Internationale Hilfsorganisationen

Die düsteren Geschäfte privater Sponsoren

Eine Frau steht auf einer Verkehrsinsel in Goma im Kongo und trägt eine Kiste mit Heineken-Bier auf dem Kopf, aufgenommen 2013
Der Heineken-Konzern enagiert sich in der Aids-Hilfe in Afrika, doch Kritiker sehen hier ganz klare Interessenkonflikte. © imago/Gallo Images
Von Thomas Kruchem · 11.12.2018
Da staatliche Hilfen bröckeln, sind UN-Organisationen zunehmend auf private Sponsoren angewiesen. Warum nicht, wenn alle profitieren? Ein Blick auf den Globalen Fonds zeigt: Es ist ein Terrain voller weitreichender und ethisch kaum vertretbarer Skandale.
New York, 26. Dezember 2017. Der US-Nachrichtensender Fox News meldet, die USA kürzten ihre Beiträge für die Vereinten Nationen um weitere 285 Millionen Dollar.
Er repräsentiere die USA und nicht die Welt, betont Präsident Donald Trump. Trump will kein amerikanisches Geld mehr ausgeben für die UN, obwohl sie zahlreiche wichtige Aufgaben wahrnehmen: Sie vermitteln in Konflikten, die 60 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht haben, sie arbeiten für Ernährung, Bildung und Gesundheit in armen Ländern, für nachhaltige Wasser- und Energieversorgung dort und gegen den Klimawandel.
Einen Kahlschlag bei den UN-Beiträgen der USA, des mit 22 Prozent größten Zahlers, verhindert bis heute der Kongress. Aber die US-Beiträge schrumpfen. Neuer Höhepunkt einer inzwischen chronischen UN-Finanzkrise, erklärt Jens Martens, Direktor des Bonner Global Policy Forum, das als kritischer ‚watchdog‘ die UN beobachtet. Seit langem schon haben die Industrieländer ihre Pflichtbeiträge zu zahlreichen UN-Organisationen eingefroren. Regierungen geben Geld zunehmend nur zweckgebunden für Anliegen, die ihnen wichtig sind.
"Das hat dazu geführt, dass gerade jetzt – im gegenwärtigen Haushalt – die Mittel sogar gesunken sind für den regulären UN-Haushalt und dass die Vereinten Nationen immer mehr gezwungen werden, Mittel von anderen Geldgebern zu bekommen – sei es private Stiftungen, sei es Privatunternehmen. Die Interessen, die damit verbunden sind, sind natürlich die Interessen der jeweiligen Geldgeber."

Unternehmen als Wohltäter – und Einflussnehmer

Viele große Konzerne geben inzwischen UN-Organisationen die eine oder andere Million: dem Kinderhilfswerk UNICEF, der Welternährungsorganisation FAO, dem Welternährungsprogramm. Partnerschaften mit den UN helfen den Unternehmen, sich ein gutes soziales Image zu verschaffen, neue Märkte zu erschließen und Kritik zu entschärfen. In betörenden Farben präsentieren sich die Unternehmen als Wohltäter, die gemeinsam mit uns allen eine bessere Welt schaffen wollen.
"Sie beeinflussen die Politikgestaltung und den Diskurs innerhalb der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen und können dadurch sehr konkret und sehr praktisch auch Einfluss ausüben darauf, in welche Richtung Entwicklungsprojekte gestaltet werden, welche Formen Projekte annehmen."
Warum nicht, könnte man sagen, wenn die Kooperation transparent ist und alle Betroffenen profitieren? Aber ist das tatsächlich so?
Werfen wir im Folgenden, beispielhaft, einen Blick auf den Globalen Fonds für den Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria. Dieser Fonds ist eine internationale Einrichtung, angesiedelt im engen Umfeld der Vereinten Nationen. Eine wenig bekannte, aber wichtige Einrichtung: Der Globale Fonds verbraucht mehr Geld als die Weltgesundheitsorganisation WHO – seit 2002 mehr als 40 Milliarden Euro, finanziert aus Steuergeldern, von uns allen also.

