Julio Cortázar: "Die Katzen"

Das Spiel mit der Liebe

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Straßenlaternen in Buenos Aires © imago / Lilienfeld Verlag
Von Dirk Fuhrig · 09.07.2018
Julio Cortázars heitere und meisterhaft geschriebene Erzählung "Die Katzen" aus dem Nachlass ist jetzt erstmals auf Deutsch erschienen. Mit wenigen Seiten gelingt Cortázar die Skizze eines vielschichtigen Gesellschafts- und Sittenbildes.
"Die Katzen" - das ist eine kleine Erzählung, die ein großartiges Panorama der Gefühls- und Lebenswelt von Heranwachsenden entfaltet. Junge Liebe, erste Berührungen, von kindlichen Doktorspielen bis zu den zaghaften erotischen Versuchen der Heranwachsenden. All das verwoben in eine Familiensituation voller Geheimnisse, Verwicklungen und unausgesprochener Lebenslügen. Fehltritte und Seitensprünge der Eltern stehen im Raum; könnten die beiden Kinder - offiziell Cousin und Cousine - in Wahrheit Geschwister sein?

Farbige und kraftvolle Sprache

Der Text stammt aus dem Nachlass des 1984 in Paris im Alter von 69 Jahren gestorbenen Autors und wird jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Julio Cortázar ist neben Jorge Luis Borges der bedeutendste Schriftsteller Argentiniens und Wegbereiter der Entwicklung, die ab den 60er-Jahren die Literatur Südamerikas zu Weltgeltung brachte. Gabriel García Márquez und Maria Vargas Llosa ließen sich inspirieren von Cortázars farbiger und kraftvoller Sprache, von seiner subtilen Komik und den "fantastischen" Momenten, seiner Inspirationskraft.
Undatierte Aufnahme des argentinischen Schriftstellers Julio Cortázar.
Der argentinische Schriftsteller Julio Cortázar.© dpa/ picture alliance / Sara Facio
"Rayuela" (auf deutsch "Himmel und Hölle") und "Die Gewinner" sind Cortázars bekannteste Romane. Er war jedoch auch ein Meister der kleinen Form, was sich in den "Katzen" mehr als deutlich zeigt. Die genaue Beschreibung kindlicher und adoleszenter Verhaltensweisen, Ängste und aufkeimende Begierden, Auflehnung gegen die Eltern und gegen deren Erwartungen. Daneben die verschlossene Welt der Erwachsenen, die versuchen, alles unter den Teppich der Konventionen zu kehren. Auf wenigen Seiten gelingt es Julio Cortázar, ein vielschichtiges Gesellschafts- und Sittenbild zu skizzieren: die von Wohlanständigkeit geprägte Welt der 40er-Jahre, in der der Zweite Weltkrieg von Ferne - wir sind ja in Argentinien - ganz leise dahergrollt.
Cortázar zählt zu den argentinischen Intellektuellen, die bereits aus Opposition zum Autokraten Juan Perón Anfang der 50er-Jahre - und nicht erst mit dem Beginn der Militärdiktatur 1976 - das Land verließen. Er ging ins Exil nach Frankreich, nahm später die französische Staatsbürgerschaft an - und gilt daher als argentinisch-französischer Schriftsteller.

Tiere spielen eine große Rolle

Cortázars literarischen Kosmos bevölkern Intellektuelle, Bohémiens und skurrile Außenseiter - nicht zuletzt spielen aber Tiere bei ihm eine große Rolle. Bären, Kanarienvögel und gerade Katzen treten in zahlreichen seiner Bücher auf. Hier werden die beiden Jugendlichen von der Mutter mit "zankenden Katzen" verglichen - sie streiten sich, umkreisen sich, aber das gehört alles zum adoleszenten (Liebes-) Spiel.
Die Erzählung ist nicht nur eine heitere, meisterhaft geschriebene Entdeckung. Sondern gleichzeitig ein ambitioniertes Übersetzungsprojekt. Das Buch ist zweisprachig gedruckt - und entstanden aus der Zusammenarbeit eines erfahrenen Übersetzers (Frank Henseleit) mit einer Nachwuchs-Übersetzerin (Henriette Terpe). Das Ergebnis: eine überwiegend herausragende Übertragung von Cortázars eleganter, anspielungsreicher Sprache ins Deutsche.

Julio Cortázar: "Die Katzen"
Aus dem Spanischen von Henriette Terpe und Frank Henseleit
Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2018
128 Seiten, 18 Euro

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