Jan Henrik Stahlberg über "Fikkefuchs"

"Viel Potenzial für politische Unkorrektheit"

Franz Rogowski (l) alias "Thorben" und Jan Henrik Stahlberg (r) alias "Rocky".
Franz Rogowski (l) alias "Thorben" und Jan Henrik Stahlberg (r) alias "Rocky". © imago / stock&people
Jan Henrik Stahlberg im Gespräch mit Susanne Burg · 11.11.2017
Die Komödie "Fikkefuchs" erzählt mit viel schwarzem Humor vom männlichem Begehren und seinem Scheitern. "Diese Spielwiese zwischen Männern und Frauen, Dinge zu verhandeln, über die man schwer sprechen kann", die habe ihn gereizt, sagt Regisseur Jan Henrik Stahlberg.
Susanne Burg: Thorben steht bei Rocky vor der Tür. Ein Sohn, von dem Rocky bislang nichts wusste. So beginnt "Fikkefuchs", ein Film, der auf sehr schwarzhumorige Art und Weise vom männlichen Begehren erzählt. Sohn Thorben zieht ein beim Vater und will von ihm lernen, wie man Frauen rumkriegt. Rocky hat da durchaus Erfahrung. Er war mal ein großer Frauenheld, aber heute ist er nur noch ein Schatten seiner selbst. Die beiden ziehen also los, um Frauen kennenzulernen, und wie sie scheitern, das führt der Film gnadenlos, schmerzhaft und sehr, sehr lustig vor. "Fikkefuchs" stammt von Jan Henrik Stahlberg. Er hat das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und spielt den Rocky. Franz Rogowski ist Sohn Thorben. Premiere hatte der durch Crowdfunding finanzierte "Fikkefuchs" beim Filmfest in München im Sommer. Und da haben Patrick Wellinski und ich Jan Henrik Stahlberg getroffen und ihn nach der Initialzündung für den Film gefragt und inwieweit da auch Beobachtungen aus seiner Umgebung Einfluss hatten.

Potenzial für politische Unkorrektheit

Jan Henrik Stahlberg: Sagen wir mal so, ich glaube tatsächlich, dass es wenige Filme gibt über Bedürfnisse von Männern, die aber, sagen wir mal, jetzt nicht in die Klamaukrichtung gehen, sondern wo tatsächlich ernsthafte Bedürfnisse verhandelt werden, auch wenn sie so armselig sind wie Frauen flachlegen. Aber ich glaube, das ist ein Bedürfnis, was ich bei mir oder auch bei anderen Männern oder Freunden von mir festgestellt habe. Und der Wolfram Fleischhauer, der den Film zu großen Teilen ja produziert hat als Financier – denn wir haben das ja ohne Sender gemacht, kam auf mich zu und hatte so eine Uridee. Und was mich sehr gereizt hat, war diese Spielwiese zwischen Männern und Frauen, Dinge zu verhandeln, über die man halt schwer sprechen kann, weil, da sehe ich irgendwie viel Potenzial für politische Unkorrektheit. Und da ich das sehr gerne mache, habe ich dann sofort gesagt: Ja, da würde ich gerne einen Film drüber machen!
Patrick Wellinski: Spannend ist auch diese Grundprämisse von "Fikkefuchs", dass es nämlich eine generationenübergreifende Geschichte ist. Da ist also 50-Jährige, der dem wesentlich jüngeren Sohn etwas beibringen möchte. Und ich habe mich gefragt: Geht das denn überhaupt? Kann denn jemand, der 50 ist, aus einer ganz anderen Zeit stammt, was er auch immer wieder selber wiederholt, jemandem wie Thorben, der aus der – wie das Feuilleton es gerne nennt – aus der Generation Porno kommt … Kann der ihm überhaupt etwas beibringen über Sex?
Stahlberg: Tja, das ist die Hoffnung von Thorben. Wir werden sehen, inwiefern das aufgeht. Aber ich glaube, es gibt natürlich diese Problematik, sagen wir mal, über seine Bedürfnisse zu sprechen, von Männern jetzt ausgesehen, glaube ich, ist tatsächlich vorhanden. Das ist nicht so leicht, glaube ich, für uns. Und da hat Rocky glaube ich universell recht, soll heißen: Es gibt Sachen, da wird er vielleicht old school sein, aber es wird andere Sachen geben, die sind glaube ich zeitlos.

Verändert Porno-Konsum das Begehren?

