Aus den Feuilletons

Ein neuer Prototyp des Grauens

Unterstützer der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) mit Fahne.
Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) © AFP / TAUSEEF MUSTAFA
Von Klaus Pokatzky · 06.09.2014
Die schwarze Sturmmaske sei das Symbol für den "globalen Kriegsmann und Mörder" geworden, schreibt die "NZZ". Der Terror der IS-Milizen und der Bürgerkrieg in der Ukraine war diese Woche das dominierende Thema in den Feuilletons.
"Layout muss noch gemacht werden."
Kulturpresseschau auch.
"Beide Varianten sind mittlerweile fast so wenig anstößig wie der Satz 'Kaffee ist fertig'..."
...lasen wir in der Tageszeitung DIE WELT. Das "Die" lassen wir ihr, der Artikel gehört hier dazu. Doch, ganz allgemein:
"Die Neigung, Artikel wegzulassen, ist im umgangssprachlichen Deutsch des 20. Jahrhunderts seit Langem nachzuweisen",schrieb Matthias Heine, "und sie wird sich im 21. Jahrhundert fortsetzen".
Es gibt Schlimmeres – etwa, wenn wir uns an ein verdrängtes Wort wieder gewöhnen müssen. "Jetzt macht Deutschland wieder Krieg", hieß es in der BERLINER ZEITUNG:
"Und was wird aus dem Pazifismus?"
Die Frage steht im politischen Raume, wo nun deutscheWaffen an die Kurden im Irak geliefert werden.
"Hinter dem schwindenden Vertrauen in den Pazifismus scheint vielmehr pure Verunsicherung und Ratlosigkeit zu stecken", schrieb Dirk Pilz. "Als ob wir, mit Blick auf die Ukraine genauso wie auf den Nordirak, wieder in einer Situation wären, die sich nur mit klaren Schuld- und Schurkenrollenverteilungen begreifen lasse."
Und dann erinnert er an einen erfolgreichen Apostel der Gewaltlosigkeit, an den amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King, der vor 50 Jahren Berlin besuchte und dabei auch in Ostberliner Kirchen sein pazifistisches Credo predigte:"Liebt eure Feinde! Das müssen wir leben."
"Wie kommt es",fragt Dirk Pilz, "dass solche Sätze, dass dieser 'Traum nach vorwärts' heute unter Naivitätsverdacht gerät?"
Von Pazifismus und Selbstverteidigung
Das kommt daher, könnten wir dem Kollegen antworten, dass er sich offenbar mit Martin Luther King nicht allzu gründlich beschäftigt hat.
"Nachdem weiße Rassisten am 30. Januar 1956 eine Bombe auf sein Haus geworfen hatten, sprach er im Büro des Sheriffs vor und bat um das Recht, verdeckt eine Waffe zu tragen", erfuhren wir nämlich aus der WELT über Martin Luther King. "Dieses Recht wurde ihm zwar verweigert, aber er hatte trotzdem viele Pistolen bei sich zu Hause."
Das ist nachzulesen in einem neuen Buch von Charles E. Cobb Jr.: "Journalist, Collegeprofessor und Veteran der schwarzen Bürgerrechtsbewegung", wie die WELT ihn vorstellt.
"Die Bürgerrechtsbewegung wandte nie Gewalt gegen die Polizei an, wenn sie prügelte, schoss und Hunde auf Demonstranten losließ", schrieb Hannes Stein. "Aber Gewaltlosigkeit im Privaten? Das war etwas anderes. Es gab wohl keine schwarze Familie ohne Gewehre im Schrank, und jede schwarze Mutter, jeder schwarze Vater hätte scharf geschossen, wenn die weißen Rassisten mit ihren Kapuzen und Kreuzen anrückten."
Soviel zum Thema Pazifismus – und damit zu den Kapuzenmännern unserer Tage.
IS-Terror und Gewalt in der Ukraine
"Ein neuer Prototyp des Grauens hat die von Terror und Bürgerkriegen heimgesuchte Welt betreten. Es ist der Mann mit schwarzer Sturmmaske, mit einer Kalaschnikow oder einem anderen Mordgerät in der Hand", beschrieb die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG den "globalen Kriegsmann und Mörder" –der jetzt in Gestalt der prorussischen Kämpfer im Osten der Ukraine genauso seine Blutspur hinterlässt, wie in Form der IS-Krieger im Irak.
"Die Maske ist ihre Uniform, und sie entspricht der gleichförmigen Grausamkeit ihres blutigen Tuns", schrieb der Literaturwissenschaftler Manfred Schneider:
"Während die Vorläufer und fernen Verwandten dieser Kriegsleute, die Soldaten für Freiheit, nationale Ehre, für Gott, Gerechtigkeit oder auch für die Wahrheit, gerade weil sie für höchste Werte einstanden, ihre individuellen Züge, ihr Gesicht, ihre Opferbereitschaft für die Sache zeigten, weigern sich unsere zeitgenössischen internationalen Mordgesellen, ihrer Sache ein Gesicht zu geben."
Sie sind eben keine Soldaten.
"Während des Zweiten Weltkrieges landeten an einem Tag plötzlich britische Marinesoldaten mit Booten bei uns an der tunesischen Küste", lesen wir im neuen TAGESSPIEGEL vom Sonntag.
"Als sie uns Kinder am Strand erblickten, brachen sie in Tränen aus, umarmten uns und gaben uns etwas zu essen. Weinende Männer, die fremde Kinder auf dem Arm hielten und küssten – dieses Bild hat sich damals in mein Hirn eingebrannt."
So schildert die große Schauspielerin Claudia Cardinale im Interview eine Kindheitserinnerung.
"Klima von Kontrolle, Angst und Strafe"
"Sie werden meist in einem Klima von Kontrolle, Angst und Strafe erzogen", heißt es im neuen SPIEGEL über die jungen Männer, die sich dem islamistischen Terror verschrieben haben.
"Ihr 'Respekt' soll dem Clan, dem Kollektiv und den Autoritäten gelten. Fundamentalisten verstehen sich als purifizierende Verstärker solchen Denkens", schreibt der in Berlin lebende Palästinenser Ahmad Mansour. "Wenn ich als Jugendlicher diese Radikalität annehme und praktiziere, zeige ich, in einem Gestus der pubertären Überlegenheit, der eigenen Gruppe, dass ich 'der bessere Muslim' bin – ich überführe die eigene Gruppe der Heuchelei."
Der Psychologe, der Mitglied der Deutschen Islam Konferenz war, verlangt:
"Junge muslimische Männer brauchen Alternativen zu Hasspredigern. Sie brauchen Vorbilder auf dem moderaten Terrain des Islam, Leute in ihrem Umfeld, in ihren Gemeinden, die nichts – mehr – mit solchen Radikalen zu tun haben und kritisches, autonomes Denken ermutigen."
Dann könnten wir ja wieder Hoffnung bekommen.
"Ich finde es sehr wichtig, so viel wie möglich zu reisen, fremde Kulturen kennenzulernen, dadurch seinen Horizont zu erweitern", sagt Claudia Cardinale denn auch im TAGESSPIEGEL: "Wir Menschen sind einander weit ähnlicher, als wir vielleicht denken."
Kulturpresseschau hat fertig.
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