Jordanien

Mehr Flüchtlinge, weniger Wasser

Amman in Jordanien
Amman, Hauptstadt von Jordanien © picture alliance / dpa / Foto: Soeren Stache
Von Philipp Eins · 22.02.2016
Das Königreich Jordanien ist vom IS-Terror in Syrien und dem Irak bisher verschont geblieben. Dennoch bleiben durch die anhaltende Gewalt in der Region Touristen weg und die hohen Flüchtlingszahlen werden zu einer zunehmenden Belastung der Wasserressourcen.
Mittagszeit in der Altstadt von Amman. Auf dem Markt hinter der al-Husseini-Moschee drängen sich Anwohner um die Verkaufsstände. Weintrauben und Passionsfrüchte, ausgetragene und neue Schuhe, Kapuzenpullover, Schrauben und Werkzeug – kaufen kann man hier fast alles. Der Andrang ist groß, doch Touristen sind zwischen den Marktständen kaum zu sehen. Der deutsch-jordanische Tourguide Isam, der in Berlin aufgewachsen ist, bekommt das zunehmend zu spüren:

"An den normalen Tagen hat man hier immer 30, 40 Prozent Europäer oder westliche Leute in Amman Downtown getroffen. Und derzeit sind es... ja... gar nicht mehr!"

Seit Beginn des IS-Terrors im Nahen Osten 2011 soll der Tourismus in Jordanien um 60 bis 80 Prozent eingebrochen sein. Während Tourguide Isam früher jeden Tag eine Gruppe durch die Stadt führte, muss er heute drei, vier Tage ohne einen Auftrag auskommen. Die Touristen bleiben fern – obwohl die Grenzen zu den Konfliktregionen in Syrien und dem Irak geschlossen sind. Das Auswärtige Amt warnt zwar vor Reisen in die Grenzregion, rät vom Urlaub in Jordanien aber nicht explizit ab.

Sinkende Touristenzahlen

"Jordanien ist die Schweiz vom Nahen Osten, aber das wissen die meisten Leute nicht. Man braucht nur auf die Landkarte gucken und denkt, das ist einfach so nahe dran! Und deswegen kommen die meisten Leute nicht mehr hierher."
Felsenstadt Petra in Jordanien
Die verlassene Felsenstadt Petra war bis vor wenigen Jahren ein beliebtes Touristenziel. © picture alliance / dpa / Foto: Sylvestre
Die antike Felsenstadt Petra, eine der größten Sehenswürdigkeiten des Nahen Ostens, leidet ebenfalls unter sinkenden Besucherzahlen: Kamen 2010 noch über 900.000 Touristen an die kolossalen Grabtempel, waren es 2015 nur knapp 400.000. Auch ans Tote Meer, das wegen der Heilkräfte des mineralhaltigen Wassers bekannt ist, traut sich kaum noch jemand. Im Januar verzeichnete er 55 Prozent weniger Buchungen als im Vorjahr, sagt Nader Amr. Der Betriebswirt hat in Saarbrücken studiert und leitet heute das Dead Sea Spa Hotel. Er kann die Sorgen seiner Gäste um die Sicherheit verstehen, hält sie aber für unbegründet:

"Jordanien war immer ein sicheres Land und wird auch sicher sein. Stellen Sie sich vor, ISIS kommt nach Jordanien: Würden die Israelis es erlauben, ISIS auf 600 Kilometer Grenze zwischen Israel und Jordanien zu haben? Das wird nie erlaubt!"

Es ist nicht nur der sinkende Tourismus, der den Jordaniern in den Jahren des IS-Terrors zu schaffen macht. Durch die steigenden Flüchtlingszahlen aus Syrien und dem Irak werden die Wasserressourcen in dem trockenen Wüstenland Jordanien zunehmend knapp. Von den rund neun Millionen Einwohnern sind derzeit allein 1,3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Hinzu kommen Hunderttausende aus dem Irak. Gerade mal 100 Kubikmeter Wasser jährlich stehen jedem Einwohner zur Verfügung, teilt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Amman mit. Das ist ein Zwanzigstel des Wasserangebots in Deutschland.

"Wir hatten schon mit Wassermangel zu kämpfen, bevor die syrischen Flüchtlinge zu uns kamen. Mit ihnen hat sich unser Defizit aber vervielfacht. Mehr als 20 Prozent der Wassernutzung geht auf sie zurück. Vor allem die lokalen Betreiber in den nördlichen Gouvernements melden massive Probleme – dort werden besonders viele Flüchtlinge aufgenommen."

Die wichtigste Wasserquelle im Land ist ein Rinsal

Saad Abu Hammour ist Generalsekretär der Jordan Valley Authority und damit verantwortlich für die wichtigste Wasserquelle im Land: dem Jordan. Durch den ohnehin schon hohen Verbrauch in der Landwirtschaft ist aus dem Fluss ein trübes Rinnsal geworden. Der Jordan führt nur noch weniger als ein Zehntel der Wassermenge von vor 50 Jahren. Eine gigantische, 180 Kilometer lange Pipeline, die das Rote Meer im Süden mit dem Toten Meer verbindet, und eine Entsalzungsanlage sollen zukünftig Abhilfe schaffen.

"Nach der ersten Bauphase wollen wir 85 Millionen Kubikmeter entsalztes Wasser pro Jahr herstellen. Unser Ziel ist es einerseits, Trinkwasser für den Süden Jordaniens zu erzeugen, insbesondere für die Stadt Aqaba, die bereits unter einem Defizit leidet. Andererseits wollen wir einen Teil des Wassers nach Israel verkaufen, in die Stadt Eilat. Das ist unser Plan."

Im Gegenzug zu dem Verkauf von Trinkwasser an den Süden Israels will die Regierung in Amman etwa 50 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr aus dem See Genezareth für die nördlichen Gouvernements aufkaufen. In vier Jahren, hofft Abu-Hamour, soll dadurch der Wassermangel behoben werden. Wann der Bau tatsächlich startet, ist aber noch immer ungewiss.

Auch Hoteldirektor Nader Amr bleibt trotz des Einbruchs seines Geschäfts zuversichtlich. Er hofft, dass in Syrien und dem Irak bald wieder mehr Ruhe einkehrt und die Touristen Vertrauen in Jordanien fassen, sagt Amr. Nach den jüngsten Luftangriffen in der nordsyrischen Stadt Aleppo klingt das eher wie ein hilfloser Wunschtraum.
Der Fluss Jordan 
Bethanien ist laut Neuem Testament die Taufstelle von Jesus. Hier ist der Jordan nur noch ein kleiner Fluss.© Deutschlandradio / Philipp Eins
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