Privatbank als Geldgeber mit "Dreck am Stecken"

Am 26. Januar 2018 verkündet der Globale Fonds im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos eine sogenannte öffentlich-private Partnerschaft: mit der Genfer Privatbank Lombard Odier. Gemeinsam wolle man neue Wege finden, privates Kapital für die Anliegen des Fonds zu erschließen. Doch die Genfer Privatbank hat, wie man so sagt, "Dreck am Stecken": Am 31. Dezember 2015 zum Beispiel teilte das Justizministerium der USA mit, Lombard Odier müsse eine Strafe von fast hundert Millionen Dollar bezahlen.
"Lombard Odier stellte amerikanischen Kunden Dienstleistungen wie Nummernkonten zur Verfügung. Dies half den US-Kunden, ihr Vermögen und ihr Einkommen vor den Steuerbehörden zu verstecken. Lombard Odier betrieb für US-Kunden zudem Konten im Namen ausländischer Unternehmen, Stiftungen und anderer Institutionen – Konten, von denen die Bank wusste, dass sie tatsächlich den US-Kunden gehörten."
Gewerbsmäßig Beihilfe zur Steuerhinterziehung nennen dies Juristen. Trotzdem ist die Bank Lombard Odier Partner einer internationalen Einrichtung, die zig Milliarden Euro öffentlicher Gelder verwaltet.
Schild an der Eingangstür des Firmensitzes der Schweizer Bank Lombard Odier in Genf, aufgenommen 2012
Die Schweizer Bank Lombard Odier wurde der Beihilfe zur Steuerhinterziehung überführt.© imago/KEYSTONE/Gaetan Bally
Aids, Tuberkulose und Malaria zählen zweifellos zu den schlimmsten Geißeln der Menschheit. Um die Jahrtausendwende töteten sie sechs Millionen Menschen pro Jahr. Und die HIV/Aids-Pandemie hatte einen Höhepunkt erreicht.
"In Südafrika war es eine besondere Katastrophe. Die ganze Lebenserwartung in Südafrika war zurückgegangen um fast 30 Lebensjahre. Die Krankheit Aids bedrohte den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft…"
… berichtet der Arzt Christoph Benn. Er ist Mitbegründer des Globalen Fonds, war bis vor kurzem dessen Direktor für externe Beziehungen und ist bis heute Berater des Fonds. Im Windschatten von Aids habe um die Jahrtausendwende Tuberkulose grassiert, erklärt Benn; an der von Mücken übertragenen Parasiteninfektion Malaria seien 350 Millionen Menschen jährlich erkrankt sowie weit über zwei Millionen gestorben. Und die internationale Gemeinschaft war sich einig: Gegen Malaria, Tuberkulose und Aids musste dringend etwas geschehen – und zwar im großen Stil. Die USA, als größter Geldgeber, bestanden darauf, dass es außerhalb der eigentlich zuständigen WHO geschah.
Christopher Benn vor einem Mikrofon.
Christopher Benn bei einer Pressekonferenz.© imago/ZUMA Press
"Die WHO ist ein demokratisch organisiertes Gremium, in dem 193 Länder der Welt zusammenarbeiten und jedes Land eine Stimme hat. Und die USA und andere Geldgeber haben gesagt: Wenn wir Geld geben, dann wollen wir mehr zu sagen haben. Das war und ist innerhalb der Weltgesundheitsorganisation eben nicht unbedingt der Fall. Und deswegen hat man gesagt: Dann machen wir es eben außerhalb – zusammen mit privaten Firmen, zusammen mit Lobby-Organisationen der Pharma-Industrie, zusammen mit McKinsey, die dann auch im Board des Globalen Fonds einen Sitz bekommen haben, genauso wie die Bill-und-Melinda-Gates-Foundation."
Und so wurde im Jahre 2002 der Globale Fonds zum Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria gegründet – als unabhängige Stiftung Schweizer Rechts. Der Fonds betreibt nicht selbst Projekte, sondern er verteilt Geld, das betroffene Ländern beantragen – über sogenannte Koordinationsgremien, in denen die Regierung und betroffene Gruppen der Gesellschaft vertreten sind.
40 Milliarden Euro wurden bis heute verteilt – finanziert zu 95 Prozent von Steuerzahlern der Industrieländer und zu vier Prozent von der Gates-Stiftung. Ein Prozent haben private Unternehmen beigesteuert. Mit all dem Geld hat der Globale Fonds vor allem Medikamente finanziert, 800 Millionen Moskitonetze und die Suche nach Impfstoffen. Der Erfolg: Die HIV-Infektionsrate weltweit ist um 40 Prozent zurückgegangen, die Malaria-Infektionsrate um 60 Prozent. Die Zahl der Aids-Toten pro Jahr hat sich zwischen 2005 und 2016 halbiert. Insgesamt hat der Globale Fonds dazu beigetragen, 22 Millionen Menschenleben zu retten.

