Joyce Carol Oates: "Blond"

Zwischen Popkultur und brutaler Ausbeutung

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Das Buchcover "Blond" von Joyce Carol Oates ist vor einem grafischen Hintergrund zu sehen.
Verehrte Pop-Ikone und Opfer patriarchaler Strukturen: "Blond" von Joyce Carol Oates beleuchtet das Leben von Marilyn Monroe auf mehreren Ebenen. © Deutschlandradio / Ecco Verlag
Von Sonja Hartl · 29.03.2021
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Verehrt und bewundert, aber auch ausgebeutet und unterschätzt: Das Leben von Sex-Symbol Marilyn Monroe verrät viel über patriarchale Strukturen. Darum kreist "Blond" von Joyce Carol Oates. Der Erfolgsroman von 2001 ist jetzt neu aufgelegt worden.
Marilyn Monroe ist bis heute einer der größten weiblichen Hollywoodstars, Mythos und Sex-Symbol. Sie verkörpert die verführerische Unschuld, die den amerikanischen Traum lebt, weil sie sich aus schwierigen Verhältnissen emporgearbeitet hat – und dennoch zutiefst unglücklich war und 1962 im Alter von 36 Jahren unter mysteriösen Umständen ums Leben kam.
Auf über 1000 Seiten nähert sich Joyce Carol Oates in ihrem 2001 erschienenen Roman "Blond" diesem Mythos an. Von vornherein macht sie klar, dass ihr Buch zwar nah an der realen Marilyn Monroe ist und es viele reale Entsprechungen zu Figuren und Ereignissen gibt, es aber eine literarisch verdichtete Schilderung ihres Lebens ist. Dabei arbeitet sie mit einer eindrucksvollen Spaltung der Hauptfigur: Es gibt Marilyn Monroe, ein Pin-up-Girl mit Babystimme in zu enger Kleidung. Einfältig, naiv und von allen begehrt.

Ordentlich, unschuldig, jungfräulich

Es gibt Norma Jeane Baker, das junge Mädchen, das gemocht werden will, und seinen Vater sucht. Und es gibt die "Blonde Darstellerin": Sie ist sauber, ordentlich, unschuldig und jungfräulich. Sie verkörpert das weiße Schönheitsideal und ist der Typus Frau, der Marilyn Monroe zugrunde liegt und an dem sich Norma Jeane Baker messen musste. Das führt zu Selbsthass, Scham und einem zwanghaften Leben.
Die "Blonde Darstellerin" ist eines der unerreichbaren Frauenideale einer patriarchalen Gesellschaft, das keine Frau erfüllen kann. Hierin zeigt sich deutlich eine Kontinuität dieses Romans in die Gegenwart. Eine Zweite liegt in dem Studioboss "Z", leicht zu erkennen als Verweis auf den damaligen 20th-Century-Fox-Studioboss Darryl F. Zanuck.
Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er seine jungen Darstellerinnen vergewaltigt hat, bevor er sie mit Knebelverträgen an das Studio gebunden hat. Zanuck repräsentiert das damalige Hollywoodsystem der mächtigen Produzenten. Und seit Harvey Weinstein weiß man, dass diese Zeiten in Hollywood und auch jenseits der Filmbranche nicht vorbei sind.

Erfahrungen in einer patriarchalen Welt

Dass die Wiederauflage der deutschen Ausgabe in dem neugegründeten Ecco Verlag erfolgt, der nur Bücher von Autorinnen veröffentlichen wird, erscheint folgerichtig. Es ist nach wie vor selten, dass ein über 1000 Seiten langer Roman nur von einer Frau erzählt, noch dazu von einer, die man eher mit Popkultur und Klatsch verbindet.
Marilyn Monroe hat erfahren, was es heißt, in einer patriarchalen Welt zu leben, in der der Körper einer Frau eine Ware ist, die begeistern und Geld einbringen soll. Oates wirft in diesem Roman einen weiblichen Blick auf sie und fordert Anerkennung, Mitgefühl und Respekt ein.

Joyce Carol Oates: "Blond"
Aus dem Englischen übersetzt von Uda Strätling, Sabine Hedinger und Karen Lauer
Ecco Verlag, Hamburg 2021
1024 Seiten, 26 Euro

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