John Agard: Mein Name ist Buch und nun erzähle ich euch meine Geschichte
Illustriert von Neil Packer, Übersetzt von Ursula C. Sturm
Knesebeck Verlag, München 2015
144 Seiten, 14,95 Euro
Wer dieses Buch entwendet, wird sterben

John Agard ist Dichter und Schriftsteller. Nach mehreren Anthologien für Kinder und Gedichtsammlungen, widmet sich der Autor der Geschichte des Buches - von den Anfängen der Schrift bis zum E-Book. Der Clou: Das Buch selbst kommt als Erzähler zu Wort.
"Wer dieses Buch entwendet, soll es mit dem Tod büßen. Im Kessel soll er sieden. Fallsucht und Fieber sollen ihn plagen. Gerädert und gehenkt soll er werden". Diese furchterregende Inschrift trägt eine Bibel aus dem 12. Jahrhundert, als Bücher noch aus Pergament bestanden und unschätzbar teuer und wertvoll waren. Nonnen und Mönche erweckten damals als Illuminatoren die Buchseiten zum Leben, indem sie die Handschriften mit echtem Gold und Silber und aus Pflanzensaft gewonnenen Farben verzierten. Doch die Geschichte des Buches, die der südamerikanische Dichter, Stückeschreiber und Kinderbuchautor John Agard erzählt, spannt den Bogen noch weit vor die Zeit des Mittelalters - von den Anfängen der Schrift bis zum E-Book.
Dabei ist der Clou, dass das Buch als Erzähler selbst zu Wort kommt: "Mein Name ist Buch. Über Jahrhunderte hinweg habe ich die Geschichten anderer Menschen erzählt. Nun ist es an der Zeit, meine eigene Geschichte zu erzählen." So entführt John Agard alias Buch seine Leserinnen und Leser in die Zeit der Tontafeln, als die Bewohner Mesopotamiens im 3. Jahrhundert vor Christus damit begannen, geschäftliche Einzelheiten, geheimes Wissen über die Sterne oder Geschichten wie das berühmte Gilgamesch-Epos mit der keilförmigen Spitze von Schilfrohren in Ton zu drücken. Nach der Keilschrift der Sumerer über die Hieroglyphen der Ägypter setzte die bahnbrechende Erfindung des Alphabets durch das Händlervolk der Phönizier neue Maßstäbe. Doch nicht nur die Schrift hat sich im Laufe von Jahrtausenden verändert, auch das Material, auf das geschrieben wurde – von gebrannten Tontafeln über Papyrusrollen und Pergament genanntes Schafsleder bis zum digitalen Buchdruck von heute. Was für ein Ritt durch die 5000-jährige Geschichte des Buchs!
Das vermenschlichte Buch kommt kalauernd daher
So versammelt dieses kleine Büchlein alle Ingredienzen für ein potentielles Lieblingsbuch: Neben der ungewöhnlichen Erzählperspektive auf eine wunderbare und lehrreiche Reise durch seine wechselhafte Geschichte auch insgesamt 60 schwarz-weiß Zeichnungen von Neil Packer, der zuvor Klassiker wie "Der Name der Rose" oder "Die Odyssee" illustriert hat. Zu den oft humorvollen Piktogrammen und Zeichnungen gesellen sich Zitate, vom chinesischen Philosophen Laotse über Lewis Carrol, Autor von "Alice im Wunderland" bis zum Microsoft-Gründer Bill Gates. Auch der spielerische Umgang mit verschiedenen Buchstabengrößen macht "Mein Name ist Buch" zu einem kleinen Kunstwerk.
Trotzdem bleibt ein Unbehagen. Die Ich-Perspektive mag für junge Leser ab acht Jahren ansprechend sein, doch für Erwachsene kommt das ganz und gar vermenschlichte Buch ein wenig kalauernd daher, wenn es etwa über die römische Erfindung des Buchrückens berichtet: "Ich kann euch gar nicht sagen, wie toll ich es fand, aufrecht stehen zu können. (...) Ihr seht: Ein schöner Rücken kann wahrlich entzücken – und der sorgt zudem für Standfestigkeit." Wer einen kurzweiligen und kindgerechten Überblick über die Geschichte des Buches sucht, wird bei John Agards fündig. Wer aber etwas mehr über die Hintergründe der bahnbrechenden Erfindungen, abenteuerlichen Entwicklungen und faszinierenden Überlebenskünste des Buches erfahren möchte, sollte noch ein paar weitere Lieblingsbücher aus dem Regal ziehen.





