"Jede Welt hat eine Eieruhr"

Moderation: Frank Meyer |
Wir müssen uns entscheiden, ob wir gut oder böse sind - oder irgendwas dazwischen, wie die meisten von uns, sagt der Regisseur Florian David Fitz. In seiner Filmkomödie "Jesus liebt dich" geht es ihm, dem Nichtgläubigen, auch um den Wert der Religion als Richtschnur für eine gute Gesellschaftsordnung.
Frank Meyer: Florian David Fitz, das ist gerade so eine Art großes Wunderkind des deutschen Kinos. 2010 hatte er mit seinem ersten Drehbuch und der Hauptrolle in dem Film "Vincent will Meer" einen Überraschungserfolg gelandet, der ihm einige Filmpreise einbrachte. In diesem Jahr hat er den Mathematiker Karl-Friedrich Gauss in "Die Vermessung der Welt" gespielt, also in Detlev Bucks Verfilmung von Daniel Kehlmanns Bestseller. Und jetzt ist Florian David Fitz wieder als Drehbuchautor angetreten, und dann als Hauptdarsteller und schließlich auch als Regisseur für den Film "Jesus liebt mich". Über diesen vorweihnachtlichen Jesus-Film reden wir gleich mit Florian David Fitz. Vorher stellt Ihnen Gesa Ufa den Film vor.

Der Film "Jesus liebt mich" - Beitrag von Gesa Ufer

Frank Meyer: Und Florian David Fitz ist jetzt hier bei uns im Studio. Seien Sie herzlich willkommen!

Florian David Fitz: Na hallo, das ist mal eine Ankündigung.

Meyer: Jesus ist da. Das ist ja schon was Eigenes: Jeshua oder Jesus Christus spielen. Auch, wenn der Film jetzt ja keine theologische Tiefenbohrung ist. Als Sie hörten von dem Projekt, gab es da so ein religiös-respektvollen Schauer erst mal?

Fitz: Also, es gab keinen religiösen Schauer, aber es gab erst mal kurze Gedanken. Das ist ja, wie wenn man Hitler spielen würde plötzlich. Also man denkt sich, es ist eine ganz gefährliche Figur natürlich, so eine aufgeladene Ikone.

Meyer: Und dann? Wie sind Sie da heran gegangen?

Fitz: Na ja, so wie bei allen Filmen. Bei "Vincent will Meer" war es ein ähnliches Problem, jemanden zu spielen, der Tourette hat, und das soll eine Komödie sein, das war ja auch schon, wo alle gesagt haben, das wird schwierig. Und hier ging es darum, dass man sagt, das ist jetzt so eine aufgeladene Figur, wie kann man da komödiantisch sein. Und ich glaube, das Geheimnis, dass es für viele Leute funktioniert, ist, dass wir diese Figur vollkommen ernst genommen haben. Ich habe versucht, sehr naiv und offen da dran zu gehen an diese Figur, und lassen eigentlich die heutige Welt auf diese Figur von vor 2000 Jahren prallen. Und allein durch diese Gegenüberstellung hat man schon eine Komödie: Was ist mit dieser Botschaft passiert von vor 2000 Jahren.

Meyer: Die Figur hat manchmal auch was Entrücktes, so dass man das Gefühl hat, die steckt auch in einer anderen Welt oder kommt aus einer anderen Welt. Wo holen Sie das her, diese Erfahrung oder diesen Ausdruck, entrückt zu sein?

Fitz: Das ist so eine Außenwahrnehmung. Erstens mal, glaube ich, ist es durch die Bildsprache vom Film unterstrichen, und zweitens liegt es vielleicht daran, dass – man musste eine gewisse Ruhe finden, dass sich die Menschen einfach den Menschen wirklich versuchen, ins Herz zu gucken, was wir ja im wirklichen Leben fast nie probieren, dem anderen wirklich ins Herz zu gucken und wirklich zu verstehen, was gerade los ist und was mit dem geht. Und keiner von uns, weil wir so mitten im Leben stecken, kann das natürlich dauerhaft. Aber für einen Film kann ich das ja zumindest versuchen.

Meyer: Und so eine romantische Komödie mit Jesus Christus in der Hauptrolle klingt ja erst mal schräg natürlich. War Ihnen da gleich plausibel, dass das funktionieren könnte als Film?

