Jane Austen

Weder romantisch noch nett

Jane-Austen-Skulptur in Basingstoke
Im Jahr 2017 wurde die Autorin Jane Austen in ihrer Geburtsstadt Basingstoke mit einer Statue auf dem Marktplatz gewürdigt © imago / i Images / Nils Jorgensen
Jane Austens Romane erfreuen sich nach wie vor einer großen Beliebtheit, auch als Filmstoff. Aber warum eigentlich? Die Ehesorgen des englischen Landadels vor 200 Jahren dürften heute kaum noch relevant sein. Und dennoch bleibt die Faszination.
In der ganzen Welt gilt es als ausgemachte Wahrheit, dass man Jane Austen gelesen haben muss. 200 Jahre alte Literatur, sechs Romane. Meistens geht es darin ums Heiraten. Dass eine Frau aus dem niederen Adel eine gute Partie machen muss. Zwischendurch gibt es ein paar Hindernisse und Missverständnisse. Der gute alte „Marriage Plot“ halt. Man kennt diese Story in unzähligen Varianten. Jane Austen hat dieses Genre quasi erfunden.
250 Jahre nach ihrer Geburt wird Austens Werk immer noch gelesen und gefeiert und wiedergelesen und fortgesetzt in Fanfiction und immer wieder verfilmt. Unzählige Adaptionen gibt es, es begann 1938 mit „Stolz und Vorurteil“, und dann folgten alle paar Jahre neue Filme und Serien, auch biografische, sowie modernisierte Adaptionen wie „Bridget Jones“, Bollywood-Varianten, bis hin zu Horror-Mash-ups wie „Stolz und Vorurteil und Zombies“. Wenn Jane Austen das wüsste!

Beliebter als Goethes "Werther"

Aber warum? Woher kommt diese Faszination? Goethes „Werther“ von 1774, ein Jahr vor Austens Geburt veröffentlicht, wird diese Ehre nicht zuteil, obwohl es da auch um den Konflikt zwischen „Sinn und Sinnlichkeit“, „Verstand und Gefühl“ geht. Den Werther liest man meist nur noch in der Schule, wenn man muss, aber Austens Bücher werden auf BookTok gefeiert, obwohl die Probleme von Frauen des niederen Landadels in Großbritannien vor 200 Jahren wohl kaum zeitgemäß sind.
Emma Thompson, Kate Winslet und Gemma Jones in der Verfilmung von "Sinn und Sinnlichkeit" von 1995
Nominiert für sieben Oscars: Ang Lees Verfilmung von "Sinn und Sinnlichkeit" (1995) mit Emma Thompson und Kate Winslet© picture alliance / Collection Christophel NZ / NZ
Vielleicht, weil Jane Austens Romane mehr erzählen als nur Liebesgeschichten. Zwar sehnen sich die Protagonistinnen danach, einen passenden Mann zu finden, aber allein die Tatsache, dass sie sich eine Liebesheirat statt Vernunftehe wünschen und Heiratsanträge ablehnen, müsse man wohl aus heutiger Sicht als revolutionär betrachten. Denn Frauen hatten damals noch so gut wie keine Rechte, nur Pflichten als Ehefrauen und Mütter. Wenn Frauen arbeiten konnten, dann nur als Lehrerinnen oder Prostituierte, sagt die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen.
Jane Austen, die am 16. Dezember 1775 in Steventon in England geboren wurde, machte es sich mit der Ehe ebenfalls nicht leicht und hat nie geheiratet, obwohl sie Verehrer hatte. Warum sie einen Antrag mit 27 abgelehnt hat, bleibt ein Rätsel.
Schon als Zwölfjährige begann sie mit dem Schreiben, spielte mit ihren Brüdern Theater in einer Scheune. Ihr erster Roman „Sinn und Sinnlichkeit“ wurde erst 1811 veröffentlicht – „by a Lady“, stand bloß auf der Titelseite statt ihres Namens. Es folgten noch drei weitere zu Lebzeiten („Stolz und Vorurteil“, „Mansfield Park“, „Emma“), und zwei posthum („Northanger Abbey“, „Persuasion“), zwei Romane blieben unvollendet.
Austen starb am 18. Juli 1817 mit 41 Jahren an der Addisonschen Krankheit, einem Versagen der Nebennieren. Ihr Werk geriet schnell wieder in Vergessenheit und blieb ein Geheimtipp, bevor die Autorin erst in den 1870ern durch eine Biografie wiederentdeckt wurde. Nicht alle Kollegen zeigten sich später begeistert: Charlotte Brontë sprach ihr die Leidenschaft ab, laut H. G. Wells fehlte ihr „jedes Mark“.

