Isabelle Huppert

Ein Gesicht und unendlich viele Ausdrucksformen

"Untitled" von Oda Jaune. Anlässlich des Gallery Weekends Berlin 2017 zeigt die Michael Fuchs Galerie die Ausstellung ”Behind the Screen” zu Ehren der französischen Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert
"Untitled" von Oda Jaune. Anlässlich des Gallery Weekends Berlin 2017 zeigt die Michael Fuchs Galerie die Ausstellung ”Behind the Screen” zu Ehren der französischen Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert © Promo
Moderation: Ute Welty · 29.04.2017
Im Gesicht einer jeden Schauspielerin gebe es eine ganz eigene, persönliche Wahrheit, sagt Isabelle Huppert und beschreibt ihre Liebe zur Fotografie. Beim Berliner Gallery Weekend widmet sich eine Ausstellung dem französischen Filmstar.
Das Berliner Gallery Weekend hat einen Stargast: Die französische Schauspielerin Isabelle Huppert. "Behind the screen – An Art Tribute to Isabelle Huppert" lautet der Titel einer Ausstellung in der Galerie Michael Fuchs, zu deren Eröffnung sie sich in Berlin aufhielt.
Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur sprach Isabelle Huppert über ihre Liebe zur Fotografie. Aus ihrer Sicht als Schauspielerin gebe es klare Unterschiede zwischen dem Medium Fotografie und dem Medium Film. Letzterer erlaube den "größeren Zugang zur Nacktheit" eines Gesichts", so Huppert:
"Das Foto hat natürlich die Tendenz, das Gesicht oder den Ausdruck des Gesichts zu verschleiern. Es gibt Fotografen, die das überhaupt nicht suchen, sie vermeiden es vielleicht sogar eher. Aber es gibt einen Hang dazu, das Gesicht einer Schauspielerin zu idealisieren. Es gibt so etwas wie den klassischen Ausdruck, der auch wieder kehrt. Das Kino geht da andere Wege."

Jedes Gesicht hat eine eigene, persönliche Wahrheit

Sie suche bei ihrer Arbeit auf gar keinen Fall nach einem ganz bestimmten Gesichtsausdruck, beschrieb Huppert ihren künstlerischen Anspruch. Als Schauspielerin erprobe man eine unendliche Zahl von Ausdrucksformen. Es gehöre zur menschlichen Natur, sich selbst in der Vielschichtigkeit des Wesens zu erforschen:
"Es geht auch um Authentizität und Wahrheit. Es gibt Schauspielerinnen, die an ihren Image gearbeitet haben, denken Sie zum Beispiel an Marlene Dietrich und Marilyn Monroe. Und trotzdem gibt es da diese eigene, persönliche Wahrheit, die immer durchschimmert. Und man erkennt sie so, wie sie sind."
Prints von Roni Horn, die die Michael Fuchs Galerie in der Ausstellung ”Behind the Screen” anlässlich des Gallery Weekends Berlin 2017 zu Ehren der französischen Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert zeigt
Prints des Fotografen Roni Horn mit 100 Portraits von Isabelle Huppert in der Ausstellung "Behind the Screen"© Promo

Zusammenarbeit mit Roni Horn war "etwas Besonderes"

In der Ausstellung "Behind the Screen" sind neben Fotografien auch Zeichnungen, Aquarelle und Videoinstallationen zu sehen. Zentraler Teil ist Roni Horns Fotoserie "Portrait of an Image" – es sind 100 Portraitfotos einer nur leicht geschminkten Schauspielerin. Die Zusammenarbeit mit Roni Horn sei etwas ganz Besonderes gewesen, meint Huppert. Er habe einen ganz eigenen Kosmos erschaffen:
"Es gibt etwas Obsessionelles in seiner Arbeit. Ich glaube, das hat mich besonders angezogen. Wie Philip Glass in der Musik arbeitet Horn mit Wiederholungen, mit Serien. Und er hat mir einfach Zeit gelassen, verschiedene Gesichtsausdrücke zu probieren, Zeit gelassen, sie zu finden- Ausdrücke, wie ich sie in verschiedenen Rollen gehabt habe. Er ist ein wirklich großer Künstler."

Befürchtungen vor der französischen Stichwahl

Huppert ging auch auf die bevorstehende Stichwahl der französischen Präsidentschaftswahl ein. Das Bild ihres Heimatlandes sehe derzeit so aus:
"Mein Land wird im Moment wirklich durchgeschüttelt. Wir warten jetzt auf den zweiten Wahlgang. Und ich kann nur sagen: mit Hoffnung, aber eben doch auch mit ziemlich großen Befürchtungen." (ue)

Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Ob als "Kameliendame", als "Madame Bovary" oder als Nonne, Isabelle Huppert hat in vielen Filmen ihr Können und ihr Gesicht gezeigt, zuletzt wurde sie für "Elle" für den Oscar nominiert, und wir alle haben ein Bild der französischen Schauspielerin im Kopf. Viele Bilder der Huppert sind jetzt in der Berliner Galerie Michael Fuchs zu sehen, denn die Auseinandersetzung mit dem Gesicht und der Person, die reizt offenbar nicht nur Regisseure, sondern auch Maler und Fotografen. Darunter auch Roni Horn, der eine ganze Serie von Huppert-Porträts angefertigt hat. Eindrucksvoll dokumentiert er damit die Ausdrucksfähigkeit der Französin. Ich habe zusammen mit Sigrid Brinkmann, die dankenswerterweise übersetzt hat, die Galerie, die Bilder und die Schauspielerin besucht.
Madame Huppert, bienvenue au "Studio 9"!
Isabelle Huppert: Bonjour!
Welty: Wir haben das Studio ja verlegt für dieses Interview in die Galerie Michael Fuchs, wir sind umgeben quasi von ganz vielen Bildern von Ihnen. Wie fühlt sich das an, dem eigenen Gesicht auf allen Wänden zu begegnen?
Huppert: Es ist nicht das erste Mal, dass ich diese Installation von Roni Horn sehe, zum ersten Mal war das in New York, das ist schon ein paar Jahre her, auch in einer großen Galerie. Ich hab sie danach immer wieder mal gesehen, stückweise oder in der Präsentation jetzt mit den 100 Fotografien in Lyon, aber auch in anderen Orten.
In diesen Räumen allerdings, in den Räumen der Galerie Fuchs, sehe ich sie zum ersten Mal, und ich finde, sie sind besonders gut präsentiert. Das sind diese sehr hohen Räume, und auf mich hat die Art der Hängung eine große Ausstrahlungskraft.
Die Schauspielerin Isabelle Anne Huppert ist durch den Spalt einer Tür zu sehen, eine Hand in schwarzem Handschuh öffnet die Tür
Die Schauspielerin Isabelle Anne Huppert im Film "Elle" von Paul Verhoeven © imago stock&people/Entertainment Pictures/ZUMAPRESS.com

Der Film und die Nacktheit eines Gesichts

Welty: "Behind the Screen" heißt diese Ausstellung, also der Blick hinter die Kulissen. Was drückt sich in diesen Arbeiten aus, was Sie normalerweise eher nicht zeigen?
Huppert: Oh ja, es gibt natürlich Unterschiede, aber generell kann ich erst mal sagen, der Film erlaubt natürlich den größeren Zugang zu der Nacktheit auch meines Gesichtes wie der Nacktheit überhaupt der Gesichter von Schauspielern, die fotografiert, die gefilmt werden.
Das Foto hat natürlich die Tendenz, das Gesicht und den Ausdruck des Gesichtes zu verschleiern. Es gibt Fotografen, die das überhaupt nicht suchen, sie vermeiden es vielleicht sogar eher, aber es gibt einen Hang dazu, das Gesicht – wenn man auch nichts als das Gesicht fotografiert einer Schauspielerin – es zu idealisieren. Es gibt so etwas wie den klassischen Ausdruck, der auch wiederkehrt. Das Kino geht da andere Wege, und ja, das, was wir hier sehen, und das, was man von mir zu sehen bekommt, ist auf den Fotos sehr viel seltener.
Welty: Das ist interessant, dass Sie das so beschreiben, denn es ist ja so, wenn Sie spielen, ist es ein flüchtiger Moment, und trotzdem sagen Sie, man hat eher die Nacktheit des Gesichtes, und wenn Sie für ein Foto posieren, dann wird genau dieser Moment ja festgehalten. Ist es dieser Gegensatz vielleicht auch, der Sie reizt?

Roni Horn schuf einen ganz eigenen, fremden Kosmos

Huppert: Es ist einfach wunderbar, mit den verschiedensten Menschen zu arbeiten. Schauspieler lieben es ja in der Regel, fotografiert zu werden und mit Roni Horn zu arbeiten, das ist schon etwas Besonderes, denn er schafft einen ganz eigenen, auch fremden Kosmos.
Es gibt etwas Obsessionelles in seiner Arbeit, und ich glaube, das hat mich besonders angezogen. Wie Philip Glass in der Musik arbeitet Horn mit Wiederholungen, mit Serien. Und er hat mir einfach Zeit gelassen, verschiedene Gesichtsausdrücke zu probieren, Zeit gelassen, sie zu finden, Ausdrücke, wie ich sie in verschiedenen Rollen gehabt habe. Er ist ein wirklich großer Künstler.
Welty: Können Sie nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die nicht gerne fotografiert werden?
Huppert: Ja, doch, es gibt die verschiedensten ethnischen Gruppen, die es einfach nicht zulassen würden, fotografiert zu werden. Und das kann ich gut verstehen. Das ist das Recht eines jeden.
Welty: Sie haben eben davon gesprochen, dass es so ein klassisches Moment gibt in jedem Gesicht. Was, würden Sie sagen, ist das klassische Moment bei Ihnen?
Huppert: Nein, einen bestimmten Ausdruck gibt es nicht und danach suche ich auch nicht. Schauspieler sind ja per se vielseitig und trotzdem immer dieselben, man bleibt sich schon auch gleich. Als Schauspieler oder Schauspielerin erprobt man eine letztlich unendliche Zahl von Ausdrucksformen. Und ich finde, es gehört einfach zur menschlichen Natur, dass wir überhaupt versuchen, uns zu erforschen, uns zu zeigen in unserer Vielschichtigkeit.
Es geht auch um Authentizität und Wahrheit. Es gibt Schauspielerinnen, die an ihrem Image gearbeitet haben, denken wir zum Beispiel an Marlene Dietrich oder Marilyn Monroe. Und trotzdem gibt es da diese eigene persönliche Wahrheit, die immer durchschimmert. Man erkennt sie so, wie sie sind.

