Irak

Zur HU in Suleimaniyah

Polizisten regeln den Verkehr in Bagdad
Mit dem Auto jedes Jahr zum TÜV: Diese Regelung gilt im irakischen Kurdistan seit 2006. © picture alliance / dpa / Mohammed Jalil
Von Kathrin Erdmann · 08.05.2014
Der irakische Kurde Karuan Galal lebte lange in Deutschland und zog vor acht Jahren wieder zurück in die Heimat. Der Automechaniker wollte dort etwas aufbauen, was er in Deutschland schätzen gelernt hatte: Einen echten Auto-TÜV.
"Wir stehen hier an einem TÜV-Stützpunkt in Kurdistan, in Suleimaniyah. Das ist die erste TÜV-Station, die in Kurdistan und im Irak gebaut wurde."
Die Sonnenbrille auf der Glatze, den Mantel offen über dem schwarz-weißen Anzug steht Karuan Galal vor seinem Lebenswerk in Suleimaniyah. Die TÜV-Station nach deutschem Vorbild. Die irakische Stadt hat rund eine Million Einwohner und liegt im Nordosten des Landes, nahe der iranischen Grenze.
Schon früh am Morgen reiht sich vor der offenen Werkshalle Auto an Auto. Mit Klemmbrett und Stift inspiziert ein Mitarbeiter den ersten Wagen in der Schlange.
"Der kontrolliert die vordere Beleuchtung, der kontrolliert die Scheibenwischer und die Windschutzscheibe, ob sie kaputt ist oder nicht."
Danach werden die Wagen in die Halle auf eine Hebebühne gefahren. Galals Männer untersuchen Unterboden und Bremsen.
"Das ist hier der zweite Teil der Prüfung. Er kommt hierher und prüft das Vorderrad mit der Bremse, ob sie in Ordnung ist. Und dann prüft er die Abgase und dann druckt er das Ergebnis, klemmt es mit dem Papier zusammen, und dann prüft er das Hinterrad und die Feststellbremse."
Jeder Mangel wird genau festgehalten. Der gelernte Automechaniker Karuan Galal hat dafür extra ein Formular entworfen:
"Da gibt es ein ganz offizielles Dokument, dass innerhalb von vier Wochen - genau wie in Deutschland - die ganzen Teile zu reparieren sind. Erst danach geben wir ihm das Dokument, das er für ein Jahr TÜV hat und auf der Straße fahren darf."
TÜV-Regelung gilt seit 2006
Jedes Jahr zum TÜV. Diese Regelung gibt es in Kurdistan seit 2006. Die technische Sicherheitskontrolle ist damit strenger als in Deutschland, wo Autos nur alles zwei Jahre überprüft werden. Eine Abgasuntersuchung wie die deutsche ASU hingegen gibt es wegen der schlechten Spritqualität nicht.
Der Fahrzeug-Check ist mit umgerechnet 20 bis 45 Euro - je nach Fahrzeugtyp - deutlich billiger als in Deutschland.
Ein junger Mann mit hellen Augen und Wuschelkopf ist jetzt an der Reihe. Er hat nichts gegen die Kontrolle:
"Natürlich finde ich eine solche TÜV-Prüfung im Grunde wichtig und richtig, solange alle gleich behandelt werden."
Ein Seitenhieb auf die überall grassierende Korruption, auch hier in Kurdistan. Dass der TÜV aus Deutschland "importiert" wurde, wundert ihn nicht:
"Eigentlich ist alles gut, was aus Deutschland kommt. Am besten, die Menschen ziehen dort weg, damit wir dort leben können."
Die Idee zum TÜV hatte der 42-jährige Karuan Galal, als er 2006 in den Irak zurückkehrte. Zuvor hatte er 14 Jahre in Norddeutschland als Automechaniker gearbeitet.
"Als ich in meine Heimat zurückkam, da habe ich ja gesehen, dass es sehr viele Autos und sehr viele schlechte Autos gibt und die damit Unfälle bauen. Also habe ich gedacht, dass es für den Irak sehr nützlich sein könnte."
Galals TÜV-Station ist die einzige in diesem Teil der autonomen Region. Für seinen 18-Mann-Betrieb hat er alle Geräte extra aus Deutschland importiert.
In einem kleinen Glaskasten am Rand der Werkshalle sitzt Hemen Eusman. Der 20-Jährige jobbt hier tagsüber, danach besucht er die Abendschule. Während er die festgestellten Mängel in den Computer tippt, erzählt er, dass er zwar einen Führerschein, aber kein Auto habe. Dafür reiche sein Verdienst von umgerechnet 500 Euro nicht.
"Ich habe zwar einen Führerschein aber leider kein Auto."
Zum TÜV fahren ist Männersache
Vor seinem Büro drängen sich an diesem Morgen nur Männer. Frauen dürfen zwar Auto fahren, aber zum TÜV? Da sei dann doch eher Männersache, sagt Hemen:
"Das liegt an unserer Gesellschaft, die Frauen werden hier nur als zweite Wahl betrachtet."
Direkt neben ihm sitzt Halkaut. Auf seinem Tisch stapeln sich Geldscheine. Denn: nur wer bezahlt hat, bekommt auch die drei notwendigen Stempel.
"Ärger? Richtigen Ärger haben wir eigentlich nicht, nur manchmal sind die Leute sauer, wenn sie wegen Problemen die Papiere später erhalten."
Dann wollen sie meistens gleich den Chef sprechen und stürmen das Büro von Karuan Galal im ersten Stock. So wie jetzt zwei Männer. Es kommt zum Wortgefecht.
"Die Teile, die wir aufgeschrieben haben, müssen eigentlich gewechselt werden, aber sie sagen, dass sie kein Geld haben und wollen das nicht wechseln."
Einer der Männer hängt an seiner alten Windschutzscheibe. Die hält doch normalerweise ein Leben lang, sagt er. Doch Galal bleibt hart. Die Plakette gibt's erst, wenn alles repariert ist. Die Männer verlassen wütend das Büro. Nicht immer geht es so friedlich aus.
"Wenn sich jemand weiter aufregt oder nicht damit aufhört, sich aufzuregen, dann rufen wir in einem Polizeistützpunkt an und die sind in einer halben Minute hier."
Der TÜV Suleimaniyah ist videoüberwacht und zu seiner eigenen Sicherheit hat Karuan Galal meist noch eine Pistole dabei. In der autonomen kurdischen Region ist er inzwischen ein erfolgreicher Geschäftsmann und hat viele Neider. "Im Notfall muss ich mich schließlich verteidigen können", sagt er.
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