Private Unternehmen sitzen mit im Verwaltungsrat

Um die Aids-, Tuberkulose- und Malaria-Epidemien endlich in den Griff zu bekommen, braucht der Globale Fonds, so sagen seine Funktionäre, viel mehr Geld. Und in der Hoffnung auf Geld und technische Hilfe verstärkt er in jüngster Zeit seine Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen. Verbände privater Unternehmen, in denen zumeist internationale Pharmakonzerne das Sagen haben, sitzen gleichberechtigt mit NGOs und Betroffenenverbänden sowohl im Verwaltungsrat des Fonds als auch in den Koordinationsgremien der Länder, die von ihm Geld bekommen. Zusätzlich unterhält der Fonds Partnerschaften mit einzelnen Unternehmen. Ausgeschlossen davon seien nur Unternehmen der Tabak-, Porno- und Waffenindustrie, betont Christoph Benn.
"Wenn jetzt eine Firma an uns herantritt mit dem Interesse, mit uns zusammenzuarbeiten und nicht in diesen drei Bereichen engagiert ist, dann werden wir das prüfen. Dann gibt es eine ganz klare Checkliste, nach der wir vorgehen: Wir schauen selbstverständlich: Was ist der Ruf der Firma? In welchen Bereichen sind sie engagiert? Hat es Verletzungen von Menschenrechten, von Umweltkriterien gegeben? Und danach wird dann entschieden, ob eine Partnerschaft mit einer solchen Firma infrage kommt."
Können Journalisten diese Checkliste einsehen?
"Diese Checkliste ist nicht öffentlich zugänglich. Das ist ein internes Dokument, das sozusagen mit unserem Vorstand diskutiert wird."
Es gibt unproblematische und für alle Beteiligten nützliche Partnerschaften des Globalen Fonds mit großen Konzernen. So hilft die Münchener Rückversicherung dem Fonds beim Risikomanagement. Sie schult dessen Mitarbeiter und Funktionäre in Empfängerländern bei der Bekämpfung von Korruption. Und der süddeutsche Software-Hersteller SAP stellt speziell angepasste Software kostenlos zur Verfügung.

