Japanisches Mädchentrio "Babymetal"

Hyyyper-ansteckend!

Die japanische Mädchenband Babymetal 2015 beim Rockavaria-Open Air im Olympiapark in München.
Die japanische Mädchenband Babymetal 2015 beim Rockavaria-Open Air im Olympiapark in München. © imago/Stefan M Prager
Von Laf Überland · 25.08.2015
Die Zuckersüße des Japan-Pop vermischt die japanische Mädchenband "Babymetal" mit der Brutalität des Thrash-Metal. Ihr Debütalbum sorgte für Furore und ihre Video wurden zu viralen Sensationen hochgeklickt. Jetzt gibt "Babymetal" zwei Konzerte in Deutschland.
BabyMetal – das sind vor allem die drei Teenager SuMetal, YuiMetal und MoaMetal: Als sie anfingen, war SuMetal 13 und die andern beiden elf. Inzwischen ist Su-Metal 17: Sie ist für den Hauptgesang zuständig, YuiMetal und MoaMetal steuern Kieksen, Schreien und Knurren bei.
Damit das Publikum sie auch sehen kann, stehen die Mädchen gerne auf drei Holzpodesten: mit roten Tüllröckchen, schwarzen Strumpfhosen und Kurosawa-StarWars-gestylten, mit metallischen Schuppen beschlagenen Korsagen, die Haare gern mit roten Schleifchen drapiert, manchmal in Zöpfen, aber den geraden Pony bis an die Augen: mit fröhlichem bis geradezu albernem Lachen im Gesicht – oder aber mit ernstem Blick – und einer Fuchs-Halbmaske vor dem Gesicht: Der Fuchs ist der Metalgott, der angeblich Babymetal erschaffen hat.
Es gibt eine unheimliche Radikalität in der japanischen Pop-Kultur. "Wir Japaner", so erklärte das mal ein japanischer Modedesigner, "haben keine eigene moderne Kultur. Uns wurde nicht beigebracht, individuell und originell zu sein, also schöpfen wir aus anderen Kulturen, kopieren sie." Ja, und das ist der Trick.
Das Substantielle aus der westlichen Kultur
Die Japaner haben eine Pop-Destillationsanlage: Sie filtern aus der westlichen Kultur das Substantielle raus, weshalb es uns bei ihnen dann so hart und wesentlich vorkommt: so rein und klar und alles ist möglich: Popmusik ist extrem poppig, Techno extrem wirksam, wenn junge Japaner was machen, machen sie's richtig: so sehr, dass vor ein paar Jahren tatsächlich in den Großstädten auf Fußbrüche spezialisierte Orthopäden aufmachten wie sonst was, weil die kleinen Japanerinnen sich alle 25cm-Plateaustiefel kauften und sich die Knöchel brachen – aber nicht von dieser Mode abzubringen waren …
Besessenheit und kultische Verehrung für die merkwürdigsten Phänomene resultieren aus dieser Extremität. Ein ganz großer Popstar in Japan ist zum Beispiel auch Hatsune Miku: Sie hat eine makellose Stimme, wird nicht älter, auf der Bühne leuchtet und gleißt sie, wenn sie singt und tanzt - denn Hatsune Miku ist nur ein Avatar aus einem Computerprogramm, und ihre Bühnenpersona ist ein Hologramm. Aber zigtausende kreischender Fans folgen ihr!
Ein anderer Popkult ist der um diese seltsame Idol- oder Kawaii-Kultur: (kawaii heißt niedlich), und diese Idolgruppen bestehen aus jungen Frauen zwischen 16 und 24 Jahren, die zu Celebrity-Haufen zusammengecastet werden und dann schauspielern, modeln – und vor allem zuckersüßen Japan-Pop singen: Und je niedlicher eine Idol-Gruppe ist, desto beliebter wird sie in der Regel. Babymetal stammen aus einer sehr beliebten, also sehr niedlichen Idol-Gruppe.
Idee eines japanischen Pop-Produzenten
Natürlich ist dieses ganze Projekt extrem künstlich und definitiv keine neue Heavy-Metal-Entwicklung, sondern die Idee eines macchiavellistischen Japan-Pop-Produzenten: "Als wir anfingen, hatten wir keine Ahnung, was Metal-Music ist", erzählt MoaMetal denn auch ohne Peinlichkeit, aber durch die vielen Festivals hätten sie jetzt immer mehr drüber gelernt: Und tatsächlich fielen sich dort Metal-Stars von Slayer über Metallica bis Anthrax gegenseitig über die Füße beim Versuch, mit den drei kleinen Japanerinnen zusammen fotografiert zu werden.
Wobei der eigentliche Metal-Anteil bei der Babymetal-Musik ja sowieso von der unglaublich versierten Band hinter den drei Mädchen kommt – oder von derselben Musik als Playback mit einer Fakeband (wie morgen und übermorgen) – was für die Mädchen keinen großen Unterschied macht.
In Japan sind übrigens dreiviertel der Babymetal-Fans erwachsene Männer. In Amerika bestand das Publikum bei Konzerten hingegen meist aus einem wilden Mix von Grundschulkids mit ihren Müttern bis zu mittelalten langhaarigen Männern mit wilden Metal-Tattoos. Und wenn die Mädchen auf der Bühne (in ihrer Nonstop-Choreografie zwischen wild gewordenen Mangafiguren und possierlichen Roboter-Cheerleadern) die Arme hoben, hoben sie sie auch, und wenn sie vor der Brust überkreuzten, taten die Männer das auch. Und die Kinder. Und die Mütter: Babymetal sind hyyyper-ansteckend!
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