Volker Sommer: "Unter Mitprimaten – Ansichten eines Affenforschers"

Mehr Rechte für unsere nahen Verwandten

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Das Cover des abgebildeten Buches zeigt das Portrait eines Affen und das eines Menschen. (Illustration)
Der Autor Volker Sommer ist ein Zoogegner und fordert in seinem Buch „Unter Mitprimaten“ mehr Anteilnahme für das Schicksal der Menschenaffen. © Deutschlandradio / Hirzel
Von Michael Lange  · 21.07.2021
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Biologisch betrachtet, gehören wir Menschen gemeinsam mit Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans zu den Menschenaffen. Wir sollten sie deshalb nicht einsperren oder für Experimente missbrauchen, findet der Primatologe Volker Sommer.
Lange Zeit betrachteten wir Europäer viele Menschen anderer Kulturen als "primitive Wilde", die es zu zivilisieren galt. Später romantisierten wir die Fremden als "edle Wilde" und blickten doch weiterhin auf sie herab.
Dabei spielte die Wissenschaft der Anthropologie eine Schlüsselrolle. Anschaulich und mit starken Worten beschreibt der Primatologe Volker Sommer die Entwicklung dieser Fachrichtung. Sie beschäftigt sich ebenso mit Menschen wie mit dessen nächsten Verwandten, den Menschenaffen.

Während Nationalismus und Rassismus in der Wissenschaft heute weitgehend verpönt seien, hätten wir die Sichtweise der Kolonialisten auf verwandte Primaten übertragen, schreibt Sommer. Wir idealisierten Schimpansen oder Gorillas als reine Naturwesen, die unserem Schutz anvertraut seien.
Dass auch sie stehlen, betrügen oder Gewalt ausüben, wollen wir nicht wahrhaben. Wir sind nicht bereit, unsere "Mitprimaten" als eigenständige Personen zu akzeptieren. In fünf Essays fordert Sommer mehr Respekt für unsere nächsten Verwandten, und dazu gehörten eigene Rechte. Mitprimaten dürften nicht länger wie Sachen betrachtet werden.

Unschuldig eingesperrt im Zoo

Alle Menschenaffen haben ein Recht auf den Erhalt ihrer Lebensräume. Sie seien eigenständige Persönlichkeiten und sollten nicht "unschuldig" zur Unterhaltung anderer Primaten (von uns Menschen) in Zoos eingesperrt werden, schreibt Sommer. Allerdings vertrat er nicht immer diese Ansicht. Als naturbegeisterter Junge wollte er gerne Zoodirektor werden. Heute ist Sommer ein engagierter Primatenschützer und Tierparkgegner. Er bezeichnet Zootiere als Gefangene, die lebenslang hinter Gittern sitzen, ohne dass sie etwas verbrochen haben.

Menschlich sein als Tier

Ausgiebig setzt sich Sommer mit Gegenargumenten und Schwachpunkten seiner Argumentation auseinander. Er räumt ein, dass die besonderen Rechte für Primaten nur ein Zwischenschritt sein können. Letztlich ist die kulturell entstandene Grenzlinie zwischen Menschen und Tieren, wie sie viele Religionen vertreten, in seinen Augen nicht haltbar. Denn in der Biologie gehörten Menschen und Tiere zusammen.
Sommers fünf Essays präsentieren eine neue Sicht des Menschen auf sich selbst. Die konsequent biologische Sichtweise widerspricht vielem, was wir von unseren Eltern oder in der Schule gelernt haben. Seine Gedanken rütteln an den Fundamenten unserer Kultur, ganz gleich ob wir religiös oder humanistisch geprägt sind. So wird er kaum alle Leser überzeugen können. Aber es lohnt sich, über das Geschriebene nachzudenken.

Volker Sommer: "Unter Mitprimaten – Ansichten eines Affenforschers"
Hirzel-Verlag, Stuttgart 2021
208 Seiten, 24 Euro

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