Fitz: Nein. Das ist, glaube ich, ein totales Risiko. Es gibt bestimmt auch Leute, die das als gescheitert ansehen. Aber schön ist, und das ist, was mich freut, dass die Mehrheit der Leute das so annehmen, wie ich das gemeint habe. Nämlich mich selber, der ja nicht mehr in der Kirche ist, mit dem Grundtenor auseinanderzusetzen in einer Komödie. Das ist eigentlich generell das Ziel, das war bei "Vincent" auch das Ziel. Ich mache eine Komödie und einen Unterhaltungsfilm, und da darf es auch mal richtig klamaukig zugehen, aber vielleicht kann ich da noch irgendwas reinpacken, dass es um ein bisschen mehr geht.

Und wenn die Welt schon untergeht und dieses Thema vorgesehen ist, dann wäre ich doch bescheuert, wenn ich die Sache nicht anreißen würde. Die Pointen entstehen ja wirklich aus dem Kontrast zwischen der alten Idee Christi und dem, was jetzt so dazu gekommen ist. Und viele Dinge, die ich zum Beispiel auch nicht wusste, dass die im Nachhinein erst dazu kamen, also wie der Zölibat oder – das ist ja erst um das Jahr 1000 entstanden. Oder was wir als Neues Testament empfinden, das sind ja Bücher, die irgendwann im Jahr 400, 500 oder so in einem Konzil zusammengestellt wurden, und dann hat man gesagt, das gehört rein und das kommt raus. Also, das ist von Menschen alles entschieden.

Und auch alles, was so kirchengeschichtlich passiert ist, wenn man dem jetzt gegenüber die alte Botschaft stellt, dann stellen sich da Fragen. Und mehr will man auch gar nicht machen.

Fitz: Das provoziert jetzt natürlich die Frage, wenn Sie sagen, Verpackung nicht ernst nehmen, aber den Inhalt, was ist dann der Inhalt? Was wollten Sie ernst nehmen mit diesem Film?

Meyer: Na, ich hab mir zwei oder drei grundsätzliche Fragen gestellt, wenn man sich der Religion nähert. Erstens mal, warum gibt es Religion, warum haben wir uns das ausgedacht? Ich nehme an, man hat sich das irgendwann ausgedacht, und das gibt es ja so lange, wie es die Menschheit gibt. Und was ist der Sinn dahinter?

Und da sind mir drei Antworten eingefallen, das sind jetzt auch keine neuen Gedanken, sondern, die gibt es ja auch schon seit der Menschheit. Das ist erst mal, natürlich haben wir Angst zu sterben und brauchen irgendeine Erklärung, was mit uns nachher passiert. Und zweitens brauchen wir einen Sinn?

Die Leute, die jetzt nicht mehr glauben, sind natürlich in ihrer Freiheit sehr ängstlich, weil wir nicht wissen, wo wir hingehören und was ist überhaupt das Ziel des Daseins. Das gibt einem die Religion. Und natürlich dann auch ein rein moralisches Konstrukt, wie man miteinander umgehen kann, ohne sich tot zu schlagen.

Deswegen finde ich es natürlich auch relativ lustig, dass die Religionen – also lustig, es ist eigentlich tragisch – die Mehrzeit dazu benutzt wurde, anderen Leuten die Köpfe einzuschlagen. Also, das liegt halt daran, dass wir alle – wir sind Menschen und wir korrumpieren alle guten Ideen mit unserem Menschlichsein.

Fitz: Und wenn wir jetzt über den Inhalt reden, den Kern dieser ganzen Geschichte, wie wichtig ist da Nächstenliebe dabei? Was für Bilder haben Sie auch dafür gefunden, um Nächstenliebe zu zeigen? Denn die würde ja zu einer Jesus-Geschichte unbedingt dazu gehören.

Meyer: Ja, Nächstenliebe ist ja auch so ein platt gewalztes Wort irgendwie. Das sind ja alles so Worte, die so ein bisschen an Bedeutung verloren haben oder vielleicht durch ihre Aufladung dann wiederum an Bedeutung verloren haben. Das Schöne ist, dass ich einfach gedacht habe: Wie würde dieser Mann das machen? Ich glaube, er sieht das ganz praktisch.

