Javier Ruibal: "Paraisos Mejores"

"Sich neu zu erfinden, ist wichtig"

Der Sänger hält eine Gitarre in der Hand
Der andalusische Sänger Javier Ruibal © Javier Ruibal / Pepa Niebla
Von Katrin Wilke  · 22.01.2019
Seit mehr als 35 Jahren steht Javier Ruibal auf der Bühne. Der Andalusier mutet wie einer der letzten Troubadoure Spaniens an. Sein neues Album hat er mit seinem Sohn eingespielt. Der hat ihm erstmal einen neuen Sound verpasst.
"Dein Lieblings-Divo ist eine erfundene Geschichte. Zu später Stunde sah ich in der New Yorker Metro einen Typ, der wie ein Opernstar angezogen war, aber dabei recht abgerissen, fertig aussah, so halb schlafend. Ich dachte, er träumt ja vielleicht von seiner Freundin. Und beim Gedanken an all die unglaublichen Dinge, die so in New York passieren, stellte ich mir eine Rapperin vor – wohl das Abwegigste bei einem solchen Opern-Divo. Frappierend an der Geschichte: Die Liebe kann halt zwischen ganz unterschiedlichen Menschen aufflammen. Anstatt einer vielleicht eher mit ihm zu assoziierenden Marquise eben eine Rapperin mit ihrem Straßenbewusstsein."
Ein wahrer Kinofilm – prallgefüllt mit poetischen und atmosphärischen Bildern - spult sich in "Tu Divo Favorito" ab, dem fulminanten Aufmacher des neuen Albums von Javier Ruibal. Das stürmische Gebläse erinnert ein wenig an die Musik von New Orleans. Einen solchen Drive meint man im musikalisch farbenprächtigen Kosmos von Javier Ruibal SO zuvor nicht vernommen zu haben - auf den bislang zwölf eigenen, durchweg gelungenen Alben.

Zwischen Flamenco und Jazz-Rock

Spürbare Kurswechsel, Neuerungen hier und da auf "Paraísos Mejores" sind auch dem Produzenten der elf Lieder zu verdanken: Javier Ruibals Sohn und langjährigem Mitmusiker Javi. Der junge Flamenco- und Jazz-versierte Schlagzeuger arbeitet unter anderem mit dem Pianisten Dorantes und der Jazzrockband Glazz. Die mischt auch hier mit in diesem mal sanftmütigen, mal rockig-derberen Song namens "Corazón Timbalero".
Senior Ruibal meint vom Junior, dass der einfach am besten seine Art zu komponieren, seine Philosophie verstehen und so seinen Songs noch mehr Fülle und Strahlkraft geben konnte.
"Sich neu zu erfinden, nicht immer im selben Hafen verankert zu bleiben für das eigene Sicherheitsgefühl - ist wichtig. Das geschieht bei mir nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Berufung, ich finde einfach gerne neue Sounds, liebe es, als Sänger in ganz verschiedene Kontexte zu gehen, dort zu lernen und zu suchen - nach dem, was mich und das Publikum anregen kann.
Nicht umsonst machen wir etwas, das direkt ins Herz der Leute geht. Mittels der Emotion und des Vergnügens, und auch mit Tanzbarem kann man berühren, ein Lächeln, eine Freude auslösen beim Zuhörer. Was immer mich dabei auch leitet, kommt mir gelegen."
Und man darf solche hehren Worte durchaus ernst nehmen bei einem Künstler und Menschenfreund, dem es nach 36 Bühnenjahren weder an Inspiration noch an Publikumsnähe fehlt, genauso wenig an Integrität, Unabhängigkeit und dem damit verbundenen politischen Unruhegeist.

Duett mit Chico César

So hatte der 1955 in Puerto de Santa María in der Provinz Cádiz geborene Andalusier so knapp vor Afrika schon lange vor den jetzigen Flüchtlingstragödien eine sensible Verbindung zum Nachbarkontinent. Doch wenn überhaupt, dann macht Javier Ruibal seinem Unmut musikalisch eher implizit, poetisch Luft. Diesmal wird er jedoch konkreter, zum Beispiel im Duett mit dem brasilianischen Singer/Songwriter Chico César.
"Bei Chico war die Idee, mit einem Afrokünstler ein politisches Anliegen zu intonieren, wie in 'Black Star Line', das auf eine wahre Geschichte zurückgeht. Eine Reederei, die die Sklaven aus den USA zurückverfrachten wollte nach Afrika, als diese schon längst keine Sklaven mehr waren, sondern frei.
Wegen der damals und auch heute noch bestehenden Verfolgung der Schwarzen. Und ich fand es schön, diesen Song just mit diesem, auch von seiner Haltung her passenden Afrobrasilianer aufzunehmen."
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