Jaroslav Rudiš über das Zugfahren

„Die Eisenbahn hält uns in Europa zusammen“

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Züge und Gleise am Kölner Hauptbahnhof
Viele Menschen lieben es mit dem Zug zu reisen, so wie der Schriftsteller Jaroslav Rudis. © imago images / Future Image / C.Hardt
Jaroslav Rudiš im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 31.03.2022
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Der deutsch-tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš ist begeisterter Bahnfahrer. Er hat über seine Reisen durch Europa den Bestseller "Gebrauchsanweisung fürs Zugfahren" geschrieben und nimmt auch die Deutsche Bahn gegen Kritik in Schutz.
Die Eisenbahn und das Zugfahren gehören aus Sicht des deutsch-tschechischen Schriftstellers Jaroslav Rudiš zur europäischen Kulturgeschichte. Selbst in diesen Kriegszeiten fahre unverändert der Nachtzug zwischen Wien und der westukrainischen Stadt Lwiw, sogar mit einem Kurswagen in die Hauptstadt Kiew.
"Es ist auch die Eisenbahn, die uns in Europa zusammenhält", sagt Rudiš. Nur aus dem Zug heraus und beim Blick aus dem Fenster könne man Europa verstehen und genießen.

Der Traum vom Lokführer

Den Autor verbindet viel mit der Bahn: Schon Rudiš Großvater war Weichensteller, der Onkel Fahrdienstleiter und der Cousin Lokführer. Wegen seiner schlechten Augen wurde er selbst nicht Lokführer, sondern studierte Geschichte und Germanistik. Sein Studentenzimmer bot den Ausblick auf die Gleise und Rudiš ist bis heute begeisterter Bahnfahrer, der kreuz und quer durch Europa gereist ist. Sein Buch "Gebrauchsanweisung fürs Zugfahren" wurde ein Bestseller.

Deutsche Bahn ist besser als ihr Ruf

"Ich nehme die Deutsche Bahn immer wieder in Schutz", sagt Rudiš über den verbreiteten schlechten Ruf des Bahnverkehrs in Deutschland. "Es gibt auch andere Länder, wo man über die Eisenbahn schimpft." Vieles funktioniere viel besser, als man so denke. Auch eine Verspätung könne zu interessanten Erlebnissen führen und zu einer Geschichte. Umwege seien für ihn da kleine Herausforderungen.

Erlebnis Speisewagen

Ein Besuch im Bordrestaurant steigert für viele Fahrgäste das Reisevergnügen. Besonders beliebt sei der tschechische Speisewagen, in dem man beispielsweise zwischen Prag und Berlin wie in einem Restaurant unterwegs sei, lobt der Schriftsteller. Es gebe frisch gezapftes Bier, Schnitzel, Knödel und Gulasch. "Das alles in einer Qualität, die man sich sonst vielleicht nicht vorstellen kann, wenn man Zug fährt."
Blick in den tschechischen Speisewagen mit Passagieren.
Ein kulinarisches Vergnügen ist die Reise mit dem tschechischen Speisewagen. © Imago / ecomedia / robert fishman
In Mitteleuropa sei es um die Speisewagen ohnehin gut bestellt. "Auch der slowenische Speisewagen oder der polnische Speisewagen, der ist auch ganz, ganz toll", so Rudiš. Erst gestern sei er von Poznan nach Berlin unterwegs gewesen. "Das lohnt sich auch, von Berlin nach Frankfurt Oder zu fahren und da eine Kleinigkeit zu essen."

Vorreiter Tschechien, Österreich und die Schweiz

Als Vorbilder für den Zugverkehr nennt Rudiš Tschechien, Österreich und die Schweiz. In diesen Ländern werde mehr in den Zugverkehr investiert. "Insofern ist es auch eine politische Entscheidung, ob wir mehr Autobahn fahren oder mehr Autobahnen bauen werden oder mehr Eisenbahn."
Wer in den drei Ländern für die Bahn arbeite, sei sehr oft stolz darauf, anders als in Deutschland. "Ich kenne viele tolle Mitarbeiter der Deutschen Bahn, die auch meine Leser sind", so der Autor. Er werde im Zug oft erkannt und habe dort auch schon zahlreiche Bücher signiert.
(gem)

Jaroslav Rudiš: „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“
Piper Verlag, München 2021
252 Seiten, 15 Euro.

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