Skandale um den Logistikpartner Heineken

Eine Logistik-Partnerschaft begann der Fonds Anfang 2018 mit dem niederländischen Brauereikonzern Heineken – berichtet Christoph Benn, der die Partnerschaft mit initiierte.
"Es ging darum, dass wir in einem bestimmten Land, das ist die Demokratische Republik Kongo, ein spezifisches Problem haben mit der Verteilung unserer Medikamente und Moskitonetze. Und Heineken hat eines der besten Vertriebsnetze in diesem sehr schwer zugänglichen Land. Und insofern hatten wir eine Übereinkunft mit Heineken, dass sie einfach diese Expertise zur Verfügung stellen zur Verteilung dieser Hilfsmittel."
Auch die Partnerschaft mit dem Brauereikonzern habe der Globale Fonds zuvor sorgsam geprüft, sagt Benn.
"Heineken hat durchaus über viele Jahre einen hervorragenden Ruf gehabt in Afrika, war eine der ersten Firmen, die für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die volle Behandlung für Aids zur Verfügung gestellt hat, finanziert hat. Der Konzern hat viele der Aids-Konferenzen finanziert, viele Nicht-Regierungsorganisationen finanziert. Das heißt: Heineken galt immer als eine Art Vorreiter in der gesamten Industrie, was ihre Firmenpolitik anging mit HIV."
Ganz anders sehen dies viele Aids-Experten und zum Beispiel die Regierungen Schwedens und Norwegens, wichtige Finanziers des Globalen Fonds. Alkoholkonsum, den Heineken in Afrika aggressiv schüre, sei ein wichtiger Risikofaktor sowohl für HIV/Aids als auch für Tuberkulose, stellt das norwegische Ministerium für Entwicklungshilfe fest. Die Partnerschaft des Fonds mit dem Brauereikonzern sei folglich nicht vereinbar mit der Entwicklungspolitik Norwegens. Peter Wiessner, Referent beim deutschen Aktionsbündnis gegen Aids, diagnostiziert einen klaren Interessenkonflikt beim Globalen Fonds.
"Der Interessenkonflikt ist da überhaupt nicht von der Hand zu weisen. Es gibt 3,3 Millionen Alkoholtote jedes Jahr, global gesehen. Alkoholkonsum kann sich auf die Einnahmetreue der Medikamente auswirken, auf Risikoverhalten. Das haben ja auch Kritiker deutlich gemacht. Das ist problematisch."

Partnerschaft vorläufig suspendiert

Nach einigen Wochen legte der Globale Fonds seine Partnerschaft mit Heineken vorläufig auf Eis. Dies jedoch nicht, weil der Konzern die Krankheiten fördert, die der Fonds bekämpft, sondern aus einem anderen Grund. Heineken, so hatten die Fonds-Gremien erfahren, setzt seit vielen Jahren sogenannte "Promo-Girls" ein: junge Frauen, die bei Events und in Kneipen für Heineken-Bier werben und dabei häufig Opfer sexueller Ausbeutung werden. Eine üble Praxis des Brauereikonzerns, die aber seit mindestens 20 Jahren bekannt ist.
Hat der Globale Fonds Heineken vor der Partnerschaft also doch nicht richtig überprüft? – Doch, doch, sagt Christoph Benn und betont, die Partnerschaft sei ja nur vorläufig suspendiert.
"Das ist keine prinzipielle Aussage für die Zukunft. Aber im Moment ist die Partnerschaft auf Eis gelegt."
Ernste Fragen wirft auch eine weitere Partnerschaft auf, die der Globale Fonds Anfang 2018 bekannt gab: die Partnerschaft mit der eingangs erwähnten Genfer Privatbank Lombard Odier. Die Bank solle privates Kapital für die Anliegen des Globalen Fonds mobilisieren, sagt Christoph Benn.
Und: "Wir haben bei Lombard Odier genau dieselbe Überprüfung durchgeführt wie bei allen anderen Firmen auch und sind zu dem Schluss gekommen, dass Lombard Odier eine sehr seriöse alteingesessene Bank hier in Genf ist und dass wir insofern mit ihnen eine mögliche Partnerschaft diskutiert haben."
"Petrobas – Fuel In" steht auf einem Hinweisschild auf die Betankung an der Lufthutze an einem Williams Boliden
Das Mineralölunternehmen Petrobas steht im Zentrum einer bis heute wellenschlagenden Korruptionsaffäre.© imago/Kosecki
Tatsächlich ist die Bank Lombard Odier in mindestens drei aktuelle Geldwäsche- und Steuerhinterziehungsskandale verwickelt: Erstens ist da der 2014 aufgeflogene sogenannte Petrobras-Skandal. Das halbstaatliche brasilianische Mineralölunternehmen Petrobas steht im Zentrum einer bis heute wellenschlagenden Korruptionsaffäre, bei der nach Schätzungen drei Milliarden US-Dollar Bestechungsgelder flossen. Ein großer Teil der Gelder landete bei Schweizer Banken, darunter Lombard Odier.
Zweitens zahlte die Bank, wie eingangs erwähnt, 2015 in den USA eine Geldbuße von fast 100 Millionen Dollar. Sie konnte so ein Gerichtsverfahren wegen gewerbsmäßiger Beihilfe zur Steuerhinterziehung abwenden.
Drittens schließlich ist Lombard Odier ein wichtiger Akteur im sogenannten Usbekistan-Skandal. Der britische Medizin-Professor Anthony Costello, bis vor kurzem Direktor bei der Weltgesundheitsorganisation, hat dazu im April 2018 einen kritischen Artikel in der weltweit führenden Medizin-Zeitschrift The Lancet veröffentlicht.
"Im Mittelpunkt des Skandals steht Gunara Karimova, Tochter des verstorbenen Expräsidenten von Usbekistan Islam Karimov. Sie schaffte etwa 800 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder außer Landes. Geld, das dann gewaschen wurde – mithilfe von Transaktionen zwischen Lombard Odier und der britischen Standard Chartered Bank."