"Ich achte die Subjektivität eines jeden Künstlers"

Welty: Wir haben in dieser Ausstellung Fotografien, wir haben Aquarelle, wir haben Zeichnungen, wir haben eine Videoinstallation – wo sehen Sie Ihr Gesicht besonders gut aufgehoben, in welcher Kunstform?
Huppert: Nein, ich sehe mich nicht durch den ein oder anderen Künstler besser repräsentiert. Außerdem achte ich die Subjektivität, den subjektiven einzigartigen Blick, den ein anderer auf mich wirft. Und ich finde es sehr schön, dass der Galerist Michael Fuchs diese Auswahl getroffen hat, das ermöglicht ja, die ganze Spannbreite zu entdecken, das interessiert mich selber.
Es gibt Künstler hier, die mit Sound gearbeitet haben oder auch mit dem Wort. Man hört zum Beispiel Stimmen, Auszüge aus Filmrollen, die ich gesprochen habe. Christian Jankowski setzt mich in Beziehung zu anderen Schauspielern, auch zu Plakaten – er hat mich am Montmartre aufgenommen. Und dann gibt es noch die Arbeiten von Marco Brambilla, die mich sehr beeindruckt haben wie viele andere auch hier – er hat Bilder von mir in eine kleine Box gesetzt.
"Isabelle Huppert - Alain Delon" von Christian Jankowski. Anlässlich des Gallery Weekends Berlin 2017 zeigt die Michael Fuchs Galerie die Ausstellung ”Behind the Screen” zu Ehren der französischen Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert
"Isabelle Huppert - Alain Delon" des Künstlers Christian Jankowski in der Galerie Michael Fuchs © Promo

Huppert als Kuratorin einer Robert-Mapplethorpe-Ausstellung

Welty: Madame Huppert, was macht Ihre Affinität zu Bildern überhaupt aus? Sie haben ja beispielsweise auch schon eine Robert-Mapplethorpe-Ausstellung kuratiert.
Huppert: Ich bin eine Amateurin, man kann das wortwörtlich nehmen. Im Wort steckt Liebe und es steckt das nicht Ausgebildete. Also ich habe eine Liebe zur Fotografie, aber wenig theoretische oder geschichtliche Kenntnis, was das Fach und die Entwicklung dieser Kunst angeht.
Man hatte mir vorgeschlagen, eine Arbeit zu Robert Mapplethorpe zu kuratieren – alle zwei Jahre findet das übrigens statt, auch andere Schauspieler beziehungsweise Regisseure so wie Sofia Coppola sind schon dazu eingeladen worden. Und ich habe bei der Sichtung des Werkes von Mapplethorpe Blumen entdeckt, Landschaften, Tiere, Kinder, alles Dinge, die ich nicht kannte.
ch hab da recherchiert, bin eigene Wege gegangen, und auch meine Sicht auf ihn hat sich verändert. Ich hab das wirklich mit einer gewissen Unschuld getan und mich mit einer gewissen Unschuld genähert, dem Werk dieses Fotografen.
Bilder von Christian Jankowski, die die Michael Fuchs Galerie in der Ausstellung ”Behind the Screen” anlässlich des Gallery Weekends Berlin 2017 zu Ehren der französischen Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert zeigt
Variationen auf Isabelle Huppert von Christian Jankowski © Promo

Hupperts Blick auf die Stichwahl in Frankreich

Welty: Und wenn Sie recherchieren und eigene Wege gehen in Hinsicht auf den Blick auf Ihr Heimatland, auf Frankreich zurzeit – die erste Runde der Präsidentschaftswahl ist eine knappe Woche her, die Stichwahl folgt in gut einer Woche –, welches Bild haben Sie zurzeit von Frankreich?
Huppert: Ja, das ist schon so, mein Land wird im Moment wirklich durchgeschüttelt. Wir warten jetzt auf den zweiten Wahlgang, und ich kann nur sagen mit Hoffnung, aber eben doch auch mit ziemlich großen Befürchtungen.
Welty: Isabelle Huppert, in der Berliner Galerie Michael Fuchs als Foto, als Gemälde und vor allen Dingen leibhaftig, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch! Merci beaucoup, madame!
Huppert: Merci! Danke schön!
Welty: Und die Ausstellung "Behind the Screen" läuft von heute an bis zum 15. Juni. An diesem Wochenende lohnt es sich besonders für Kunstinteressierte, durch Berlin zu laufen, denn es ist Gallery Weekend.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

"Behind the Screen – An Art Tribute to Isabelle Huppert"
Galerie Michael Fuchs Berlin
28. April bis 15. Juni 2017

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