Jan Haft und Prof. Dr. Josef H. Reichholf

Die Deutschen und die Natur

Weckt Beschützerinstinkte: Ein Baßtölpel brütet auf einem Nest.
Weckt Beschützerinstinkte: Ein Baßtölpel brütet auf einem Nest. © dpa/picture alliance/Hinrich Bäsemann
19.07.2014
Die Deutschen sind sehr engagiert, wenn es um den Naturschutz geht. Aber ist gut gemeint auch gut gemacht? "Schützt die Natur vor den Naturschützern!", fordert der Zoologe Josef H. Reichholf. Die Natur werde romantisiert, kritisiert der Naturfilmer Jan Haft. Diskutieren Sie mit!
Die Deutschen sind sehr naturverbunden, das beweist auch die nunmehr dritte Studie "Naturbewusstsein 2013" des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Fast jeder zweite Deutsche wünscht sich ihr zufolge mehr Wildnis in Deutschland, nur 36 Prozent sind der Meinung, dass ein Wald "ordentlich" aussehen sollte. Zu wild sollte die Natur allerdings auch wieder nicht sein: Lediglich 44 Prozent sind der Meinung, dass sich Wölfe hierzulande weiter verbreiten sollten. Die Deutschen sind auch äußerst engagiert, wenn es um den Schutz der Natur geht, aber ist gut gemeint auch gut gemacht?
Attacke auf Denkfehler
"Unser Verhältnis zur Natur ist scheinheilig", sagt der Zoologe und Evolutionsbiologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf. "Sowohl in der Gesellschaft, was die Gesetze und Normen anbetrifft, aber auch persönlich, wenn es darum geht, sich von irgendwelchen Verpflichtungen auszunehmen. Wer einen alten Baum im Garten hat, neigt dazu, ihn raushaben zu wollen. Natürlich wollen wir den deutschen Wald schützen, der soll nicht sterben. Aber die Waldbesitzer holen den größten Profit heraus."
Reichholf, der bis April 2010 Leiter der Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung München und Professor für Ökologie und Naturschutz an der TU München war, gehört zu den bekanntesten deutschen Artenschutzexperten. Er gilt aber auch als Querdenker und Enfant terrible der Umwelt- und Naturschutzbewegung, weil er liebgewordene Vorurteile und Denkfehler attackiert.
"Schützt die Natur vor den Naturschützern!", überschrieb er einen seiner zornigen Artikel. "Der Naturschutz hält die Menschen fern. Soll also der Naturschutz außer Kraft gesetzt werden? Ganz gewiss nicht, denn die Erhaltung schöner Landschaften, naturnaher Biotope und einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt ist vielen Menschen ein Anliegen. Das muss gefördert werden."
Der Naturschutz bewirke aber oft leider das Gegenteil. Ein geradezu aberwitziges Beispiel seien die strengen Auflagen für Lehrer, wenn sie ihren Schülern zum Beispiel zeigen wollen, wie aus Froschlaich Frösche werden. "Aber wie soll man Schmetterlingsforscher werden, ohne Schmetterlinge zu sammeln?"
Von der Natur entfremdet
"Wir Menschen haben uns mehr und mehr von der Natur entfremdet, sie wird immer mehr romantisiert", sagt Jan Haft, einer der bekanntesten Naturfilmer Deutschlands. Seine Produktionen werden regelmäßig auf Filmfestivals ausgezeichnet, im April erhielt der Filmer den "Deutschen Diversitätspreis" der Heinz Sielmann Stiftung. Seine Erfahrung: "Die Leute kennen den Wald, die Wiese und den Bach, aber sie wissen oft nicht, was darin lebt."
Genau diese heimische Vielfalt will er mit seinen Filmen zeigen. "Das ist leider in den Köpfen zementiert: die Leute buchen zwei Wochen Kenia mit Safari, dabei bietet auch unsere Natur eine ungemeine Vielfalt. Schon eine alte Eiche bietet wilde Natur: Hier siedeln Hirschkäfer, seltene Pilze, nachts kommen Kauze."
Die Sendung zum Nachhören, 1. Stunde von 9 bis 10 Uhr
Die Sendung zum Nachhören, 2. Stunde von 10 bis 11 Uhr
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