Strafverfahren gegen Lombard Odier

Am 14. Dezember 2016 eröffnete die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Lombard Odier und einen ehemaligen Mitarbeiter der Bank. Die Bank hätte den Zahlungsverkehr einer politisch derart exponierten Person wie Gunara Karimova besonders sorgfältig überwachen müssen – sagen die Behörden. Am 24. Juni 2018 meldet die Luzerner Zeitung, ihr lägen Strafbefehle in der Usbekistan-Affäre vor – einer davon gegen Lombard Odier.
Auch die US-Regierung klagt in der Usbekistan-Sache – vor einem New Yorker Distriktsgericht. In der Klageschrift vom 18. Februar 2016 steht, dass zwischen März 2009 und September 2010 347 Millionen Dollar an Karimova-Konten bei Lombard Odier überwiesen wurden – von der Hongkonger Filiale der britischen Bank Standard Chartered.
Porträt von Peter Sands, aufgenommen 2014 in Seoul
Peter Sands, seit März 2018 Exekutivdirektor des Globalen Fonds, er war von 2006 bis 2015 Chef der Bank Standard Chartered.© picture alliance/Yonhap/YNA
Die in New York aktenkundige Geldwäsche-Beziehung zwischen Lombard Odier und Standard Chartered lenkt den Blick auf eine Schlüsselperson beim Globalen Fond: Peter Sands, seit März 2018 Exekutivdirektor des Fonds, war von 2006 bis 2015 Chef der Bank Standard Chartered. Und diese Bank steckte unter Sands besonders tief im Geldwäsche-Sumpf, berichtet Professor Costello.
"Fairerweise muss man erwähnen, dass die meisten internationalen Banken während der vergangenen 15 Jahre mit Geldstrafen belegt worden sind. Die Bilanz von Standard Chartered unter Peter Sands allerdings ist besonders miserabel. Ich habe den Bericht eines hohen Standard Chartered-Mitarbeiters dazu gelesen. Der bescheinigt seiner Bank eine Kultur arroganter Rücksichtslosigkeit: Marketing-Mitarbeitern, sagt er, sei eingeschärft worden, in armen, politisch instabilen Ländern mit Wachstumspotenzial besonders aggressiv Aufträge zu akquirieren."

