Iwo Amelung zu Chinas Sozialkredit-System

"Der feuchte Traum des totalitären Herrschers"

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang (05.03.17) bei Eröffnung der Jahrestagung des Volkskongresses in der Großen Halle des Volkes in Peking
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang bei Eröffnung der Jahrestagung des Volkskongresses 2017. © dpa picture alliance / Ng Han Guan / AP
Moderation: Andre Zantow · 05.09.2017
Wenn alle Datenbanken in China zusammengeführt sind, sei Kritik an der regierenden Kommunistischen Partei kaum noch möglich, sagt Sinologe Iwo Amelung über das Sozialkredit-System. Von 2020 an soll jegliches Verhalten der Bürger dort erfasst und bewertet werden.
Iwo Amelung ist Professor am Zentrum für Ostasienstudien der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Der Sinologe würde seinen Studierenden Chinas Sozialkredit-System politisch erklären: Historisch lasse sich der Wunsch von Staatspräsident Xi Jinping nach der "harmonischen Gesellschaft" nicht herleiten.

Chinesen gehen sorglos mit Daten um

Die Bürger würden die vollständige Erfassung ihrer Daten hinnehmen, weil sie sowieso davon ausgehen, dass "der Staat bestens informiert ist". Da sei eine gewisse Resignation.
Trotzdem bleibe es schwer zu verstehen, dass viele Chinesen mit Apps wie "WeChat" praktisch alles machen und somit auch ihr ganzes Leben diesem Programm anvertrauen. So liefere zum Beispiel das Mieten von Leihrädern, die es in vielen Städten nun gebe, genaue personenbezogene Daten über die Bewegungen der Personen. Das ist im Ganzen der "wet dream des totalitären Herrschers", sagt Iwo Amelung.
"Ich bin selbst überrascht, dass das so gut funktioniert." Das laufe völlig anders, als man vor 20 Jahren dachte, als man China auf dem Weg in eine Zivilgesellschaft sah, gibt der Sinologe zu bedenken.
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