ISAF-Mission

Der hohe Preis eines besseren Afghanistans

Der US-Kommandant der Nato-geführten Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF, General John F. Campbell (m.), salutiert während einer Zeremonie in der Hauptstadt Kabul, die das Ende des Kampfeinsatzes der ISAF markiert.
Der US-Kommandant der Nato-geführten Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF, General John F. Campbell (m.), salutiert während einer Zeremonie zum Ende des ISAF-Kampfeinsatzes am Hindukusch. © imago / Xinhua
Von Rolf Clement · 28.12.2014
Der Afghanistan-Einsatz ist der längste Einsatz der Bundeswehr, und es ist der Einsatz, der die meisten Opfer gekostet hat. Seitdem hat sich am Hindukusch viel zum Positiven verändert, meint Rolf Clement. Allein die Politik müsse sich Rechenschaft darüber ablegen, ob das die Toten und Verletzten in den Armeen rechtfertige.
Es ist der längste Einsatz der Bundeswehr, und es ist der Einsatz, der die meisten Opfer gekostet hat. Soldaten sind gefallen, viele sind schwer verletzt worden, zahlreiche kamen traumatisiert wieder. Diese persönlichen Schicksale wiegen schwer. Sie zeigen, wie hoch die Verantwortung der Politiker ist, die die Soldaten in solche Missionen schicken. Die Dimensionen dieses Einsatzes hat 2001, als er begann, keiner abgesehen.
Damals ging es darum, nach den Anschlägen von New York und Washington deutlich zu machen, dass die Welt zusammensteht gegen die El Kaida, die diese Angriffe geplant und ausgeführt hat. Es galt überall als Angriff auf die westliche Welt. Dass dies in Afghanistan geplant wurde, war schnell erkennbar. Die Täter wurden nicht ausgeliefert, sondern durch das Taliban-Regime gedeckt, das zudem das afghanische Volk massiv unterdrückt hat.
Militärische Mittel allein lösen keine Probleme
Sowohl in der Dauer der Mission wie in der Tiefe der Probleme haben sich die Politiker der westlichen Welt massiv verschätzt. Der Kampf gegen die Taliban und die El Kaida begann weltweit mit dieser Auseinandersetzung. Schnell hat man erkannt, dass militärische Mittel einen Beitrag zu diesem Kampf leisten können, dass solche Terrorgruppen aber nicht nur mit militärischen Mitteln bekämpft werden können. Die Bilanz heute liegt auf der Hand: Die El Kaida spielt keine wesentliche Rolle mehr, aber andere islamistische Terrorgruppen bedrohen immer noch die internationale Sicherheit. Die Überzeugung, dass militärische Mittel allein keine Problemlösungen bringen können, hat sich auch durch die Afghanistan-Mission mittlerweile weltweit durchgesetzt.
In Afghanistan wurde schnell klar, dass der dortige Staat wieder aufgebaut werden musste. Da brauchte man auch Wirtschaftsfachleute, Administrationsexperten, Polizei, es musste Infrastruktur geschaffen, ein neues Bildungssystem aufgebaut werden. Im Vergleich zu 2001 hat sich im Land am Hindukusch immens viel zum Positiven verändert, gerade in den genannten Bereichen. Die Sicherheitsverantwortung geht seit einigen Jahren Schritt für Schritt auf die afghanischen Sicherheitskräfte über. In den knapp 13 Jahren des Einsatzes gab es auch Hochs und Tiefs, das ist klar. Wer sich heute in Afghanistan bewegt, muss mehr auf seine Sicherheit achten als noch vor zwei Jahren. Aber im Prinzip haben die afghanischen Sicherheitskräfte das Land im Griff.
Die soziale Wirklichkeit verursacht Konflikte
Da wird sich zunächst nicht viel ändern, weil der Zustand der reinen Unterstützungsmission in den letzten Jahren schon eingenommen worden ist. Dort, wo Anschläge verübt werden, werden die Sicherheitskräfte ausgetestet. Sie sind Ziel der Anschläge. Aber das Land braucht noch Hilfe, vor allem in den nichtmilitärischen Bereichen. Die nunmehr unumstrittene Erkenntnis, dass Soldaten nur dann erfolgreich sein können, wenn ihre Bemühungen von zivilen Anstrengungen begleitet werden, hat weltweit zu massiven Veränderungen geführt.
Die Rolle der Streitkräfte wird heute anderes definiert, eben im Sinne eines Elements für Problemlösungen. Immer deutlicher wird, dass die Ursache für Konflikte in der sozialen Wirklichkeit in vielen Teilen der Welt liegt. Und da bedarf es mehr als nur Soldaten. Das hat auf die Konzeption von Streitkräften ebenso große Auswirkungen gehabt wie auch auf deren Aufstellung.
Der Einsatz in Afghanistan ist umstritten, aber wer die Messlatte 2001 anlegt, wird erkennen müssen, dass sich vieles zum Positiven verändert hat. Das Glas ist mindestens halbvoll, nicht halbleer. Die Politiker müssen sich Rechenschaft darüber ablegen, ob das den hohen Preis, den die dort eingesetzten Armeen zahlen mussten, rechtfertigt.
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