Peter Sands gilt als verbrannt in der Branche

2012 stellte die New Yorker Finanzbehörde fest, Standard Chartered habe dem Iran geholfen, 250 Milliarden Dollar zu waschen und dabei zahlreiche Dokumente gefälscht. Unter anderem dafür musste Standard Chartered 667 Millionen Dollar Strafe zahlen. Im August 2014 dann verhängte die New Yorker Finanzbehörde eine weitere Strafe in Höhe von 300 Millionen Dollar. Standard Chartered habe Auflagen, Geldwäsche künftig zu vermeiden, nicht erfüllt.
In der Folge sank der Stern Peter Sands. Im Visier von Behörden weltweit schrumpften die Gewinne, die seine Bank erwirtschaftete. Zum 1. Juni 2015 wurde er entlassen und galt seitdem, sagt ein Insider, als verbrannt in der Branche. Es erscheint weltfremd anzunehmen, Sands habe über fast ein Jahrzehnt nicht mitbekommen und nicht daran mitgewirkt, dass in einer von ihm geführten Bank hunderte Milliarden Dollar illegal gewaschen wurden. Und es stellt sich die Frage: Besitzt Sands, jenseits aller Zweifel, die Integrität und die Kompetenz, eine Institution zu führen, die zig Milliarden Euro an Steuergeldern verwaltet? Hat der Verwaltungsrat des Globalen Fonds Peter Sands' Vergangenheit als Bankmanager überhaupt ausreichend durchleuchtet, bevor er Sands zum Exekutivdirektor ernannte?
Der britische Medizin-Professor Anthony Costello, bis vor kurzem Direktor bei der Weltgesundheitsorganisation, aufgenommen 2016
Der britische Medizin-Professor Anthony Costello war bis vor kurzem Direktor bei der Weltgesundheitsorganisation.© picture alliance/dpa/KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi
Professor Anthony Costello hegt Zweifel auch an einer weiteren Schlüsselpersönlichkeit des Globalen Fonds: John Simon, früher Leiter eines US-Programms gegen Aids, ist seit Mitte 2017 stellvertretender Vorsitzender im Verwaltungsrat des Fonds. Er besitzt, als Vertreter des größten Geldgebers USA, sehr viel Macht dort und tritt ähnlich engagiert wie Peter Sands für eine Kooperation des Fonds mit privaten Unternehmen ein.
Zugleich jedoch ist John Simon Gründungspartner des amerikanischen Investment-Unternehmens Total Impact Capital, das Investoren Geldanlagen im Gesundheitswesen armer Länder anbietet. Genau auf diesen Bereich aber konzentriert sich auch die Zusammenarbeit zwischen dem Globalen Fonds und der Bank Lombard Odier.
"Das wirft die Frage auf, ob John Simon‘s engagiertes Eintreten für Privatinvestitionen im Gesundheitswesen armer Länder nicht auch geprägt ist von seinem Interesse an eigenen finanziellen Vorteilen. Ich kenne die Details in diesem Fall nicht. Und ich klage niemanden an. Ich halte es jedoch für unabdingbar, dass hier strengste Prüfungen auf mögliche Interessenkonflikte stattfinden. Allein die Möglichkeit, dass Leute in Schlüsselpositionen private Vorteile aus von ihnen geförderten Strategien öffentlicher Einrichtungen ziehen, halte ich für höchst besorgniserregend."
Aber worum geht es eigentlich bei jenen Privatinvestitionen ins Gesundheitswesen armer Länder, wie sie der Globale Fonds unter John Simon und Peter Sands mit der Bank Lombard Odier mobilisieren will? Tatsächlich wollen immer mehr Anleger – Pensionsfonds, Gewerkschaften und auch Privatleute – ihr Geld ethisch vertretbar anlegen. Sie wollen, dass ihr Geld sozial oder ökologisch Gutes bewirkt. Das allerdings dürfe nicht auf Kosten der Rendite gehen, sagt in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN Patrick Odier, der Chef der Bank Lombard Odier.
"Wir machen da keinerlei Kompromisse zwischen sozialen und finanziellen Erträgen. Wir können unseren Investoren versichern, dass sie, wenn sie finanzielles und soziales Engagement verbinden, genauso viel verdienen wie bei anderen Formen des Investments."

