Jochen Gutbrod: Die Familienzeitung für alle ist passé
Nach Ansicht von Jochen Gutbrod von der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck wirkt sich die Zeitungskrise in Deutschland nicht so stark aus wie in den USA. Um den Auflagenrückgängen zu begegnen, müsse man neue, zielgruppenorientierte Produkte auf den Markt bringen. Die klassische Zeitung werde in zehn Jahren längst nicht mehr ihr gewohntes Erscheinungsbild haben. Zum anderen setzt Gutbrod auf verstärkte Online-Aktivitäten.
Matthias Hanselmann: Wird die gedruckte Tageszeitung bald verschwinden? Weltweit ist der Zeitungsmarkt in der Krise. Er hat gewichtige Konkurrenz bekommen: das Internet, das Nachrichten schneller und aktueller anbietet. Welche Herausforderungen für die Zeitungsverlage das mit sich bringt, darüber werden wir in dieser Woche immer wieder im Radiofeuilleton sprechen.
Wie muss die Zeitung von morgen aussehen, damit sie noch gelesen wird, oder stirbt sie wirklich ganz aus? Der US-Autor Philip Meyer hat dies in seinem Buch "The Vanishing Newspaper" für das Jahr 2043 vorausgesagt.
Wie und wo informieren sich die jungen Menschen, und wer kauft heute noch welche Zeitung? Ist das Internet Bedrohung oder auch neue Möglichkeit? Diese Fragen beschäftigen uns in den nächsten Tagen. Heute sprechen wir mit Jochen Gutbrod, er ist stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Vorher informiert uns mein Kollege Klaus Remme über die Situation des Zeitungsmarktes in den USA.
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Hanselmann: Und wir sprechen mit Jochen Gutbrod von der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Guten Tag, Herr Gutbrod!
Jochen Gutbrod: Guten Tag, Herr Hanselmann!
Hanselmann: Wie eben gehört, Herr Gutbrod, 15 bis 20 Jahre wird da von der Professorin den amerikanischen Tageszeitungen nur noch gegeben. Ihr Verlag bringt mehrere davon heraus, zum Beispiel den "Berliner Tagesspiegel", den "Südkurier" oder die "Saarbrücker Zeitung". Wie lange geben Sie ihnen noch, als gedruckte Ausgabe?
Gutbrod: Wesentlich länger als in den USA. Ich glaube, man kann die Verhältnisse von dort nicht eins zu eins übertragen. Wir haben eine viel stärkere Zeitungskultur in Europa und vor allem auch in Deutschland mit deutlich höheren Haushaltsabdeckungen. Das heißt, in Deutschland wird es länger noch Zeitungen geben.
Hanselmann: Wie ist denn die Lage im Moment für Sie als deutscher Zeitungsverleger? Der Trend ist rückläufig, die Krise ist da. Wie wirkt sich das auf Ihren Verlag aus?
Gutbrod: Wir haben schon seit mehreren Jahren Auflagenrückgänge von ein bis zwei Prozent pro Jahr. Das sind durchaus Dinge, die man handhaben kann. Und wir sehen bisher noch keine Verschnellerung dieses Trends. Das heißt, wir rechnen über die nächsten Jahre, es wird Auflagenrückgänge geben, aber sie werden nicht so dramatisch sein wie in den USA.
Hanselmann: So mancher hat sich dabei schon verrechnet. Haben Sie nicht Angst, dass Sie da doch sich täuschen? Das Internet ist nach wie vor absolut auf dem Vormarsch, die Anzeigenkunden wechseln zu den großen Anbietern, wir haben es gerade gehört, und zwar zu den Internetanbietern. Ist es ja nicht so, dass jemand, der, sagen wir mal, im "Tagesspiegel" eine Anzeige geschaltet hat früher, jetzt auf die Online-Ausgabe des "Tagesspiegels" wechselt, sondern zu Google oder Yahoo oder sonst wohin?
Gutbrod: Natürlich sehen wir diese Gefahr, und wir haben ja auch seit vielen Jahren schon sehr starke Internetbemühungen.
Hanselmann: Also die Online-Auftritte Ihrer Blätter sind Ihnen wichtig. Was sollen sie bieten im Unterschied zu gedruckten Ausgaben?
