Freiheit und Widerstand

Haare abschneiden als Körperpolitik

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Eine Frau hält sich ein Schere an eine Strähne ihres Haares - Solidaritätsgeste für die Proteste im Iran auf einer Demo in Washington.
Weltweit schnitten sich Menschen aus Solidarität mit den Protesten im Iran Haarsträhnen ab - hier eine Frau auf einer Demo in Washington. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Cliff Owen
Iris Därmann im Gespräch mit Vladimir Balzer · 17.11.2022
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Ob Hungerstreik oder abgeschnittene Haare - mit dem Körper werden politische Zeichen gesetzt. Die Philosophin Iris Därmann sieht darin auch eine poetische Dimension und fragt sich, ob wir so weit gehen würden wie die Protestierenden im Iran.
Im Iran verbrennen Frauen aus Protest gegen das Mullah-Regime ihre Kopftücher und schneiden sich die Haare ab. Die Geste des Haarabschneidens verbreitet sich als Zeichen der Solidarität weltweit - in Hamburg, Washington oder Bukarest. Bei der Verleihung des deutschen Buchpreises rasierte sich Kim de l'Horizon den Schädel.
Die Philosophin und Kulturtheoretikerin Iris Därmann spricht von Körperpolitik und erinnert an das Niederknien der Sportstars bei der Black-Lives-Matter-Bewegung. Im Iran sei es so, dass sich die Repressionen des Regimes explizit gegen den weiblichen Körper richten würden. So werde der Körper auch zum Mittel des Widerstands, teilweise des letzten und einzigen.

Dem Zugriff der Sittenpolizei entziehen

Neben dieser politischen Bedeutung der Geste, weist Därmann auch auf die ästhetische hin. Das Haareschneiden als Zeichen der Trauer gehe auf das persische Epos "Schahnameh" zurück: "Man kann hier von einer poetischen Dimension eines öffentlichen und zugleich passiven Widerstands sprechen, der sich gegen den eigenen Körper richtet und auf diese Weise den Versuch unternimmt, sich dem gewaltsamen Zugriff der Sittenpolizei zu entziehen."

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Auch erinnert Därmann an die Geschichte der Körperpolitik. Zur Zeit des transatlantischen Sklavenhandels sei sie besonders weit verbreitet gewesen. Der Hungerstreik sei als politisches Mittel etwa auf Sklavenschiffen von afrikanischen Frauen erfunden worden, "um sich dem Zugriff der rassistischen Gewalt zu entziehen".
Den Frauen und Männern im Iran, die die Proteste unterstützen, droht die Todesstrafe. Deshalb gehöre existenzieller Mut dazu, dort auf die Straße zu gehen. Ob wir hier im Westen den gleichen Mut aufbringen würden, wenn unsere Freiheit bedroht wäre? "Da steckt eben auch die herausfordernde Frage drin, ob wir bereit wären, es ihnen gleichzutun - diese Freiheitskämpfer zu unterstützen, mit allem, was wir haben."
(beb)
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