Jennifer Warnes

"Ich möchte mich mit meiner Musik berühren"

Sängerin Jennifer Warnes gemeinsam mit Joe Cocker 2013 in Berlin.
Sängerin Jennifer Warnes gemeinsam mit Joe Cocker 2013 in Berlin. © Maurizio Gambarini / dpa
Von Eric Leimann · 29.05.2018
Seit 17 Jahren hat Jennifer Warnes kein Album mehr veröffentlicht. Nun ist sie mit "Another Time, Another Place" ins Pop-Business zurückgekehrt: ein intimes Album, mit dem die Sängerin sich und andere über schwere Zeiten hinwegtrösten möchte.
"Ich bin 71 Jahre alt. Leonard Cohen war mein Freund, seit ich 20 war. Jetzt ist er gestorben. Auf meinem Album geht es um Freundschaft, tiefes Verständnis - und das Verstehen des Lebens. Es handelt von meiner Familie und meiner Spiritualität. Die hat sich verändert und mit ihr meine Sichtweise auf das Leben. Ein einfacher Popsong befriedigt mich nicht. Ich möchte mich mit meiner Musik berühren. Und wenn sie mich berührt, dann hoffe ich, dass auch andere davon berührt werden."

Wovon erzählt eine 71-jährige Ausnahmesängerin, der in den letzten Jahren die Mutter, zwei Schwestern, ihr Manager und der engste Freund, Leonard Cohen, wegstarben? Jennifer Warnes hat die Serie an Tragödien erst einmal verstummen lassen. Jetzt kommt eine Antwort auf das Leid - in Form eines nachdenklichen, sehr gefühlvollen Songwriter-Albums. Das soll trösten und "upliften", wie Warnes sagt. Ein Begriff, der sich mit "aufheitern" ja nur unzureichend übersetzen lässt.

Ein Album über fortgeschrittenes Leben

Jennifer Warnes, die selbst kaum schreibt, bediente sich für ihre neuen Lieder bei bekannten Songwritern wie Eddie Vedder, Mark Knopfler oder John Legend, aber auch bei den Granden des Countryblues, denn sie hegt ein starkes Faible für Musik aus Texas. "Another Time, Another Place" ist ein Album über fortgeschrittenes Leben, sein Leid, seine Freuden, seine Erkenntnisse.
Jennifer Warnes kam 1947 in Seattle zur Welt, wuchs aber südlich von Los Angeles auf. Die Katholikin sang in der Kirche, erhielt ein Stipendium fürs klassische Gesangsstudium, entschied sich aber für Folk und Pop.

Sechs Alben mit Leonard Cohen aufgenommen

Bereits 1967 spielte sie die Sängerin in einer TV-Serie. Eigene Album-Veröffentlichungen in den 70ern hatten nur mäßigen Erfolg, dafür wurde Warnes' ausdrucksstarke, glockenhelle Stimme ein beliebtes Medium für die Songs anderer Leute.
Mit Leonard Cohen nahm sie sechs gemeinsame Alben auf. Cohens Werke waren es auch, die Jennifer Warnes als Album-Künstlerin in den Fokus rückten: "Famous Blue Raincoat" - eine Sammlung von Cohen-Stücken, gesungen von Warnes, war eines der großen Hit-Alben des Jahres 1987. Mit demselben Produzenten von damals, dem Bassisten Roscoe Beck, hat sie auch ihr neues Werk aufgenommen.

"Wir fingen an, in seiner Küche zu spielen"

"Ich wollte kein schweres, beladenes Tribute-to-Death-Album aufnehmen. So etwas würde ich nicht kaufen wollen. Es schien mir ausreichend, nach Texas zu fahren, mit Roscoe Musik zu machen und zu schauen, was passiert. Ich zog zu ihm in sein Haus und wir fingen an, in seiner Küche zu spielen. Der erste Song, den wir aufnahmen, war Tomorrow Night. Einfach nur Bass und Stimme."

Musikalisch ist "Another Time, Another Place" alte Americana-Musik der Spitzenklasse - ohne jegliche Anklänge an den Sound der Gegenwart. Viele Songs sind blues- und countrygetränkt, eingespielt von Studiomusikern mit großen Namen.

"Die Stimme ist ein Instrument der Seele"

Die Auswahl der Lieder nahm Jennifer Warnes mit Mary Martin vor, der Frau, die schon Bob Dylan mit The Band zusammenbrachte. Einnehmend sind diese altmodischen Klänge trotzdem – durch ihr starkes Songmaterial und die anrührende Stimme Jennifer Warnes. Die ist mit ihrem Alter und der eigenen Stimme durchaus im Reinen.
"Die Stimme ist ein Instrument der Seele. Wenn die Seele wach ist, kann ein junger Sänger alles damit erreichen. Wenn deine Seele verborgen oder ängstlich ist, kann es eine Weile dauern, bis du sie zeigen und darauf stolz sein kannst. Ich habe keine Angst mehr. In meiner Sprechstimme hört man ein leichtes Reiben, das mit dem Alter kommt, und ich bin glücklich damit. Über die 50 Jahre, die ich nun professionell singe, hatte ich nie Angst vor meiner Stimme. Ich hatte keine Sorge, die Leute mit schwierigen Gefühlen zu konfrontieren, die in Klänge verpackt werden. Ich genieße das."

Eigentlich, sagt Jennifer Warnes, sei sie nie gern auf Bühnen oder gar auf Tournee gewesen. Eine große Stimme, die alle Erfolge feierte, deren Körper und Seele jedoch lieber daheim geblieben wären. Konzerte zum neuen Album soll es deshalb nicht geben, höchstens eines in Texas oder bei ihr zu Hause im ländlichen Kalifornien, das gefilmt werden soll. Danach kann ja der Film für sie auf Reisen gehen, lacht Jennifer Warnes.
Freiheiten wie diese kann man sich als pensionierte Poparbeiterin von Weltruf ja auch wirklich nehmen.
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