Joanne K. Rowling: "Jacks wundersame Reise mit dem Weihnachtsschwein"

Geliebtes Kuscheltier verzweifelt gesucht

06:11 Minuten
Das illustrierte Cover des Buches "Jacks wundersame Reise mit dem Weihnachtsschwein" von J.K Rowling.
© Deutschlandradio / Carlsen

Joanne K. Rowling

Übersetzt von Friedrich Pflüger

Jacks wundersame Reise mit dem WeihnachtsschweinCarlsen, Hamburg 2021

331 Seiten

20,00 Euro

Von Elena Gorgis · 18.12.2021
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Obwohl sie ihr Harry-Potter-Universum inzwischen erweitert hat, gibt es in Joanne K. Rowlings neuem Kinderbuch keine Umhänge und Zauberstäbe. Magisch geht es trotzdem zu: im Land der Verlorenen.
Eine Weihnachtsgeschichte sollte es diesmal sein, hatte J.K. Rowling zur Veröffentlichung von „Jacks wundersame Reise mit dem Weihnachtsschwein“ erklärt. Aber das namensgebende Weihnachtsschwein ist eigentlich nur ein billiger Ersatz für Jacks heiß geliebtes Kuschelschwein, das er, seit er denken kann, überall mit hinnimmt.
Ganz grau ist es inzwischen, ausgebleicht und mit einem steifen Ohr vom vielen Nuckeln. Ohne dieses Schwein kann Jack, der inzwischen schon zur Schule geht, nicht einschlafen. Es kommt, was kommen muss: Ausgerechnet an Heiligabend wirft seine Stiefschwester das geliebte Schwein im Streit aus dem Autofenster – mitten auf der Autobahn.

Das Schwein ist verloren

Das Schwein ist verloren, unwiederbringlich. Da nützt auch der hastig gekaufte Ersatz nichts. Jack ist untröstlich. Doch es wäre keine Weihnachtsgeschichte, wenn es nicht doch irgendwie Hoffnung gäbe: Ganz in der Tradition von Alice im Wunderland oder dem Nussknacker lässt J.K. Rowling Jack gemeinsam mit seinem niegelnagelneuen Schwein ins Land der Verlorenen reisen - wohlgemerkt: nur an Heiligabend geht das! – wo all die verlorenen Dinge aus dem Land der Lebenden darauf warten, wiedergefunden zu werden.
Dieses Buch ist kein Page-Turner im Sinne ihrer Potter-Reihe oder ihrer Krimi-Bände rund um den Detektiv Cormoran Strike. Sondern ein Märchen voller Komik und Magie, wenn auch ein bisschen vorhersehbar.

In der Stadt der Vermissten

Die Dinge wohnen hier in verschiedenen Städten, streng hierarchisch aufgeteilt, je nachdem, wie sehr sie vermisst werden: in der „Stadt der Vermissten“, in „Leider-weg“, in „Ausgedient“, oder noch schlimmer: in der „Ödnis der Unbeweinten“. Aber diese Stationen auf Jacks Reise ergeben ganz natürliche Etappen beim Einschlaf-Vorlesen über mehrere Tage.
Rowling lebt in dieser Geschichte ihren Sinn fürs Absurde und ihre Stärke, mit wenigen Worten Figuren lebendig werden zu lassen, voll aus: wie etwa bei der leicht depressiven, zerbeulten Brotzeitdose, die ihr Dasein in „Ausgedient“ fristet, die dann aber plötzlich ein Upgrade nach „Leider weg“ erhält, weil sich in ihr der Inhalator ihrer kleinen Besitzerin befindet und deren Mutter deshalb plötzlich doch fieberhaft nach der Brotdose sucht.

Wiederfinden statt wegwerfen

Ebenso bei Käsereibe, Adressbuch, Gedicht, Uhr, Brille und Schere, aber auch Glück, Ehrgeiz und Hoffnung, die alle im Land der Verlorenen gelandet sind - Drehbuchautorin Rowling lässt grüßen. Der Animationsfilm, den wir wahrscheinlich in einigen Jahren kurz vor Weihnachten präsentiert bekommen, entsteht vor dem inneren Auge gleich mit.
Jacks wundersame Reise mit dem Weihnachtsschwein ist eine Liebeserklärung an die kindliche Vorstellung, dass Dinge, die wir lieben, lebendig sind. Ausmisten und Wegwerfen à la Marie Kondō war in den letzten Jahren sehr in Mode. Nach dem Lesen dieser Geschichte wird man nie wieder ein Kuscheltier ohne schlechtes Gewissen wegwerfen können.
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