Schubiger und Berner: "Eines Nachts im Paradies"

Die Erfindung des Kusses

30:12 Minuten
Buchcover des Kinderbuchs "Eines Nachts im Paradies" von Jürg Schubiger und Rotraut Susanne Berner
© Peter Hammer

Jürg Schubiger, Rotraut Susanne Berner

Eines Nachts im ParadiesPeter Hammer, Wuppertal 2022

24 Seiten

18,00 Euro

Von Kim Kindermann · 19.04.2022
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Was passierte bei der Vertreibung von Eva und Adam aus dem Paradies wirklich? War es am Ende gar ein wunderbarer Neuanfang? Dieses märchenhaft-philosophische Bilderbuch gibt eine ungewöhnliche Antwort.
Dieses Duo hat es in sich: Der 2014 verstorbene Autor Jürg Schubiger und die Illustratorin Rotraut Susanne Berner ergänzten und bereicherten sich so kongenial, dass ihre Bücher zu Recht preisgekrönt sind. Auch das jetzt neu erschienen Buch ist fantastisch. Die im Nachlass des Autors gefundene kurze Erzählung ist so vieldeutig wie klug, dass es einen staunen lässt. Und die wunderschönen Zeichnungen der Illustratorin belegen einmal mehr, wie wandelbar ihr Können ist.
In „Eines Nachts im Paradies“ erzählt Schubiger von Adam und Eva, ihrem Leben im Paradies zwischen Pflanzen und Tieren und von ihrem ersten Streit. Denn während sie nackt im weichen Gras liegen und den leuchtenden Nachthimmel mit seinen Sternen bestaunen, behauptetet Eva, sie könne die Sterne zählen. Adam widerspricht, es seien unzählige und zum Zählen bräuchte Eva eine Ewigkeit.

Mit einem Streit geht alles los

Und so führt, was bei den Sternen anfing, bald über die Frage nach der Ewigkeit, wie lang diese währt, ob es eine halbe oder eine doppelte gibt, bis hin zu Evas Geständnis, dass ihr das Paradies, das eigentlich ein zoologischer Garten sei, verleidet sei…
Es ist wunderbar, wie en passant der Schweizer hier aus einem anfangs lapidaren Kommentar, eine Frage über den Sinn des Lebens, über Erwartungen und über ein Zuviel an Angeboten macht. Endlos kann man die hier aufgeworfenen Fragen diskutieren und auf feinste schon mit kleinen Kindern ins Gespräch kommen.
Erneut beweist der Autor, wie gelungen er mit seinem Lieblingsmotiv "Anfang" umgehen kann. In einem Interview sagte er mal: "Es gibt die Anfänge, die gewissermaßen von Fanfaren markiert werden, die wie große Portale sind. Und es gibt die kleineren Anfänge. In einem Alltagsablauf scheint ganz plötzlich etwas auf, das sich erst im Nachhinein, im Rückblick als 'Anfang' herausstellt." Letzteres trifft auf diesen Anfang zu. Aus der kleinen Behauptung, die Sterne zählen zu können, wird letztendlich die Entdeckung der körperlichen Lust und Freiheit.
Denn beim Versuch Eva zu trösten, berührt Adam ihre Schulter und küsst sie. „Den hatte es bisher nie gegeben.“ Und dem ersten Kuss folgen viele weitere. „Drei, vier, fünf, sechs. Paradiesisch, flüstert sie.“

Granatäpfel in allem Bildern

Auf dem letzten Bild sitzt das Paar bei Vollmond auf dem Baum der Erkenntnis und steckt sich gegenseitig Granatapfelkerne in den Mund. Die Vertreibung aus dem Paradies scheint gar nicht mehr so schrecklich. 
Der Granatapfel zieht sich symbolisch durch die fantasievoll gestalteten Bilder von Rotraut Susanne Berner. Anfangs als roter Samen, der zum Baum wird. Seite für Seite wird er größer. Um ihn und Adam und Eva herum explodiert immer farbenfroher das Leben: von Einzellern, Quallen, Fischen, Dinosauriern, Vögeln, Raubkatzen bis hin zu Schnecken, Schafen und Hunden.
Jede Doppelseite ist so ein Fest der Farben und des Lebens. Zahlreiche Details der in starken Farben gemalten Bilder gilt es zu entdecken und zu bestaunen. Und so sind die Illustrationen eine perfekte Erweiterung der Geschichte: ein wunderbares und philosophisches Bilderbuch nicht nur für Kinder.

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