Ivan Nagel im Gespräch

"Ich gehörte zu drei Minderheiten"

54:41 Minuten
Ivan Nagel mit Zigarette in der Hand
Kurz vor seinem Tod am Ostermontag 2012 erzählte Ivan Nagel erstmals ausführlich aus seinem Leben. © picture-alliance / akg-images
Moderation: Wolfgang Hagen und Jens Malte Fischer · 27.02.2022
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Manche Leben sind nicht nur als Einzelschicksal unverwechselbar, sondern auch, weil sie eng verwoben sind mit der Kulturgeschichte einer ganzen Epoche. Solch ein Leben führte Ivan Nagel: Intendant, Autor, Kritiker, Jude, Staatenloser, Homosexueller.
Ivan Nagel erzählte kurz vor seinem Tod am Ostermontag 2012 Wolfgang Hagen (Deutschlandradio Kultur, heute: Deutschlandfunk Kultur) Jens Malte Fischer (Ludwig-Maximilians-Universität München) erstmals ausführlich aus seinem Leben. Es entstand eine Autobiografie in sechs Gesprächen. Nach und nach wird in diesen sechs Stunden eine intellektuelle Physiognomie und die Kulturgeschichte des späten 20. Jahrhunderts erkennbar – durch Nagels Erlebnisse, Gedanken und Geschichten.

Jude, Staatenloser, Homosexueller

Der vielfach Begabte erzählt, wie er als Jugendlicher Judenverfolgung und Holocaust überlebte. Wie er 1944 Wilhelm Furtwänglers Aufführung von Beethovens „Fünfter“ besuchte, kurz vor dem Einmarsch der Deutschen in Ungarn. Nagel erzählt auch von den Bedingungen, unter denen er seine Homosexualität in den 50er-Jahren leben musste - dieses vierte Gespräch trägt den Titel "Ich gehörte zu drei Minderheiten: als Jude, als Staatenloser und als Homosexueller".

Der Mensch als lernendes Wesen

Ivan Nagel überlegt, warum die größten männlichen Menschenkenner – Leonardo da Vinci, Michelangelo, Shakespeare – Männer liebten. Und natürlich erzählt er von seiner Zeit am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und davon, wie sich die zerklüftete Berliner Bühnenlandschaft nach 1989 neu ordnen ließ. Nicht zuletzt denkt er darüber nach, dass der Mensch vor allem ein lernendes Wesen ist.
Eine Wiederholung vom 8.4.2012 aus Anlass des Todes von Wolfgang Hagen, langjähriger Kulturchef von Deutschlandfunk Kultur.

Die anderen Teile des Gesprächs

Teil 1/6
Im ersten Teil erzählt Ivan Nagel unter anderem davon, wie der Dirigent Wilhelm Furtwängler Beethovens fünfte Symphonie in Ungarn aufführte: und zwar 1944, in unmittelbarem Zusammenhang zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ungarn.
Teil 2/6
Im zweiten Teil erläutert Nagel, warum ihm die Musik eigentlich näher steht als Theater oder bildende Kunst.
Teil 3/6
Im dritten Teil schildert Ivan Nagel seine intellektuellen Anfänge: Lektüren von Walter Benjamin und Carl Schmitt, Ernst Bloch und Georg Lukács, Beziehungen mit Peter Szondi, Reinhart Koselleck und Theodor W. Adorno.
Teil 4/6
Im vierten Teil geht unter anderem um die Frage, warum die größten Menschenkenner – Leonardo da Vinci, Michelangelo, Shakespeare – ausgerechnet Männer liebten.
Teil 5/6
Im fünften Teil erläutert Nagel seine These, dass der „Homo sapiens“ gar nicht existiert, sondern als „Homo discens“ aus dem Lernen nicht herauskommt.
Teil 6/6
Im letzten Teil schildert Ivan Nagel, wie sich nach dem Mauerfall 1989 die Bühnenlandschaft in Deutschland neu ordnen musste.
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