Gutbrod: Wir sind seit ungefähr 13 Jahren mit all unseren Zeitungen online, und wir haben natürlich auch Fehler gemacht, wir sind am Experimentieren, das ist ein kontinuierlicher Prozess. Und es stimmt, Sie können das Gedruckte nicht eins zu eins ins Internet übernehmen, sondern Sie müssen mit der Schnelligkeit des Internets, mit den Möglichkeiten des Internets sich anpassen. Und natürlich sind auch Dinge wie Google und Search ein ganz wichtiges Element, und das müssen Sie heute in Ihre Internetauftritte mit verarbeiten. Das heißt, man muss schnell sein, man muss jünger sein, man muss die Leute auf einen Blick informieren können, aber man muss auch die Tiefe bieten, wenn dann jemand sich wirklich informieren möchte.
Hanselmann: Gibt das dann auch ein neues Berufsbild für den Zeitungsredakteur, arbeiten die Online-Redakteure grundsätzlich anders als die Print-Redakteure?
Gutbrod: Ich glaube, die Print-Redakteure haben sich gerade am Anfang sehr schwer getan, das Internet zu akzeptieren und es auch als Chance zu sehen, zum Beispiel für Reichweite. Sie können heute, wenn Sie ein guter Print-Redakteur sind, können Sie durch das Internet noch mal Ihre Reichweite deutlich erhöhen. Da sind wir mitten in einem Transformationsprozess, und ich würde sagen, ja, das Stellenbild des neuen Redakteurs, wenn Sie so wollen, wird in Zukunft beides beinhalten, Print und Online, und nicht mehr entweder oder.
Hanselmann: Noch mal zurück zu den gedruckten Zeitungen. Sie sagen, Sie werden weiterhin kämpfen, die Leser zu behalten oder neue zu gewinnen. Wie wollen Sie das anstellen?
Gutbrod: Eine Möglichkeit sind Produktinnovationen. Man hat in der Vergangenheit eine Zeitung gehabt, die im Grunde eine Zielgruppe von 14 bis 99 sozusagen abgedeckt hat, die Familienzeitung für alle. Ich glaube, da müssen wir uns verabschieden. Wir brauchen heute Produkte für junge Leser, wie wir das zum Beispiel mit "20 Cent" in der Lausitz lanciert haben oder in Saarbrücken. Sie brauchen vielleicht Wochenprodukte, Produkte für Zielgruppen. Das heißt, die eine Zeitung wird nicht mehr reichen, sondern Sie werden ein Sammelsurium von Produkten je nach Zielgruppe aufsetzen müssen.
Hanselmann: Wie genau ermitteln Sie diese Zielgruppen? Wie ermitteln Sie, wer Ihre gedruckten Zeitungen liest und wer sich eher online informiert?
Gutbrod: Man hat früher immer gesagt, der Zeitungsverleger kennt eigentlich seine Kunden. Das ist natürlich nicht der Fall. Wir wissen die Adresse und wir wissen, dass einmal im Jahr gezahlt wird, aber wir wissen eigentlich sehr, sehr wenig über die wahren Bedürfnisse der Kunden. Und da haben wir in den letzten Jahren versucht dazuzulernen mit Umfragen, mit einer genauen Blattanalyse, was gelesen wird. Und natürlich im Internet ist das ein bisschen einfacher, weil sie dort einfach sofort sehen, wer wann wo kommt. Und aus beiden müssen Sie einfach schauen, dass Sie Ihre Produkte neu gestalten, dass Sie innovativ sind. Man darf auf keinen Fall glauben, dass Zeitungen noch in zehn Jahren so aussehen werden wie heute, sondern das ist ein kontinuierlicher Erneuerungsprozess.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das Radiofeuilleton, wir sprechen mit Jochen Gutbrod von der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Herr Gutbrod, ich habe es eben schon erwähnt und es wurde am Wochenende erneut gemeldet, dass das Anzeigenaufkommen vieler Zeitungen und Zeitschriften derzeit rückgängig ist, teils sogar dramatisch. Wie geht es Ihrem Hause damit?
Gutbrod: Unserem Hause geht es gut. Wir hatten 2007 das beste Ergebnis in der Geschichte unserer Zeitungen. Das heißt, es ist nicht ganz so dramatisch in Deutschland, wie Sie das gerade geschildert haben. Ich glaube, Regionalzeitungen haben nach wie vor eine sehr, sehr wichtige Funktion, und es gibt im Grunde auch im Internet kaum Ersatz für die regionalen Anbieter, die ihre Kunden erreichen wollen. Das heißt, dort haben wir bisher überhaupt keine Abwanderung von Werbekunden gesehen. Was natürlich stimmt, ist, dass in den Rubrikenmärkten, sei es Immobilien, sei es Auto, ein deutlicher Rückgang war. Dort ist das Internet einfach den Print-Angeboten überlegen. Aber selbst im Stellenmarkt, der ja auch sehr stark ins Internet abgewandert ist, haben wir im letzten Jahr sehr gute Resultate erzielt. Wenn Jobs gesucht werden, dann schalten die Jobsuchenden eben auf allen Kanälen, im Internet, aber nach wie vor auch in den Print-Objekten.