Stahlberg: Sie zeichnen auch Thorben sehr interessant. Wenn man ihn nimmt als so ein Jugendlicher, der sich auch permanent dank des Internets mit Sex umgeben kann … Sie zeichnen das natürlich … überzeichnen es, es ist ja eine Komödie, aber Sie sind dann doch sehr präzise in der Beschreibung. Können Sie da vielleicht selber beschreiben, was das für eine Generation ist, die man so gemeinhin … also, zu denen Thorben zählt, was für ein Verhältnis die zu Sex haben?
Stahlberg: Na ja, erschreckenderweise finde ich, dass das gar nicht jetzt, sagen wir mal, auf die Generation Porno beschränkt ist. Weil, also wenn wir jetzt mal ehrlich sind, ich weiß jetzt nicht, wie alt Sie sind, aber vom Prinzip her … Also wenn ich jetzt meine eigene Generation angucke, die Mittvierziger … Es ist ja nicht so, als würden wir nicht auch uns Pornos angucken. Und ich glaube, das ist, sagen wir mal, so eine generelle Problematik, weil, irgendwo kriegt man natürlich nicht das, was man haben will, vom Porno, ist völlig klar. Aber es ist halt jederzeit einen Mausklick entfernt. Und dann geht man halt dann doch drauf. Von daher glaube ich, bei Thorben ist es natürlich krasser, weil er einfach … Sagen wir so, ich weiß gar nicht, ob das so schlimm ist, ob man damit aufg… Zum Beispiel mein Sohn ist 15, der hat mir immer gesagt, sobald irgendwie diese … Kennen wir alle irgendwie, man geht irgendwie, will einen Film streamen und dann sind auf einmal nackte Frauen mit gespreizten Beinen, und sehr explizit … Der sagt immer: Papa, jetzt kommen die Nutten, mach mal weiter! Und dann habe ich halt weitergemacht. Also früher.
Jetzt guckt er natürlich mit mir solche Sachen gar nicht mehr an. Und ich denke, da ist es für ihn härter, weil er also praktisch damit aufwächst, und das war damals bei mir in der Videothek, musste ich erst mal da hinlatschen und es war viel peinlicher und viel mehr Aufwand und so weiter. Das ist jetzt viel leichter geworden. Aber ich glaube, auf der anderen Seite haben sie deswegen vielleicht auch einen spielerischeren oder besseren Umgang damit, als ich ihn habe.
Burg: Das eine ist ja das Begehren. Aber dann, finde ich, geht es ja auch um so eine virulente Frage wie: Was ist eigentlich männliche Identität? Also der Mann im Jahr 2017 hat es ja auch nicht einfach, er muss ja irgendwie alles bedienen. Er muss verständnisvoll sein der Frau gegenüber, er muss ein harter Mann sein, er muss arbeiten gehen, aber auch der perfekte Vater sein. Und im Film sind mehrere Szenen, wo Rocky aus einem Buch vorliest, wo es dann heißt: Der Mann ist überfordert und das schwache Geschlecht. Sehen Sie das auch so?
Stahlberg: Ob ich das jetzt so sehe, würde ich sagen, halte ich mich zurück. Weil, ich glaube, in dem Film … Das ist, sagen wir mal so, glaube ich, das, was ich an Filmen mag, da kommt es so auf die Haltung des Zuschauers oder Zuhörers jetzt praktisch an zu überlegen, kann ich das irgendwie … Gehe ich da mit? Ich denke, da sind Sachen drin, die würde ich persönlich eins zu eins unterschreiben, die stimmen. Dann gibt es ein paar, da muss man hellhörig sein und sagen, okay, ein Stück weit gehe ich mit und der Rest ist Schrott. Und dann kommt auch manchmal eine Aussage, wo ich sagen würde, das stimmt so nicht, für mich persönlich. Aber was daran jetzt stimmt, würde ich jetzt für mich nicht in Anspruch nehmen. Ich glaube ja, dass der Mann heutzutage durch die Emanzipation – die wir absolut begrüßen als aufgeklärte Männer – der Frau in ein anderes Fahrwasser kommt und sich damit auseinandersetzen muss, und es aber eigentlich nicht so wirklich tut. Das, glaube ich, ist sein Problem, ja.
Wellinski: "Fikkefuchs", das muss man immer wieder betonen, ist unglaublich lustig. Es ist eine sehr gelungene Komödie. War das Ihnen von vornherein klar, als Sie an dem Stoff gearbeitet haben, das kann eigentlich nur als Komödie erzählt werden?