Wortwitz und Ironie

Doch abgesehen von Geschmacksfragen sind Austens sprachliche Qualitäten nicht zu leugnen: „Keine andere verstand es wie sie, mit leichter Hand das scheinbar Widersprüchliche zu verbinden: scharfe Beobachtung und zartes Verstehen, Farce und Drama, Wortwitz und Moral“, schreibt Elsemarie Maletzke in ihrer Austen-Biografie. „Und da sie niemals sentimental wird und sich niemals ereifert, sondern die Menschen beschreibt, wie sie sie kennt, sind auch ihre Figuren unsterblich.“ Neben den plastisch gezeichneten Charakteren schätzen die Leser auch die sorgfältig konstruierte und fesselnde Handlung, die zahlreichen Wendungen und den unvorhersehbaren Humor.
„Ich schätze ihre Ironie“, sagt Maletzke. „Wie sie zustechen kann, mit der Stickschere vielleicht nur, aber diese Spitzen sind ganz exquisit. Manchmal auch ganz grob, also wenn sie in ihren Briefen mit ihrer Schwester korrespondiert, da geht es dann schon recht derb zur Sache, wenn sie über ihre Nachbarn herzieht. Das hat man in der Literatur dann nicht so gemerkt.“ Und die Biografin fügt hinzu: „Ich finde sie überhaupt nicht romantisch oder nett.“

Strenge moralische Vorstellungen

Austen gehe auch sehr streng mit ihren Figuren um: „Die Vernünftigen und die Anständigen und die mit dem guten Herzen bekommen den Mann ihrer Träume. Aber die Hohlköpfe und die Scheinheiligen werden grausam bestraft.“ Frauen, die das Falsche getan haben, die durchgebrannt sind oder sich nicht adäquat verhalten haben, erlitten das schrecklichste Schicksal.
Auch Elisabeth Bronfen betont Austens strenge moralische Vorstellungen, die gegen den post-revolutionären Zeitgeist gehen. Die Autorin propagiere Selbstzügelung, Vernunft, Entbehrung. Bronfen fasst es so zusammen: "Wenn wir an unseren moralischen Codes und Sitten festhalten, können wir uns gegen die Revolution, die eigentlich stattgefunden hat, trotzdem noch ein bisschen wehren.“ Bei Austen bleiben Frauen in alten Geschlechterrollen haften. Sie sollen sich zwar bilden, aber nur, um bessere Mütter und Ehefrauen zu sein.
Allerdings: Der Aspekt der romantischen Liebe ist wohl dennoch nicht zu unterschätzen. Solange sie in unserer Kultur ein wichtiger Wert bleibt, bleibt auch Austens Werk relevant. Die Sehnsucht nach dem persönlichen Mr. Darcy, nach einem Mr. oder einer Mrs. „Right“, ist groß. In unserer narzisstischen Kultur, so Bronfen, treffe Austen unser Interesse, weil sie gegen den Strich gehe und an ihre Leser appelliere, sich als Teil der Gemeinschaft zu sehen, und auch eine gewisse Verantwortung gegenüber dem eigenen Leben zu übernehmen.

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