Irak-Krieg

"Waffen sind leider nötig"

Kurdischer Kämpfer im Irak
Erbil konnte nur mit Waffen verteidigt werden: Kurdischer Kämpfer am Maschinengewehr © afp / Safin Hamed
Heinrich Bedford-Strohm im Gespräch mit Nana Brink · 08.09.2014
Die Menschen, die vor den Kämpfern des IS nach Kurdistan fliehen, suchen vor allem Sicherheit, sagt Bischof Heinrich Bedford-Strohm. Deshalb sei es wichtig, dass die UNO eine entsprechende Sicherheitszone einrichtet, sagt der Bischof, der im nordirakischen Erbil Flüchtlinge getroffen hat.
Nana Brink: Die Kollegen in der Regie haben mächtig gekurbelt und nun haben wir doch noch eine Leitung ins kurdische Erbil hinbekommen! Dort erreichen wir Heinrich Bedford-Strohm, er ist evangelischer Landesbischof von Bayern und gerade im Kurdengebiet unterwegs, und zwar auch, um seine Glaubensbrüder zu treffen.
Es geht ja um die verfolgten religiösen Minderheiten im Irak, die vor den Angriffen der Terrorgruppe Islamischer Staat fliehen müssen, wenn es geht, natürlich auch in die kurdischen Gebiete. Und da ist Heinrich Bedford-Strohm. Einen schönen guten Morgen!
Heinrich Bedford-Strohm: Ja, guten Morgen, hallo!
Brink: Wen konnten Sie denn schon treffen?
Bedford-Strohm: Wir sind gestern hier angekommen in Erbil und wir haben zunächst einmal Bischöfe getroffen, haben einen Gottesdienst gefeiert in einem, man kann sagen, fast in einem Flüchtlingslager.
Denn die Menschen, die geflüchtet sind vor der IS, die sind eben untergekommen in Schulen, aber eben auch in vielen Kirchen. Und da war eine ganz volle Kirche mit ganz vielen Menschen, die Schreckliches erlebt haben, aber die eben da zusammen Gottesdienst gefeiert haben mit voller Inbrunst, die sich einfach sehr gefreut haben, dass wir dabei waren, dass wir als Gäste dabei waren, als Brüder und Schwestern, sagen wir in der Kirche.
Und insofern war es für uns auch eine sehr bewegende Erfahrung. Wir haben dann die Geschichten der Flüchtlinge gehört, auch das, was sie uns mit auf den Weg gegeben haben. Jetzt sind wir unterwegs von Erbil nach Dohuk, sind gerade an einer Kreuzung gewesen und da hat unser Fahrer gesagt, wenn wir hier jetzt weiterfahren, sind wir in ein paar Kilometern an der Front, wo die IS sich befindet. Wir sind aber rechts abgebogen und fahren jetzt nach Dohuk, wo 600.000 Menschen als Flüchtlinge in der Region hingekommen sind.
Das sind natürlich ganz schwere Bedingungen und ich bewundere die Christen, die Kirchenmenschen, die sich hier um diese Leute kümmern, auch die UNO, die wirklich Großes leistet, um das Nötigste für diese Menschen zur Verfügung zu stellen.
Brink: Was erzählen denn – Sie haben es ja schon erwähnt, dass Sie sie getroffen haben in einem Flüchtlingslager, heute werden Sie wieder in eines fahren –, was erzählen Ihnen diese Menschen von ihrer Verfolgung?
Bedford-Strohm: Wir haben gestern gesprochen mit den Menschen, die aus Mossul geflohen sind, wir haben mit dem Bischof von Mossul, der selbst sozusagen als Flüchtling jetzt nach Erbil gekommen ist, gesprochen. Und da wird natürlich übereinstimmend berichtet, dass die Menschen, die in die Hände der IS fallen, natürlich vom Tod bedroht sind, wenn sie nicht zum Islam übertreten, dann müssen sie mit dem Tod rechnen.
In Erbil sind die Flüchtlinge in Sicherheit
Die Menschen, die wir getroffen haben, haben davon gehört, sind geflohen und sind jetzt in Sicherheit. In Erbil sind sie wirklich in Sicherheit. Aber es ist ganz klar, dass alles getan werden muss, um die Menschen hier zu schützen vor der IS. Wir haben ja auch in den deutschen Zeitungen in den Berichten all die Gräueltaten gehört, das ist natürlich genau das, was auch hier berichtet wird.
Brink: Nun ist die evangelische Kirche ja schon seit Jahren dort tätig, die Verfolgung der Christen im Irak ist ja auch keine Neuigkeit wirklich, jetzt in dieser Brisanz natürlich selbstverständlich durch den Terror der IS. Wie sieht Ihre Arbeit aus, was können Sie tun?
Bedford-Strohm: Wir sind in der Tat gerade als bayrische Landeskirche da schon lange aktiv, auch die Diakonie Katastrophenhilfe ist hier in der humanitären Unterstützung ja intensiv aktiv. Als Landeskirche haben wir vor Jahren schon hier ein Trauma-Zentrum mit aufgebaut, weil es natürlich schon lange Flüchtlinge gibt.
