Joe Ide: "Stille Feinde"

Der amerikanische Traum der Gangsterbourgeoisie

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Neu auf der Krimibestenliste August: Joe Ides "Stille Feinde" © Cover-Abbildung: Suhrkamp-Verlag, Foto:
Von Tobias Gohlis · 03.08.2018
Ein afroamerikanischer Privatdetektiv gerät zwischen die Fronten der Gangsterbourgeoisie: von der chinesischen 14K-Triade bis zu den mexikanischen Locos Surenos 13. Ein kluger Spaß. Hier passen Krimi und Humor zusammen.
IQ vereinigt in sich die guten Eigenschaften der kalifornischen Privatdetektive: soziale Kompetenz, Gerissenheit und Loyalität. Einsam ist er auch, aber nicht aus Menschenverachtung oder Enttäuschung, sondern weil er als intelligenter Durchblicker früh zum Außenseiter wurde.
Ein Afroamerikaner aus Long Beach hat normalerweise keine Chance, in Harvard zu studieren. IQ hatte sie, bis sein älterer Bruder Marcus, der ihn aufzog und förderte, bei einem Unfall getötet wurde. IQ war damals 17. Von da an schlug er sich mit seinem Kumpel Dodson als Kleinkrimineller durch und lernte, wie seine Neighbourhood tickt. Mit Intelligenz und Verhandlungsgeschick hat er sich als Privatdetektiv ohne Lizenz Ansehen erworben, inzwischen über Long Beach hinaus.

IQ im Mehrfrontenkrieg

In "Stille Feinde" verknüpft Joe Ide zwei Handlungsstränge. IQ hat herausgefunden, dass der Autounfall, dem sein Bruder vor acht Jahren zum Opfer fiel, ein gezielter Mordanschlag war. Während er den Täter aufzuspüren sucht, bittet ihn die schon immer bewunderte frühere Freundin seines Bruders um Hilfe. Deren spielsüchtige jüngere Schwester und ihr dämlicher Lover werden in Las Vegas von einem Wucherer bedroht. In ihrer Not fiel dem dämlichen Lover nichts besseres ein, als den reichen Vater seiner Braut zu erpressen. Und der ist wiederum Buchhalter der chinesischen 14K-Triaden. Die vor gar nichts zurückschrecken, wenn es um ihre Geschäfte und ihr Gesicht geht. Sie entführen sogar Dodsons schwangere Freundin.
IQ und sein Sidekick Dodson stecken im Mehrfrontenkrieg: Auch die schießwütigen Mexikaner Locos Surenos, ein aus Ruanda stammender Kriegsverbrecher und die Geldeintreiber aus Nevada müssen ruhig gestellt werden.

Kämpfe diverser Einwanderer-Tribes

Joe Ide, als Sohn japanischer Eltern in Los Angeles aufgewachsen, kennt aus eigenem Erleben die Kämpfe der diversen Einwanderer-Tribes um Anerkennung und Fortkommen. Deshalb wirkt seine Darstellung der grotesken Selbstbestätigungsrituale der diversen neuen amerikanischen Gangsterbourgeoisien niemals aufgesetzt.
Krimi und Humor – hier passen sie zusammen. Ide ist kein Schenkelklopfer, der sich über die Blödheit der Einheimischen lustig macht. Mit sardonischem Kichern legt er die Mechanismen bloß, mit denen die Einwanderer um ihren amerikanischen Traum kämpfen. Das ist großer, kluger Spaß.

Joe Ide: "Stille Feinde"
Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch
Suhrkamp-Verlag, Berlin 2018
398 Seiten, 14,95 Euro

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