar habe man in Coronazeiten fast jedes Grundrecht eingeschränkt, "es gibt aber auch einen großen Unterschied zwischen Einschränkungen und Verletzungen. Der entscheidende Punkt ist, dass Einschränkungen verhältnismäßig sind. Dass man also nicht mit Kanonen auf Spatzen schießt, sondern den Spatzen auf dem Dach stört und mit einer Spritzpistole vertreibt. So ähnlich verhält es sich auch mit der Pandemie", sagt der Jurist.
In Deutschland dürfe weiterhin gestritten werden, man könne demonstrieren oder auch vor Gericht ziehen. Der Rechtsstaat habe letztlich "eine gute Figur gemacht".
Für sein Buch habe er als Vermittler auftreten wollen, als Erklärer von schwer zugänglichen juristischen Texten, erläutert Moini. Auch als Jurist lese er Gesetzestexte nicht immer mit dem größten Vergnügen. Doch finde er an vielen Gefallen, "weil viel Grips drinsteckt".

Fast wie vor viertausend Jahren

Fasziniert habe ihn bei seinen Recherchen auch die Erkenntnis, wie alt manche Konzepte sind, etwa Gerechtigkeitsvorstellungen. Hier könne man bis ins zweite Jahrtausend vor Christus zurückgehen. In der babylonischen Sammlung von Rechtssprüchen, "Codex Hammurapi", so der Autor, "klingen die Vorschriften ganz ähnlich wie in unserem bürgerlichen Gesetz."
Parallelen habe es auch beim Umgang mit Diebstahl gegeben: "Der 'Codex Hammurapi' sagt, gestohlene Sachen bleiben das Eigentum des Eigentümers. Egal, wer sie irgendwann mal in welchem Glauben erworben hat. Genauso regelt es auch das deutsche Recht."
Bijan Moini, das sei ihm wichtig, wolle mit seinem Buch keine reine Lobhudelei auf das deutsche Rechtssystem anstimmen. Vieles müsse sich anpassen und verändern, etwa beim Thema Gleichberechtigung:
"Man denke etwa an die Entgeltgleichheit, die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften, das ist auch teilweise noch Work in Progress. Das zeigt auch, es gibt keinen Endpunkt des Rechts. Also auch das, was jetzt Recht ist, wird irgendwann als ungerecht empfunden werden. Nicht alles davon, aber Teile davon. Dafür offen zu sein, zeichnet ein Rechtssystem auch aus."

"Mein Bewerbungsschreiben war eine Katastrophe"

Selbst wollt der heutige Jurist und Buchautor eigentlich Diplomat werden und im Auswärtigen Amt arbeiten. "Da wurde ich nicht genommen, im Nachhinein völlig zurecht. Mein Bewerbungsschreiben war eine Katastrophe. Das habe ich neulich noch mal gelesen."
Also studierte Moini Jura und Politik, arbeitete später in einer Berliner Wirtschaftskanzlei. Trotz Festanstellung und gutem Gehalt kündigte er. "Ich habe gemerkt, dass mich das nicht befriedigt, nicht glücklich macht. Heute bin ich beruflich sehr viel glücklicher, weil ich für die Durchsetzung der Grund- und Menschenrechte streite. Und nebenbei schreibe ich Bücher."
So veröffentlichte Moini 2019 mit "Der Würfel" seinen ersten Roman. Mehrfach wurde er dafür ausgezeichnet. Seit drei Jahren gehört der Jurist hauptberuflich zum Team der "Gesellschaft für Freiheitsrechte". Überschrieben ist die Homepage des Vereins mit dem Satz "Besseres Recht durch strategische Klagen". Was das genau bedeutet?

Grund- und Menschenrechte durchsetzen

"Wir setzen Grund- und Menschenrechte mit rechtlichen Mitteln durch. Das heißt, wir ziehen vor Gericht, greifen beispielsweise Gesetze an, die wir für verfassungswidrig halten. Vor einem Jahr haben wir zum Beispiel gewonnen. Das war eine Verfassungsbeschwerde gegen die Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst."
Daneben engagiert sich Moini auch im Verein "Jeder Mensch", initiiert vom Juristen und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach. Hier, so Moini, wolle man sechs Grundrechte - "die einige der wichtigsten Themen unserer Zeit betreffen" - in die neue Grundrechtecharta der Europäischen Union bringen.
Für den Verein sind das "der Klimawandel, digitale Selbstbestimmung, der Umgang mit künstlicher Intelligenz, die Lüge- beziehungsweise die Wahrheit in der Politik, Menschenrechtsverletzungen und auch die Stärkung des Klagerechts". An diesen Themen zu arbeiten, das erwarte Bijan Moini auch von der künftigen Bundesregierung.
(ful)
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