Jenny von Sperber: „Fritz, der Gorilla. Biografie eines faszinierenden Menschenaffen“

Vom Schicksal eines Menschenaffen

06:19 Minuten
Auf dem Cover sind Autorinname und Buchtitel sowie die Schwarzweiß-Fotografie eines Gorillas zu sehen.
© Hirzel Verlag

Jenny von Sperber

Fritz, der Gorilla. Biografie eines faszinierenden MenschenaffenHirzel, Stuttgart 2022

228 Seiten

20,00 Euro

Von Michael Lange |
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Fritz war beeindruckend: Mit kleinen Gesten und Blicken lenkte er eine kleine Gorillagruppe, die mit ihm im Tiergarten Nürnberg lebte. Wie sehr Jenny von Sperber von dem Silberrücken eingenommen war, erzählt sie in seiner spannenden Lebensgeschichte.
Jenny von Sperber sammelte Informationen, sprach mit Tierpflegern und Besuchern, und so entstand eine umfassende Biografie wie von einer berühmten Persönlichkeit. Fritz' Leben steht daher folgerichtig im Mittelpunkt der Geschichte, aber es geht auch um Fragen der Tierhaltung im Zoo, und um unser Verhältnis zu unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen.
Das Konzept der Wissenschaftsjournalistin geht auf. Obwohl sie die Intention und die Neugier der Zoobetreiber, Pfleger und Besucher gut verstehen kann, stellt sie die Haltung von Menschenaffen unter gefängnisähnlichen Bedingungen doch infrage.
Jenny von Sperber fand heraus: Fritz kam als junger Wildfang aus Kamerun. Dort lebten in den 1960er-Jahren zahlreiche westliche Flachlandgorillas in freier Wildbahn.

Scheußliche Geschöpfe

Viele Zoos waren an den Gorillas interessiert. Die wuchtigen Primaten begeisterten das Publikum durch ihre „fratzenhafte“ Menschenähnlichkeit. Als 1867 die ersten Gorillas in Europa ausgestellt wurden, sprach der Brockhaus von den „scheußlichsten Geschöpfen, die man sich vorstellen kann.“

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Meist wurden die Jungtiere in Schlingen gefangen, oder die Mütter wurden brutal getötet. Manchmal kamen bei solchen Jagden ganze Gorillafamilien ums Leben. Nur wenige Jungtiere gelangten lebend nach Europa. Fritz überlebte als mutterloses dreijähriges „Kleinkind“ und landete nach Zwischenstationen im Tiergarten Nürnberg.
Wie wenig man damals über Gorillas wusste, zeigt die Tatsache, dass man dort wie anderswo Gorillas mit Fleischhäppchen fütterte, obwohl sich die Riesen von Natur aus vegetarisch ernähren. Allenfalls ein paar Insekten stehen auf ihrem Speiseplan.

Lebenslänglich in Gefangenschaft

Seite für Seite lernen wir den Gorilla Fritz besser kennen; begleiten ihn durch seine schwere Jugend wie auch als erwachsenes Tier bei Zuchtreisen quer durch Europa, wo der gestresste Fritz die ihm zugeführten Weibchen attackierte und biss. Während er in Nürnberg mehrfach Nachwuchs gezeugt hatte, blieb der Zuchterfolg bei diesen Reisen aus.
Zurück in Nürnberg bei seiner Lieblingsfrau Delphi und in der Gemeinschaft der kleinen Gorillagruppe entwickelte sich Fritz zu dem souveränen Silberrücken, den Jenny von Sperber bei der ersten Begegnung kennengelernt hatte. Im Alter strahlte Fritz eine große Gelassenheit aus. Und als er mit 55 Jahren starb, war die Trauer groß, bei Gorillas und Menschen.

Geliebt und missverstanden

Wie eine jede gute Biografie informiert das Buch „Fritz, der Gorilla“ nicht nur über das Leben eines einzelnen. Es vertieft das Thema Zootierhaltung und zeigt eindrücklich, wie Menschen unsere tierischen Verwandten missverstanden haben und heute noch missverstehen.
Wir haben ihnen viel Leid zugefügt, oft aus Unwissenheit, manchmal sogar aus Zuneigung. Die Ähnlichkeit zu uns Menschen wurde den Gorillas zum Verhängnis.
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