Internationaler Literaturpreis

Die Hölle der Armut

04:16 Minuten
Die Preisträgerinnen des Internationalen Literaturpreises bei der Presiverleihung am 18.06.2019 in Berlin: die mexikanische Autorin Fernanda Melchor und die Übersetzerin Angelica Ammar.
Preisträgerinnen: Die mexikanische Autorin Fernanda Melchor (re) und die Übersetzerin Angelica Ammar wurden mit dem Internationalen Literaturpreis in Berlin ausgezeichnet. © LauraFiorio/Haus der Kulturen der Welt Berlin
Jens Hillje im Gespräch mit Andrea Gerk · 18.06.2019
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Ein Dorf voller verlorener Seelen und Gewalt: Das zeigt der Roman „Saison der Wirbelstürme“. von Fernanda Melchor. Der Roman ist mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet worden. Jurymitglied Jens Hillje lobt die "kräftige Sprache".
Irgendwo in Mexiko zwischen endlosen Zucker- und Erdölfeldern liegt das Dorf La Matosa. Hier regieren Armut und Gewalt, ein Mord geschieht. All das geschieht im Roman Saison der Wirbelstürme, der jetzt mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet wurde.
Die Geschichte, die zu Anfang als Krimi verpackt daherkomme, erzähle weit mehr als einen Krimi, sagt Jury-Mitglied Jens Hillje. Die Welt der Gewalt in diesem mexikanischen Dorf werde zu "einem Brennspiegel der globalisierten Welt, an einem Ort, wo die Kolonialisierung mit der Eroberung Mexikos begonnen hat."
Cover des Buches "Saison der Wirbelstürme" von Fernanda Melchor. Im Hintergrund acht Kreuze an einem Ort in Ciudad Juarez, Chihuahua, an dem 2001 acht Frauen ermordet worden waren.
Cover des Buches "Saison der Wirbelstürme" von Fernanda Melchor. im Hintergrund acht Kreuze an einem Ort, an dem acht Frauen ermordet worden waren.© Vordergrund: Wagenbach-Verlag / Hintergrund AFP/Jorge Uzon
Nach einer heftigen Diskussion für die Zusammenstellung der Bücher für die Shortlist sei die Entscheidung für das Sieger-Buch überraschend eindeutig gefällt worden, sagt Hillje. Hillje ist der Juryvorsitzende des Internationalen Literaturpreises des Deutschen Buchhandels und Dramaturg sowie Co-Intendant am Berliner Maxim Gorki Theater.
Dass der Preis an "Saison der Wirbelstürme" gehe, liege an der besonderen Geschichte, die die mexikanische Autorin Fernanda Melchor geschrieben habe – denn der Internationale Literaturpreis wolle "welthaltige" Bücher auszeichnen:
"Die Welt, die uns da erzählt wird, hat uns geschockt und berührt. Es ist eher eine Erfahrung als eine Lektüre."
Jurymitglied Jens Hillje bei der Preisverleihung des Internationalen Literaturpreises 2019 in Berlin
Die Entscheidung für den Roman "Saison der Wirbelstürme" von Fernanda Melchor sei eindeutig gewesen, sagt Jurymitglied Jens Hillje.© LauraFiorio/Haus der Kulturen der Welt Berlin

Symbol für den Zustand der Welt

Das Zusammenleben der Ärmsten des Dorfes in einer Welt der Hoffnungslosigkeit und des Kampfes sei auch ein Symbol für die Welt und veranschauliche, dass sich unsere Welt, unser Zusammenleben ändern müsse, so Hillje.
Der Roman beschreibe, dass sich die Schwächsten – im Buch die Frauen – auch gegenseitig Gewalt zufügten.
"Eine Hölle, die einen nicht unberührt lässt und die lange nachwirkt, nachdem man den Roman zur Seite gelegt hat. Dieses Buch ragte wirklich heraus und hat diesen Preis verdient, um auch bekannter und von einem größeren Publikum gelesen zu werden."
Die Geschichte von der Ermordung einer Hexe in einem mexikanischen Dorf sei sehr lesenswert. Dabei sei das Buch besonders umgangssprächlich geschrieben und von Flüchen durchsetzt.

Überragende Übersetzung

"Eine kräftige Sprache, die auch nicht einfach ist, ins Deutsche zu übertragen." Die Übersetzerin Angelica Ammar habe daraus eine eigene Welt und eine eigene Sprache geschaffen, die das Buch auch in der Übersetzung zu einem Lesegenuss mache.
"Das ist das, was der Preis auch sucht: kongeniale Übersetzungen. Nur so werden neue Welten in Romanen zum Leuchten kommen."
(mle)

Fernanda Melchor: "Saison der Wirbelstürme.
Roman. Aus dem Spanischen von Angelica Ammar
Wagenbach Verlag, Berlin 2019
240 Seiten, 22 Euro

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