Hanselmann: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wird eine Zeitung wie der "Tagesspiegel" oder die "Saarbrücker" mit der Zeit zu einer Art Multimedia-Event an einer Marke, bei der die gedruckte Ausgabe nur noch ein kleiner Teil des Ganzen ist, oder?
Gutbrod: Wir sprechen von Medienhäusern. Das ist etwas, was wir schon seit Jahren versuchen nach vorne zu bringen, das ist, wie Sie sagen, eine starke Marke, die über verschiedene Kanäle versucht, präsent zu sein in lokalen Diensten. Wir sind aber auch in die Postzustellung gegangen, wir sind im Internet, wir haben auch bei Holtzbrinck weitere Dienstleister im Internet entweder gekauft oder gegründet, wie Parship, wie MyHammer. Und wir versuchen auch, die junge Generation nicht völlig aus den Augen zu verlieren. Ich glaube, das ist auch wichtig, dass man sich immer bewusst ist, dass wenn Sie die Jugend heute nicht in Ihre Produkte ranführen, dass das später sehr viel schwerer sein wird.
Hanselmann: Deswegen u.a. haben Sie auch studiVZ gekauft oder zoomer.de ins Netz gestellt, ein News-Magazin mit einer Videoecke von Ulrich Wickert und mehr. Wie ist denn zurzeit das Verhältnis zwischen Online-Produkten und konventionellen, also gedruckten Produkten?
Gutbrod: Nach wie vor erzielen wir den größten Umsatzanteil mit gedruckten Produkten. Internet hat heute für die Holtzbrinck-Gruppe insgesamt einen Umsatzanteil von zirka 12 Prozent.
Hanselmann: In welche Richtung werden Sie gehen in Zukunft in Bezug auf Ihre Internetaktivitäten, was werden die Schwerpunkte sein?
Gutbrod: Wir werden im Internet stark investieren, schon wie die letzten fünf Jahre. Wir gehen davon aus, dass ungefähr 50 Prozent unserer Investitionen in traditionelle Medien gehen und 50 Prozent ins Internet.
Hanselmann: Vielen Dank, Jochen Gutbrod, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Einen schönen Tag noch!
Gutbrod: Danke schön!
Hanselmann: Online gehen oder untergehen - Herausforderung Internet, wie sich der Zeitungsmarkt durch die zunehmende Online-Nutzung der Leser verändert. Mehr zum Thema in den folgenden Tagen jeweils hier im Radiofeuilleton.
Wie muss die Zeitung von morgen aussehen, damit sie noch gelesen wird, oder stirbt sie wirklich ganz aus? Der US-Autor Philip Meyer hat dies in seinem Buch "The Vanishing Newspaper" für das Jahr 2043 vorausgesagt.
Wie und wo informieren sich die jungen Menschen, und wer kauft heute noch welche Zeitung? Ist das Internet Bedrohung oder auch neue Möglichkeit? Diese Fragen beschäftigen uns in den nächsten Tagen. Heute sprechen wir mit Jochen Gutbrod, er ist stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Vorher informiert uns mein Kollege Klaus Remme über die Situation des Zeitungsmarktes in den USA.
(folgt Beitrag)
Hanselmann: Und wir sprechen mit Jochen Gutbrod von der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Guten Tag, Herr Gutbrod!
Jochen Gutbrod: Guten Tag, Herr Hanselmann!
Hanselmann: Wie eben gehört, Herr Gutbrod, 15 bis 20 Jahre wird da von der Professorin den amerikanischen Tageszeitungen nur noch gegeben. Ihr Verlag bringt mehrere davon heraus, zum Beispiel den "Berliner Tagesspiegel", den "Südkurier" oder die "Saarbrücker Zeitung". Wie lange geben Sie ihnen noch, als gedruckte Ausgabe?
Gutbrod: Wesentlich länger als in den USA. Ich glaube, man kann die Verhältnisse von dort nicht eins zu eins übertragen. Wir haben eine viel stärkere Zeitungskultur in Europa und vor allem auch in Deutschland mit deutlich höheren Haushaltsabdeckungen. Das heißt, in Deutschland wird es länger noch Zeitungen geben.