Konfliktpotenziale von Investitionen mit eingebauter sozialer Wirkung

Als eine beim Globalen Fonds viel genannte Form ethisch verantwortungsbewussten Investments gelten sogenannte ‚social impact bonds‘, Investitionen mit eingebauter sozialer Wirkung: Ein privater Investor stellt zum Beispiel für ein Gesundheitsprojekt in Afrika das nötige Kapital bereit, Hilfsorganisationen setzen das Projekt um. Und die Regierung bürgt dafür, dass der Investor nach erfolgreichem Abschluss des Projekts sein Geld aus öffentlichen Mitteln zurückerhält – zuzüglich einer zuvor vereinbarten Rendite. Das höre sich gut an, sagt der frühere WHO-Direktor Professor Costello. Tatsächlich aber enthielten Investitionsprojekte mit eingebauter sozialer Wirkung jede Menge Konfliktpotenzial.
"Erstens sind ja solche Projekte oft höchst komplex; und es ist schwer zu definieren, ob sie funktioniert haben oder nicht. Zweitens ist es in Ländern wie Nigeria, Kamerun und Malawi sehr schwer, überhaupt belastbare Daten zu erheben. Da müssen also zunächst mal eine Menge teurer Experten und Projekt-Evaluierer engagiert werden, die das Projekt untersuchen. Und dann stellt sich die Frage, ob die betreffende Regierung dem Untersuchungsergebnis zustimmt und – wenn ja – ob sie das Geld hat, den Investor tatsächlich auszuzahlen. Meinen Sie, dass vor diesem Hintergrund Investmentfonds das Geld ihrer Anleger riskieren? Sehr wenige dürften das tun und das auch nur, wenn Rückzahlung und Rendite garantiert werden von zahlungskräftigen Institutionen wie dem Globalen Fonds oder der Weltbank."
Die Zusammenarbeit des Globalen Fonds mit privaten Partnern wirft viele Fragen auf. Erstens beeinflussen private Unternehmen die Strategie des Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria. Vor allem auf technische Maßnahmen wie das Verteilen von Medikamenten und Moskitonetzen setzt der Fonds bis heute. Eine eher geringe Rolle spielt die Stärkung des Gesundheitswesens betroffener Länder, die aber – so Experten – unabdingbar ist für die nachhaltige Bekämpfung der Krankheiten.

Ein Ethikkomitee ohne Einfluss

Zweitens schmälert die Kooperation mit umstrittenen Partnern Ansehen und Glaubwürdigkeit des Fonds und damit die Bereitschaft von Regierungen und Bürgern, ihn weiterhin zu unterstützen. Der Fonds tut deshalb gut daran, nicht nur rein praktische Aspekten seiner Kooperation mit dem Privatsektor zu prüfen, sondern auch ethische Aspekte.
Tatsächlich besitzt der Globale Fonds zu genau diesem Zweck ein ‚Ethics and Governance Committee‘, ein Ethikkomitee mit beratender Funktion. Das Problem: Dieses Ethikkomitee wird zu einem Großteil der ethischen Fragen gar nicht erst angehört. Das sagt zumindest Professor Mohamed Salah ben Ammar, früher Gesundheitsminister von Tunesien, einer der führenden Medizinethiker weltweit und seit Mitte 2016 Vorsitzender des Ethikkomitees beim Globalen Fonds. Anfang 2018 habe ben Ammar die Nase voll gehabt, berichtet sein Kollege Costello.
"Im März 2018 nahm Mohammed Salah ben Ammar Kontakt mit mir auf und berichtete, er sei soeben als Vorsitzender des Ethikkomitees zurückgetreten. Anlass sei, dass Empfehlungen des Komitees zur Auswahl eines Vizevorsitzenden des Verwaltungsrats komplett ignoriert worden seien. Wörtlich sagte ben Ammar: 'Man hätte mich als Gesundheitsminister in Tunesien gefeuert, wäre ich derart intransparent mit öffentlichen Geldern umgegangen, wie es der Globale Fonds bis heute tut.'
Was mich besonders erstaunte: Professor Salah ben Ammar berichtete, das Ethikkomitee des Fonds sei während seiner Amtszeit nicht ein einziges Mal konsultiert worden, wenn es um Investitionen in Ländern mit Menschenrechts- und Korruptionsproblemen ging. Das Komitee sei desgleichen nie befragt worden zu Partnerschaften mit kommerziellen Unternehmen. Von den Deals mit Heineken und anderen Unternehmen habe das Ethikkomitee aus den Medien erfahren."

