Internationale Konflikte

Beim Dialog niemanden ausgrenzen

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Geschäftsmann und Geschäftsfrau beim Handschlag mit Stangen über einem Abgrund
Wer Gräben überwinden will, muss zunächst selbstkritisch sein, sagt Konfliktforscher Hans Giessmann. Nur so könne man die Motive des anderen erfahren. © imago images / Ikon Images
Hans-Joachim Giessmann im Gespräch mit Nicole Dittmer · 05.12.2019
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In manchen Regionen der Welt halten Konflikte so lange an, dass die Situation verfahren scheint. Ist Diskussionsbereitschaft kulturell bedingt? Konfliktforscher Hans-Joachim Giessmann erklärt, worauf es ankommt. Die Situation in Deutschland besorgt ihn.
"Die Jemeniten sind es nicht gewohnt, über ihre Probleme zu debattieren", sagte Aenne Rappel, Gründerin und Vorsitzende der "Jemenhilfe Deutschland" Ende November. Ist es also eine Frage der Kultur und Sozialisation, wie man mit Konflikten umgeht?
Nein, sagt Hans-Joachim Giessmann, Geschäftsführer der Berghof Foundation. Seine Organisation unterstützt den Dialog von Konfliktparteien, wie etwa in Afghanistan. Sie organisiert dabei oft den Rahmen für den Dialog oder tritt auch als Moderator und Begleiter in solchen Prozessen auf.
"Wir haben das Problem, dass bei besonders lang anhaltenden Konflikten das Vertrauen zueinander so stark gesunken ist, dass die Parteien befürchten, wenn sie sich in einen Dialog mit anderen hineinbegeben, dass das nicht in einen konstruktiven Dialog mündet, sondern dazu führt, das bestehende Konfliktverhältnis noch zu vertiefen." Das führe dann zu einer Verweigerung, so Giessmann.
Hans Joachim Giessmann
Hans Joachim Giessmann, Geschäftsführer der Berghof Foundation, ist besorgt um die Diskussionskultur in Deutschland.© Berghof Foundation
Das Wichtigste in solchen Dialogen sei, die eigene Rolle kritisch und bescheiden zu bewerten und nicht mit der Annahme, man wisse alles besser. Man müsse voneinander die jeweiligen Motive lernen. Für die Vermittler bestehe die Aufgabe darin, zunächst Vertrauen in den Prozess als solchen zu wecken.

Diskussionsbereitschaft in Deutschland nimmt ab

Im Hinblick auf die Konflikte in Deutschland äußert sich Giessmann besorgt. Die Gesellschaft polarisiere sich zunehmend, die Diskussionsbereitschaft nehme ab, rhetorische Tabus würden gebrochen, es herrsche Unverständnis für die Rolle der demokratischen Parteien. "Das ist eine Entwicklung, die muss uns besorgt machen", sagt Giessmann. Alle seien gefordert und man dürfe niemanden ausgrenzen. Giessmann ist der Ansicht, dass man versuchen müsse, den konstruktiven Dialog in alle Bereiche der Gesellschaft zu tragen.
In seiner eigenen Arbeit lerne man, "dass man geduldig sein muss, dass man zuhören muss, um zu verstehen, was die tieferliegenden Interessen und Motive hinter geäußerten Positionen sind. Wir nehmen viel zu oft Positionen als Ausdruck von Interessen und Motiven ein, das ist aber oft gar nicht der Fall. Wenn es gelingt, diese tieferliegenden Interessen und Motive zu verstehen, dann wird es auch möglich sein, lebensfähige Alternativen zu entwickeln, die dann für die Menschen auch anttraktiv sind, sie zu verfolgen."
(leg)
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