Hanselmann: Wie ist denn die Lage im Moment für Sie als deutscher Zeitungsverleger? Der Trend ist rückläufig, die Krise ist da. Wie wirkt sich das auf Ihren Verlag aus?
Gutbrod: Wir haben schon seit mehreren Jahren Auflagenrückgänge von ein bis zwei Prozent pro Jahr. Das sind durchaus Dinge, die man handhaben kann. Und wir sehen bisher noch keine Verschnellerung dieses Trends. Das heißt, wir rechnen über die nächsten Jahre, es wird Auflagenrückgänge geben, aber sie werden nicht so dramatisch sein wie in den USA.
Hanselmann: So mancher hat sich dabei schon verrechnet. Haben Sie nicht Angst, dass Sie da doch sich täuschen? Das Internet ist nach wie vor absolut auf dem Vormarsch, die Anzeigenkunden wechseln zu den großen Anbietern, wir haben es gerade gehört, und zwar zu den Internetanbietern. Ist es ja nicht so, dass jemand, der, sagen wir mal, im "Tagesspiegel" eine Anzeige geschaltet hat früher, jetzt auf die Online-Ausgabe des "Tagesspiegels" wechselt, sondern zu Google oder Yahoo oder sonst wohin?
Gutbrod: Natürlich sehen wir diese Gefahr, und wir haben ja auch seit vielen Jahren schon sehr starke Internetbemühungen.
Hanselmann: Also die Online-Auftritte Ihrer Blätter sind Ihnen wichtig. Was sollen sie bieten im Unterschied zu gedruckten Ausgaben?
Gutbrod: Wir sind seit ungefähr 13 Jahren mit all unseren Zeitungen online, und wir haben natürlich auch Fehler gemacht, wir sind am Experimentieren, das ist ein kontinuierlicher Prozess. Und es stimmt, Sie können das Gedruckte nicht eins zu eins ins Internet übernehmen, sondern Sie müssen mit der Schnelligkeit des Internets, mit den Möglichkeiten des Internets sich anpassen. Und natürlich sind auch Dinge wie Google und Search ein ganz wichtiges Element, und das müssen Sie heute in Ihre Internetauftritte mit verarbeiten. Das heißt, man muss schnell sein, man muss jünger sein, man muss die Leute auf einen Blick informieren können, aber man muss auch die Tiefe bieten, wenn dann jemand sich wirklich informieren möchte.
Hanselmann: Gibt das dann auch ein neues Berufsbild für den Zeitungsredakteur, arbeiten die Online-Redakteure grundsätzlich anders als die Print-Redakteure?
Gutbrod: Ich glaube, die Print-Redakteure haben sich gerade am Anfang sehr schwer getan, das Internet zu akzeptieren und es auch als Chance zu sehen, zum Beispiel für Reichweite. Sie können heute, wenn Sie ein guter Print-Redakteur sind, können Sie durch das Internet noch mal Ihre Reichweite deutlich erhöhen. Da sind wir mitten in einem Transformationsprozess, und ich würde sagen, ja, das Stellenbild des neuen Redakteurs, wenn Sie so wollen, wird in Zukunft beides beinhalten, Print und Online, und nicht mehr entweder oder.
Hanselmann: Noch mal zurück zu den gedruckten Zeitungen. Sie sagen, Sie werden weiterhin kämpfen, die Leser zu behalten oder neue zu gewinnen. Wie wollen Sie das anstellen?
Gutbrod: Eine Möglichkeit sind Produktinnovationen. Man hat in der Vergangenheit eine Zeitung gehabt, die im Grunde eine Zielgruppe von 14 bis 99 sozusagen abgedeckt hat, die Familienzeitung für alle. Ich glaube, da müssen wir uns verabschieden. Wir brauchen heute Produkte für junge Leser, wie wir das zum Beispiel mit "20 Cent" in der Lausitz lanciert haben oder in Saarbrücken. Sie brauchen vielleicht Wochenprodukte, Produkte für Zielgruppen. Das heißt, die eine Zeitung wird nicht mehr reichen, sondern Sie werden ein Sammelsurium von Produkten je nach Zielgruppe aufsetzen müssen.
Hanselmann: Wie genau ermitteln Sie diese Zielgruppen? Wie ermitteln Sie, wer Ihre gedruckten Zeitungen liest und wer sich eher online informiert?
