Israelische Autoren und Trumps Nahost-Politik

Nichts wie weg!

Lizzie Doron, aufgenommen am 12.10.2011 auf der 63. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main.
Die israelische Autorin Lizzie Doron sitzt sozusagen auf gepackten Koffern, weil ihre Bücher in ihrer Heimat nicht mehr veröffentlicht werden. © picture-alliance / dpa / Uwe Zucchi
Von Sabine Adler · 04.02.2017
Der Machtwechsel in den USA hat Auswirkungen auf Israel: Dass mit Donald Trump ausgerechnet die Hardliner Rückenwind bekommen, ist für drei Autoren des Landes bitter. Dorit Rabinyan und Lizzie Doron hadern gewaltig mit ihrer Heimat - und Assaf Gavron will manchmal nur noch weg.
"Wir wissen alle, dass Trump meschugge, verrückt ist."
So wie der 26-jährige Jonathan Shay denken viele Israelis über den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump.
"Wir wissen, dass er pro Israel steht. Also wenn er fünf oder zehn Prozent verwirklichen würde von dem, was er gesagt hat, das wäre für uns ein Traum."
Die israelische Regierung registriert jede Geste des neuen Mannes im Weißen Haus genau. Sie hofft auf Rückendeckung für ihre Siedlungspolitik, auf die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt, darauf, dass der neue US-Botschafter David Friedman nicht nach Tel Aviv sondern nach Jerusalem zieht. Eine Mehrheit der Israelis hat vier Mal in Folge Benjamin Netanjahus Likud und andere rechtsgerichtete Parteien gewählt, insofern geben Israels Schriftsteller nicht unbedingt Volkes Stimme wieder.

Hadern mit der Heimat

Die Autorinnen Dorit Rabinyan und Lizzie Doron hadern derzeit gewaltig mit ihrer Heimat. Ihr Kollege Assaf Gavron will manchmal nur noch weg:
"Wenn ich kann, verlasse ich Israel von Zeit zu Zeit. Diese Intensität hier ist auf Dauer unerträglich. Es gibt einfach Dinge, die ich nicht mag: die Politik, die Okkupation, die Regierung, die schon fast zehn Jahre an der Macht ist. Die Gesetze, die sie verabschiedet, die Okkupation machen mich krank."
Assaf Gavron , aufgenommen am 09.10.2010 auf der 62. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main.
Der Autor Assaf Gavron verlässt, wenn er kann, regelmäßig seine israelische Heimat.© picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Für den Sachbuch- und Krimi-Autor Assaf Gavron bewegt sich mit dem neuen US-Präsidenten Trump alles weiter in die verkehrte Richtung:
"Er ist gegen Araber, gegen Palästinenser, er ist ein Rassist, der Bibi Netanjahu mag. Er steht der jetzigen Regierung nahe. Ich kann nicht sehen, wie sich etwas ändern soll."

Keinen Verlag in Israel gefunden

Lizzie Doron, deren Mutter den Holocaust überlebt hat, wird in Israel für die Bücher über ihre Familiengeschichte geliebt. Ihr Roman "Who the Fuck is Kafka" brachte ihr dagegen unter ihren Landsleuten hauptsächlich Schelte ein, was sie vor allem auf das politische Klima zurückführt:
"Es gibt derzeit Führer, dazu gehören Erdogan, Putin und es tut mir leid das zu sagen auch Benjamin Netanjahu und jetzt Trump, die die dunkle Seite in den Menschen ansprechen, die den Menschen suggerieren, sie können jemand anders den Kopf unter Wasser drücken."
Für "Who the Fuck is Kafka?" fand Lizzie Doron keinen Verlag in Israel, genauso wenig wie für das neue Buch "Sweet Occupation", das in Kürze erscheint. Sie prophezeit, dass sich die Fronten in Israel mit Trump als neuem Verbündeten der Netanjahu-Regierung noch weiter verhärten werden, weil beide Politiker auf Feindbilder setzen:
"Ich habe den Holocaust immer im Hinterkopf. Wenn ich einen verrückten Führer sehe,halte ich mich fern. Der Mensch braucht offenbar ein Hassobjekt. Das liegt offenbar tief in unserer Natur. Darüber definiert sich der Mensch, grenzt er sich ab. Er braucht einen Feind, einen Teufel."

Öffentliche Lektürewarnung

Dorit Rabinyan hat am eigenen Leib zu spüren bekommen, was es heißt, plötzlich zum Freiwild zu werden. Ihr Roman "Wir sehen uns am Meer" beschreibt die Liebe einer Israelin zu einem Palästinenser als eine unmögliche Beziehung, was den Chef der Siedlerpartei Naftali Bennet nicht davon abhielt, öffentlich vor ihrem Buch zu warnen. Die Erfolgsautorin erfuhr viel Solidarität von ihren Schriftstellerkollegen auch von der Lehrer-Gewerkschaft, die sich von dem Erziehungsminister nicht vorschreiben lassen wollte, welche Bücher im Literatur-Unterricht besprochen werden und welche nicht. Dass mit Donald Trump ausgerechnet die Hardliner Rückenwind bekommen, ist für sie bitter:
"Dass Trump der neue Präsident der USA werden konnte, ist das schlimmste Beispiel für jeden jungen Menschen, der nun sieht, dass die Führung der freien Welt von einem Clown übernommen wurde. Dass jemand so oberflächlich ist, täuscht und damit auch noch Erfolg hat."
Die israelische Schriftstellerin Dorit Rabinyan während eines Fotoshootings in Rom.
Die israelische Schriftstellerin Dorit Rabinyan leidet unter eine Lesewarnung der Siedlerpartei.© imago stock&people
Alle drei ziehen unterschiedliche Konsequenzen nach der US-Wahl, die ihr Land stark beeinflussen wird. Assaf Gavron schreibt in einem Essay-Band gegen die Okkupation an. Er hat das Video-Spiel "Peace-Maker" mitentwickelt und in einem Fußballbuch gezeigt, wie sehr der Nahostkonflikt die Gesellschaft durchdringt.
"Ich beschreibe die Auswirkungen der Okkupation auf die Fußball-Mannschaften, wenn Spieler mitten in der Nacht inhaftiert werden. Wenn sich Mannschaften nicht von A nach B bewegen können, wenn Soldaten Tränengas in ein Stadion schießen, also alles normale Okkupationsgeschichten, die sich hier ebenso auf den Fußball auswirken."

Die Koffer sind quasi gepackt

Auch Dorit Rabinyan arbeitet an einem Sachbuch, ihr ist die Lust auf Fiktion vergangen, sie verlangt es in dieser Trump-Zeit nach echten, nicht alternativen Fakten. Und Lizzie Doron sitzt auf quasi gepackten Koffern, weil ihre Bücher in Israel nicht mehr veröffentlicht werden:
"Wenn dieses Töten von Juden durch Juden oder Palästinenser hier weiter geht, bin ich raus aus dieser Nummer. Israel hat mich gelehrt, nationalistische, religiöse Gefühle zurückzuschrauben. Was mich frei macht! Ich kann meinen Rucksack, meinen Pass, mein Laptop, mein Telefon und eine Kreditkarte schnappen und bin wieder der wandernde Jude, denn hier läuft einiges sehr falsch."
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