Fragwürdige Interessenkonflikte

In einer Stellungnahme vom 12. Oktober 2018 gegenüber dem Autor dieser Sendung schreibt der Sprecher des Globalen Fonds Seth Faison:
"Es gehört nicht zu den Aufgaben des Ethikkomitees, bei der Auswahl von Firmen- oder Regierungspartnern mitzuwirken. Und ja, es ist richtig, dass das Komitee bei der Auswahl von Unternehmenspartnern nicht konsultiert wurde. Es ist ebenfalls richtig, dass das Ethikkomitee zur Zusammenarbeit des Globalen Fonds mit Ländern, die Menschenrechtsprobleme haben, nicht konsultiert wurde. Jedes Land dieser Welt hat in einem gewissen Umfang Menschenrechtsprobleme: Es ist nicht das Mandat des Ethikkomitees, hier einzelne Länder zur Prüfung ihrer Menschenrechtssituation herauszugreifen."
Wirft also die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die in Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Umweltvergehen und Alkoholmissbrauch verstrickt sind, keine ethischen Fragen auf? Wirft auch das Verteilen von Geld gegen Aids an Regierungen, die Homosexuelle ins Gefängnis werfen, keine ethischen Fragen auf? Sollte nicht der Globale Fonds solche Fragen zumindest seinem eigenen Ethikkomitee zur Prüfung vorlegen? Professor ben Ammar schickte dem Autor dieser Sendung eine kurze Stellungnahme. Darin schreibt er, das eigene Ethikkomitee zu konsultieren, sei der Führung des Globalen Fonds geradezu lästig gewesen.
"Die sogenannte Ethik-Kultur beim Globalen Fonds geht nicht über das bloße Ankreuzen von Checklisten hinaus. Ethik und das korrekte Befolgen von Vorschriften gelten als Ein- und Dasselbe – im Rahmen eines rein privatwirtschaftlich orientierten Weltbildes. Etwas völlig anderes ist eine Ethik, die Handlungsmaximen dafür setzt, Gesundheitsversorgung zu garantieren – als globales öffentliches Gut."
Der Globale Fonds für den Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria manövriert in schwierigem Fahrwasser. Die zusehends enge Beziehung des fast ausschließlich öffentlich finanzierten Fonds zur Privatwirtschaft ist geprägt von fragwürdigen Partnerschaften und Interessenkonflikten. Auch die Qualität des Führungspersonals gibt zu Fragen Anlass. Am Beispiel des Fonds zeigt sich: Die Zusammenarbeit zwischen gemeinnützigen internationalen Organisationen und privaten Unternehmen spült nur wenig Geld in die Kassen der Organisationen, birgt aber brisante Probleme. Um die zu vermeiden, brauchen die UN und ihnen nahestehende Organisationen unbedingt wieder zuverlässige und ihren Aufgaben angemessene Beiträge der Mitgliedstaaten.
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