Gutbrod: Man hat früher immer gesagt, der Zeitungsverleger kennt eigentlich seine Kunden. Das ist natürlich nicht der Fall. Wir wissen die Adresse und wir wissen, dass einmal im Jahr gezahlt wird, aber wir wissen eigentlich sehr, sehr wenig über die wahren Bedürfnisse der Kunden. Und da haben wir in den letzten Jahren versucht dazuzulernen mit Umfragen, mit einer genauen Blattanalyse, was gelesen wird. Und natürlich im Internet ist das ein bisschen einfacher, weil sie dort einfach sofort sehen, wer wann wo kommt. Und aus beiden müssen Sie einfach schauen, dass Sie Ihre Produkte neu gestalten, dass Sie innovativ sind. Man darf auf keinen Fall glauben, dass Zeitungen noch in zehn Jahren so aussehen werden wie heute, sondern das ist ein kontinuierlicher Erneuerungsprozess.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das Radiofeuilleton, wir sprechen mit Jochen Gutbrod von der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Herr Gutbrod, ich habe es eben schon erwähnt und es wurde am Wochenende erneut gemeldet, dass das Anzeigenaufkommen vieler Zeitungen und Zeitschriften derzeit rückgängig ist, teils sogar dramatisch. Wie geht es Ihrem Hause damit?
Gutbrod: Unserem Hause geht es gut. Wir hatten 2007 das beste Ergebnis in der Geschichte unserer Zeitungen. Das heißt, es ist nicht ganz so dramatisch in Deutschland, wie Sie das gerade geschildert haben. Ich glaube, Regionalzeitungen haben nach wie vor eine sehr, sehr wichtige Funktion, und es gibt im Grunde auch im Internet kaum Ersatz für die regionalen Anbieter, die ihre Kunden erreichen wollen. Das heißt, dort haben wir bisher überhaupt keine Abwanderung von Werbekunden gesehen. Was natürlich stimmt, ist, dass in den Rubrikenmärkten, sei es Immobilien, sei es Auto, ein deutlicher Rückgang war. Dort ist das Internet einfach den Print-Angeboten überlegen. Aber selbst im Stellenmarkt, der ja auch sehr stark ins Internet abgewandert ist, haben wir im letzten Jahr sehr gute Resultate erzielt. Wenn Jobs gesucht werden, dann schalten die Jobsuchenden eben auf allen Kanälen, im Internet, aber nach wie vor auch in den Print-Objekten.
Hanselmann: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wird eine Zeitung wie der "Tagesspiegel" oder die "Saarbrücker" mit der Zeit zu einer Art Multimedia-Event an einer Marke, bei der die gedruckte Ausgabe nur noch ein kleiner Teil des Ganzen ist, oder?
Gutbrod: Wir sprechen von Medienhäusern. Das ist etwas, was wir schon seit Jahren versuchen nach vorne zu bringen, das ist, wie Sie sagen, eine starke Marke, die über verschiedene Kanäle versucht, präsent zu sein in lokalen Diensten. Wir sind aber auch in die Postzustellung gegangen, wir sind im Internet, wir haben auch bei Holtzbrinck weitere Dienstleister im Internet entweder gekauft oder gegründet, wie Parship, wie MyHammer. Und wir versuchen auch, die junge Generation nicht völlig aus den Augen zu verlieren. Ich glaube, das ist auch wichtig, dass man sich immer bewusst ist, dass wenn Sie die Jugend heute nicht in Ihre Produkte ranführen, dass das später sehr viel schwerer sein wird.
Hanselmann: Deswegen u.a. haben Sie auch studiVZ gekauft oder zoomer.de ins Netz gestellt, ein News-Magazin mit einer Videoecke von Ulrich Wickert und mehr. Wie ist denn zurzeit das Verhältnis zwischen Online-Produkten und konventionellen, also gedruckten Produkten?
Gutbrod: Nach wie vor erzielen wir den größten Umsatzanteil mit gedruckten Produkten. Internet hat heute für die Holtzbrinck-Gruppe insgesamt einen Umsatzanteil von zirka 12 Prozent.
Hanselmann: In welche Richtung werden Sie gehen in Zukunft in Bezug auf Ihre Internetaktivitäten, was werden die Schwerpunkte sein?
Gutbrod: Wir werden im Internet stark investieren, schon wie die letzten fünf Jahre. Wir gehen davon aus, dass ungefähr 50 Prozent unserer Investitionen in traditionelle Medien gehen und 50 Prozent ins Internet.
Hanselmann: Vielen Dank, Jochen Gutbrod, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Einen schönen Tag noch!
Gutbrod: Danke schön!
Hanselmann: Online gehen oder untergehen - Herausforderung Internet, wie sich der Zeitungsmarkt durch die zunehmende Online-Nutzung der Leser verändert. Mehr zum Thema in den folgenden Tagen jeweils hier im Radiofeuilleton.