Und er sagt ja irgendwann auch, nicht irgendwie so heilig, du hast Essen auf deinem Teller, du musst was abgeben, sondern ganz logisch, er sagt, hier ist doch was da, du hast doch mehr als genug, warum soll der Mensch da draußen nichts haben? Und Marie hat sofort das alles im Kopf, was ich persönlich auch im Kopf habe, wenn ich durch die Fußgängerzone gehe und Leute sehe, die betteln, wo ich sofort denke: Na ja, man hat ja mittlerweile erfahren, da steht eine Mafia dahinter, die müssen das dann abgeben, das kriegen die gar nicht … – wo man sagt, jetzt gib ihm doch einfach was, was ist das Problem?

Es ist eigentlich relativ simpel. Und das ist ja so eine Kultur, die wir so ein bisschen verloren haben, also ich bin ja mittendrin, dass man zum Beispiel seinen Zehnten abgibt. Das war ja immer so die goldene Regel. Wer macht denn das von uns? Eigentlich niemand, nicht. Also, es ist gar nicht so wahnsinnig schwer, gib doch einfach, ist doch scheißegal, was er damit macht, das ist doch seine Sache.

Fitz: Sie haben ja vorhin gesagt, Sie verstehen sich selbst nicht mehr als Christen. Was hat jetzt diese Auseinandersetzung mit diesem Thema bei Ihnen bewirkt? Gab das so eine Wiederannäherung an den Glauben?

Meyer: Ja. Also kann man so sagen, das klingt dann immer so dramatisch. Aber dadurch, dass ich mich jetzt mit dem Grund auseinandergesetzt habe, kann ich jetzt die Geschichte als eine Geschichte akzeptieren, die einen dazu führen soll, meinen Frieden machen. Wenn man als Kind da so reinwächst, denkt man sich irgendwann: Ja, und jetzt genau das – warum soll ich genau das glauben? Und genau das sagen? Und so fand das statt, und das ist ja alles sehr festgelegt.

Und man denkt sich halt die ganze Zeit, na ja, irgendwie stimmt das für mich nicht. Jetzt, wenn ich weiß, dass eigentlich nur die Grundidee, die ist wichtig, nicht, wie die Geschichte erzählt wird. Dann kann ich damit natürlich viel mehr anfangen.

Fitz: In dem Film ist es ja so und auch in der Buchvorlage, die es ja gab, dass Jesus ja auf die Erde kommt, weil es auf das Jüngste Gericht zugeht, auf das Weltende im Prinzip zugeht. Heißt das, dass in der Konstruktion dieser Geschichte Gott die Menschen schon aufgegeben, verworfen hat.

Meyer: Na ja, bei uns ist es so, wir haben es ein bisschen, wir haben versucht, da so ein bisschen den Moralischen rauszunehmen, sondern haben gesagt, jede Welt, die es gibt, hat einfach eine Eieruhr, die irgendwann abläuft. Und Gott gibt den Menschen mit, was er weiß, und man muss schauen, was sie draus machen. Also sie bekommen ja den freien Willen, das ist ja der Apfel, von dem wir genascht haben. Und das bringt halt das Problem mit sich, dass wir uns selber entscheiden müssen, so oder so zu handeln, gut oder böse. Oder dazwischen, wie die meisten von uns. Aber er gibt den Menschen ja am Ende noch mal eine Chance, genau diese Verantwortung zu übernehmen und erwachsen zu werden. Das ist, glaube ich, der Grund, warum das alles passiert.

Fitz: Dem können Sie nachgehen in dem Film "Jesus liebt mich" von Florian David Fitz. Er ist dabei als Drehbuchautor, Hauptdarsteller, Regisseur, also ein richtiger ausgewachsener Florian-David-Fitz-Film jetzt in unseren Kinos. Danke Ihnen, dass Sie hier waren!

Meyer: Ja, vielen Dank!

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Florian David Fitz spielt die Hauptrolle in seinem Film "Jesus liebt mich"
Und hier in der Rolle als Jeshua in seinem Film "Jesus liebt mich"© picture alliance / dpa / Horst Galuschka