Rocky ist das denkbar schlechteste Vorbild

Stahlberg: Definitiv. Ich denke, gerade dadurch, dass wir diese Konstellation haben von einem Vater, der versucht, seinem Sohn etwas mitzugeben, das ist so archaisch, wo jeder sagen würde: Ja klar, es ist wichtig, als Vater seinem Sohn irgendwie ein Vorbild zu sein. Ich glaube, Rocky ist das denkbar schlechteste Vorbild, was man sich nur so wünschen kann, und das war für uns auch eine Quelle von natürlich Humor. Aber ich glaube … Es ist kein Schenkelklopfer. Ich glaube, der Film hat … hoffentlich! Also ich glaube, Unterhaltung kommt da für mich, also auch im guten Sinne an erster Stelle, aber es ist ein Humor, der natürlich sehr schwarz ist und sehr weit geht. Und da bin ich mir ganz sicher, da gehen auch nicht alle mit.
Stahlberg: Sie hatten ja jetzt kein üppiges Budget. Sie haben in Berlin gedreht. Inwieweit haben Sie denn auch die Umgebung spontan miteinbezogen?
Stahlberg: Also die Locations waren für mich meistens insofern nur wichtig, dass es echte Locations sind. Die wurden meistens bespielt, wenn auch echte Leute da waren. Die wussten aber immer von ihrem Glück, denn wir wollten einen sehr dokumentarischen Charme sozusagen installieren. Und ich glaube, das ist vor allen Dingen gelungen, weil wir ein hervorragendes Casting hatten. Jede Rolle haben wir gecastet, das waren über 50 bis 60 kleine Rollen, aber große Schauspieler für mich, die das gespielt haben, wo ich sagen würde, merkt man nicht, dass das Schauspieler sind. Und das hat mir besonders Spaß gemacht.
Wellinski: War es eigentlich eine bewusste Entscheidung zu sagen, wir greifen auch auf Crowdfunding zurück während des Projekts? Oder war einfach ein Moment gekommen, wir müssen es machen?

Eine Komödie mit Ecken und Kanten

Burg: Weil es vielleicht auch die Sender nicht finanziert haben oder die Förderung oder …
Stahlberg: Ja, genau, wir wollten diesen Förderweg nicht gehen, weil wir wussten, dass es ein sehr schwieriges Thema sein kann, so wie wir das erzählen wollen. Und ich glaube, der "Fikkefuchs", wenn der irgendwie rundgelutscht wird, dann bleibt nichts übrig. Soll heißen, der muss Kanten haben, wo man sagt, da wird der eine vielleicht noch lachen und der andere hört gerade auf. Und deswegen ist es kein Common-Sense-Film, wo ich sagen würde, das ist jetzt für alle immer gleich zu verstehen oder zu … Wie gesagt, jeder hat seine Geschichte und seine Sensibilität, deswegen wollten wir auf keinen Fall es allen recht machen und deswegen mit den Sendern und so weiter. Und ohne, wie gesagt, Wolfram Fleischhauer, der das Geld ursprünglich erst mal reingegeben hat, hätten wir gar nicht angefangen. Und dann haben wir halt gemerkt, es täte uns doch gut, weil wir ein Minibudget haben, es etwas halt aufzustocken, wenn es geht. Und dann hatten wir halt Glück, dass im Crowdfunding Gelder kamen, nicht viel, aber so viel, dass wir halt drehen konnten, und darum ging es ja.
Stahlberg: Sie arbeiten hin und wieder als Drehbuchautor, unter anderem auch bei einem anderen sehr komischen Film, "Muxmäuschenstill", wo ich dachte, es ist irgendwie so in Teilen ähnlich angelehnt insofern, dass ein ähnlich gescheiterter Mann wie Rocky versucht, seine Ideale durchzusetzen, und dann gezielt Jagd auf Temposünder macht, aber irgendwann so ein bisschen außer Kontrolle gerät und übers Ziel hinausschießt. Beide, finde ich, Rocky und Mux, treffen im Kern immer wieder das Wahre, aber sind eben auch extrem und in ihrer extremen Art fast so ein bisschen soziopathisch. Als Drehbuchautor, was ist für Sie der Reiz dabei, die Welt durch die Augen eines Soziopathen zu sehen?
Stahlberg: Ich finde, es gibt nichts Schwierigeres als etwas zu erzählen, was einem ernst ist, und das zu tun mit einer Hauptfigur, die recht hat. Denn dann bin ich sofort im Land der moralinsauren Flüsse, wo ich sofort merke: Alles klar, ich soll das und das mitnehmen und der hat ja total recht und so weiter. Und ich glaube, die Auseinandersetzung für mich kann erst dann stattfinden, wenn der Hauptdarsteller – und in diesem Falle haben wir zwei Hauptdarsteller – leicht gegen die Schippe gelaufen ist. Weil klar, man sieht halt den Menschen dahinter und sagt, okay, er ist irgendwo schwierig als normaler Identifikationsfaktor. Es ist nicht das klassische Kino. Aber ich glaube, es macht es deswegen möglich, über Dinge zu sprechen, die man ernst meint, weil ich mich mit der Figur gar nicht a priori jetzt erst mal sofort identifizieren muss, sondern merke, okay, der hat wirklich einen Knall. Aber dann merke ich, aber er sagt Sachen oder er tut Sachen, die ich irgendwie doch richtig finde. Und dann wird es halt spannend, weil ich meine eigene Haltung zu dem Charakter finden muss. Und das, finde ich, ist die Wurzel von Humor. Sonst wird es für mich sehr schnell langweilig.
Burg: Jan Henrik Stahlberg, Drehbuchautor, Regisseur und Darsteller bei "Fikkefuchs". Der Film kommt am Donnerstag in die Kinos.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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