Einige mussten bereits drei oder vier Mal fliehen
Die Flüchtlinge gestern Abend haben uns erzählt zum Teil von drei, vier Fluchterfahrungen, die sie schon gemacht haben, und deswegen fühlen sie sich eben auch nicht mehr sicher. Und viele von diesen Menschen haben einfach traumatische Erfahrungen gemacht, gerade auch Kinder. Und damit umzugehen, dafür gibt es keinen Ort. Und deswegen haben wir als Landeskirche da ein Trauma-Zentrum aufgebaut mit Menschen hier aus der Region, die sich einfach um Leute kümmern, die ihre schlimmen Erfahrungen da irgendwie verarbeiten können.
Und insofern ist es natürlich nur eine kleine Sache, aber es ist für viele Menschen, glaube ich, etwas ganz Wichtiges. Wir unterstützen Flüchtlingscamps, und diese lang gewachsenen Verbindungen auch eben über die Flüchtlingscamps, wo ja syrische Flüchtlinge auch hierhergekommen sind, die gedacht haben, sie sind hier sicher, und jetzt eben ein zweites Mal der Verfolgung ausgesetzt sind, wieder flüchten müssen ...
Also, durch diese engen Verbindungen ist ja auch in gewisser Weise dieser Hilferuf entstanden, warum ich jetzt hier runtergefahren bin, einfach um zu zeigen, wir denken an euch, wir vergessen euch nicht, wir beten für euch und wir tun alles, was wir können, um auch die notwendige humanitäre Unterstützung zur Verfügung zu stellen, aber auch, um an die Politik heranzutreten und dafür zu streiten, dass hier wirklich die Menschen endlich geschützt werden.
Brink: An die Politik herantreten – wie treten Sie heran an die Politik, wenn Sie wieder in Deutschland sind?
Bedford-Strohm: Ich werde natürlich meine Kanäle nutzen und in aller Klarheit deutlich machen, dass die Internationale Gemeinschaft jetzt wirklich alles tun muss, was irgendwie möglich ist, um hier die Menschen zu schützen, dass sie sich wirklich sicher fühlen.
Viele sagen natürlich, wir haben das so oft erlebt, dass wir eben nicht sicher waren, wir wollen hier nicht mehr bleiben, wir wollen weg. Das heißt dann, dass wir Flüchtlinge aufnehmen müssen.
Die UNO muss eine Schutztruppe schicken
Aber ich spreche auch mit Menschen, die sagen, nein, wir wollen hier bleiben, aber es muss sicher sein! Und deswegen, glaube ich, brauchen wir schon eine politische Initiative auch der Bundesregierung, die die UNO, die ja nun eigentlich der Ort ist, an dem so was geregelt werden muss, dazu bringt, hier Sicherheit zu schaffen, also dass die UNO hier eine Schutztruppe hinschickt und ein Gebiet hier markiert, wo die Menschen sich wirklich drauf verlassen können, dass nicht wieder ein Angriff kommt und sie wieder fliehen müssen.
Das ist, glaube ich, das absolut Vordringliche. Ich werde natürlich alles tun, was ich kann, um zu sehen, was wir auch als Kirche hier vielleicht tun können, um weltweit dafür zu werben, dass so was endlich passiert.
Brink: Eine Initiative, Sie haben es erwähnt, die alles tun muss, um die Menschen zu schützen, die auch deutsche Waffenlieferungen einschließt?
Bedford-Strohm: Man kann jedenfalls sagen, dass die Tatsache, dass ich hier in Erbil jetzt gesagt bekomme, wir sind hier sicher, der Tatsache zu verdanken ist, dass diese Stadt Erbil, kurz bevor sie eingenommen wurde – man kann sagen, Stunden bevor sie eingenommen worden wäre –, mit Waffen geschützt worden ist. Das muss man, glaube ich, schon so deutlich sagen.
Wir wissen alle gerade in den christlichen Kirchen, wir wissen alle genau, wie viele Schattenseiten so was hat und die Waffen eben am Ende wieder für ganz andere Dinge gebraucht werden, die den Interessen ganz anderer Leute dienen, wie gefährlich es ist, Waffen in eine Region zu pumpen.
Schutz ist derzeit nur mit Waffen möglich
Aber man muss auf der einen Seite natürlich ganz klar sagen: Die Menschen können hier nur geschützt werden im Moment gegen diese brutalen IS-Milizen, wenn auch Waffen da sind, mit denen sie geschützt werden.
Und es muss eben alles getan werden, was nötig ist, um eine Perspektive für danach zu gewinnen, die eben Gewalt überwindet und die eben nicht auf Waffen basiert. Und deswegen ist es ein Gesamtpaket, bei dem die Waffen auf keinen Fall im Zentrum stehen dürfen, sie sind aber jetzt zum unmittelbaren Schutz der Menschen, die einfach sonst umgebracht werden, leider wohl nötig.
Brink: Heinrich Bedford-Strohm, evangelischer Landesbischof von Bayern und gerade im kurdischen Erbil, schönen Dank und alles Gute für Sie!
Bedford-Strohm: Ja, vielen Dank, Ihnen auch, Wiedersehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema