Jugendliche Antifaschisten

"Volkes Sieg beendet den Krieg"

Eine Büste von Sophie Scholl steht am 11.02.2012 in Forchtenberg (Baden-Württemberg) im Foyer des Rathauses. Im hohenlohischen Forchtenberg wurde Sophie Scholl geboren, hier erinnert Vieles an sie und ihren Bruder Hans die am 22.02.1943 als Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten hingerichtet wurden.
Eine Büste von Sophie Scholl in Forchtenberg in Baden-Württemberg, dem Geburtsort der Widerstandskämpferin. © picture alliance / dpa / Franziska Kraufmann
Von Anke Petermann · 19.07.2014
Der jugendliche Widerstand gegen das Hitler-Regime ist noch eine Grauzone, bekannt sind nur wenige Namen wie Sophie und Hans Scholl. In Darmstadt arbeiten Schüler und Lehrer daran, den verengten Blick zu erweitern.
"Es lebe die Freiheit" rief Hans Scholl von der Weißen Rose unmittelbar vor seiner Hinrichtung. Genau so heißt die Ausstellung, die im Foyer der Bertolt-Brecht-Schule aufgebaut ist. Untertitel: Jugendliche gegen den Nationalsozialismus. Die 18-jährige Sophie stellt sich vor das Porträt von Hanno Günther und präsentiert ihren MitschülerInnen Ausschnitte aus der Biografie des jungen Pioniers. Schon 1930 verprügeln Hitlerjungen den Neunjährigen, weil er die Uniform der kommunistischen Jugendorganisation trägt, sieben Jahre später findet er zu einer Untergrundgruppe.
"Mit dem Überfall auf Polen entschloss er sich zusammen mit Elisabeth Pungs, auch einer Kommunistin, zum Widerstand, und so veröffentlichten oder stellten sie eben Flugblätter und Klebezettel her, Klebezettel waren kleinere Reime wie zum Beispiel: Hitlers Sieg / ewiger Krieg / Volkes Sieg / beendet den Krieg."
1941 wird Günther verhaftet, ein Jahr später hingerichtet, mit 20. Die 18-Jährigen im Geschichts-Grundkurs beeindruckt seine Entschlossenheit und die Tragik nicht nur seines Lebenslaufs. Lebhaft diskutieren sie die Biografien junger Juden und Sozialdemokraten, die Aktivitäten von Swing-Jugend und Edelweißpiraten. Dabei haben sie die ganze Bandbreite im Blick: politisch motivierte Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, freche Oppositionelle und freiheitsliebende Abweichler. Leonie und Yasemin gewinnen neue Einsichten:
- "Mir war schon bewusst, dass es auch so gewisse Gruppen und auch Leute gibt, die Weiße Rose ist ja ziemlich bekannt. Aber dass es auch so viele Einzelpersonen gibt, dass man sieht, wie diese Leute gehandelt haben, in welche Gefahr sie sich begeben haben, dass sie wirklich dieses Risiko eingegangen sind. Das war mir nicht so bewusst, wie es mir jetzt geworden ist.
- Ich finde es auch wichtig, dass man über bestimmte Personen redet, damit die auch nicht in Vergessenheit geraten."
Tatsächlich wurden viele vergessen, sagt Hannelore Skroblies. Gemeinsam mit der Darmstädter Geschichtswerkstatt und dem Studienkreis Deutscher Widerstand arbeitet sie daran, das zu ändern. Der Studienkreis konzipierte die Wander-Ausstellung, um insbesondere Jugendlichen über Biografien Gleichaltriger einen persönlichen Zugang zum Deutschen Widerstand zu eröffnen. Bislang bemühte sich Skroblies vergeblich, die Schau nach Darmstadt zu holen.
"Die Stadt selbst hat Ausstellungsräume, die sind zu teuer, die konnten wir uns nicht leisten, so dass es im letzten Jahr nicht zustande kam. Und durch den Kontakt mit Bernhard Schütz hier von der Schule dachten wir, das sei eine gute Gelegenheit, die Ausstellung nach Darmstadt zu holen – als gerade an einer Schule – das finden wir ganz ausgezeichnet."
Bernhard Schütz, Lehrer im Geschichtsgrundkurs der Zwölften und selbst Mitglied im Studienkreis Deutscher Widerstand:
"Man kann jetzt daran sehr gut diskutieren oder sich vergegenwärtigen, was Widerstand ist oder wo es eine Entwicklung zum Widerstand gibt und was man eher als – und darüber werden wir noch reden – kulturelle Dissidenz oder als reine Opposition betrachtet oder – Broszat hat mal von Resistenz gesprochen, also aus welchem Milieu kommt man, warum schließt man sich dem Nationalsozialismus so nicht an, aber kommt nicht gleich zum aktiven Widerstand. Also, diese Differenzierung kann man gerade an so einer Ausstellung entwickeln."
Die Zwölftklässler sitzen auf Kunststoffwürfeln mitten in der Ausstellung − immer mit Blick auf die Porträts junger Widerständler. Joel fasziniert, wie sich die Edelweißpiraten politisierten:
"Weil die am Anfang – die wollten einfach nur ihre Zeltlager machen, aber die Nazis haben's denen ja immer dann verboten. Und umso mehr die Nazis darauf eingegangen sind, umso bewusster wurde denen, was sie damit was erreichen, dass das Widerstand ist. Die Edelweißpiraten waren in vielen Städten vertreten, das war eine große Gruppe, da haben dann auch die Nationalsozialisten auch gemerkt: die sind 'ne Gefahr. Und das muss man natürlich gerade im jugendlichen Widerstand auch in der historischen Forschung ganz stark betrachten: die Dynamik des Systems und damit die Veränderung des Widerstands."
Bernhard Schütz fährt am Schuljahresende er mit dem Geschichtsgrundkurs zwei Tage lang zur KZ-Gedenkstätte nach Dachau. "Für dieses Thema nehme ich mir die Zeit", sagt er. Seine Schüler honorieren das Engagement. "Danke, dass wir uns so ausführlich damit beschäftigen konnten", sagt Yasemin am Ende der Diskussion in der Ausstellung. Der weithin unbekannte jugendliche Widerstand − für sie nun keine Grauzone mehr.
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