Internationale Gartenaustellung in Berlin

Leistungsschau der Friedhofsgärtner

Eindrücke der letzten Vorbereitungen für die Eröffnung der IGA 2017 in Berlin am 06.04.2017
Friedhofsgärtner auf der Internationalen Gartenausstellung in Berlin © Dominik Butzmann
Von Philipp Schnee · 11.04.2017
Auf der Internationalen Gartenschau (IGA) in Berlin zeigen auch Steinmetze und Friedhofsgärtner ihr Können. Immer häufiger ist dabei ein ausgeprägter Gestaltungswillen zu erkennen.
"Ja, hier haben wir scheinbar das Grab eines Künstlers."
Das erste Grab liegt im Halbschatten. Mit tiefschwarzen Gräsern ist vor dem Hintergrund grüner Gräser die Form eines Pik-Ass gepflanzt.
"Und hier sieht man schon ganz deutlich eine Whiskey-Flasche mit eingearbeitet im Beet, die Farbe der Flasche, schwarz, und hier auch das violette Wechselbeet spricht alles auf das Thema des Musikgeschmacks an."

Das Grab der Hardrock-Legende Lemmy Kilmister

Gelungen?
"Ich finds gelungen, ja. Er hat immer mit Pik-Ass geschafft, das sieht man auch in den Karten. Er muss immer das Glück gehabt haben, die Asse auf der Hand zu haben. Ich denke mal das war ein Musiker, der sich danach immer auch noch in den einschlägigen Gaststätten sich vergnügt hatte. Und ich finde das wunderbar, das dann in seiner letzten Ruhestätte widerzuspiegeln."
Lemmy Kilmister
Da weilte er noch unter den Lebenden - Lemmy Kilmister bei einem Konzert im Jahr 2015© picture alliance / dpa / Foto: Andreas Gebert
Der Humor scheint trocken zu sein unter Friedhofsgärtnern. Lemmy Kilmister steht auf dem Grabstein. Lemmy, die Motörhead Hardrock-Legende – liegt hier fiktiv im Halbschatten, auf dem Gelände der International Gartenausstellung, zwischen den Hochhäusern von Berlin-Marzahn. Ohne Augenzwinkern von der fünfköpfigen Jury des Bundesverbandes der Friedhofsgärtner bewertet. Die Jury, das ist Hermann Freitag aus Mühlheim an der Ruhr:
"Das ist die neunte Bundesgartenschau, bei der ich im Preisgericht mitarbeite."
Wilfried Raff, aus Stuttgart, Rüdiger Melzner: "aus Castrop-Rauxel"
Vier Männer und eine Frau im mittleren Alter bilden die Jury. Und es gibt verschieden Kategorien: Urnengräber, Einsteller:
"Zweistelligen Wahlgräbern und wir haben noch ein Sonderfeld der offenen Gräber"

Die Farben der Saison 2017

Offen? Offen meint hier natürlich die freie Gestaltungsmöglichkeit. Was fällt auf im Gräberjahr 2017?
"Die Kollegen versuchen verstärkt zu kombinieren in den Farben, man sieht auch viele modische Kombinationen, ob das ins Violett oder Orange geht. Also Sachen, die auch im Leben immer wieder sind, die schlagen sich ja auch in der Bepflanzung irgendwann mal wieder. Weil der Zeitgeist letztendlich auch entscheidend ist."
Das sagt Juryvorsitzender Hermann Freitag, die Kollegen aus Duisburg und Stuttgart ergänzen:
"Außergewöhnlich mutige Lösungen, aber auch zu einer großen Anzahl sehr, sehr schöne Grabmäler. Es wird sehr viel experimentiert, auffällig viel. Ja, die modischen Farben der Bekleidung werden teilweise in der Wechselbepflanzung, der Frühjahrsbepflanzung aufgenommen"
Moment, richtig verstanden: Von den Laufstegen Mailands und Paris quasi direkt auf den Friedhof? Ja, so ist es:
"Das was in der Bekleidungsindustrie von den Blusen, von den Röcken oder auch Hemden sich dementsprechend widerspiegelt versuchen dann manche Kollegen in diesem Farbspektrum dann rüberzubringen."

Im Mittelpunkt der Grabstein

Neben Lemmy, ebenfalls im Halbschatten, ein weiteres Grab:
"Im Hintergrund haben wir eine Hortensie, die von hinten optisch den Grabstein etwas unterstützt. Wir haben eine bodenbedeckte Bepflanzung einmal mit Muschelzypresse, Obtusen und auf der anderen Seite eine Ilex-Palme als Bodenabdecker und sehr schön farblich, violett, rosa, blass blau die Wechselbepflanzung mit weißen Vergiss-Meinnicht was einen unglaublich zarten Charakter macht."
Eindrücke der letzten Vorbereitungen für die Eröffnung der IGA 2017 in Berlin am 06.04.2017
Friedhofsgärtner bei der Arbeit© Dominik Butzmann
Friedhofsgärtner sind bescheiden. Im Mittelpunkt, so lerne ich, steht das Grabmal – die Arbeit des Steinmetz. Friedhofsgärtner sehen sich als Zuarbeiter:
"Der Stein gibt uns bestimmte Formen vor, das finden wir hier im Wechselbeet dann wieder. Hier die ausgeschwungenen Formen, hier dann widergespiegelt in der jahreszeitlichen Bepflanzung."

Wildwuchs unerwünscht

Doch nicht nur der Stein gibt vor. Auch die Friedhofsordnungen und der Bundesverband geben vor. Immergrün soll der deutsche Friedhof sein.
"Genau, wir haben dementsprechende Richtlinien von der Dauerbepflanzung, von der Wechselbepflanzung. Und das ist etwas jetzt aufgelockert worden, in den 70er und 80er Jahren haben wir viel, viel strengere Bewertungen im Preisgericht gehabt."
In der bildenden Kunst hat die Vorgabe von Regeln und Formprinzip zu großen Kunstwerken geführt. Und in der Friedhofsgärtnerei?
Die einzelnen Pflanzen, auch die Blumen stehen selten für sich. Bei den meisten Grabstellen wird eine große grüne "Dauer"-Fläche durch eine geschwungene farbige Fläche aus Blumen durchbrochen. Die Pflanzen sind selten als Pflanzen zu erkennen. Deutlich flächige Zeichnung, die fast an Mandalas erinnern. Starker Gestaltungswille. Wildwuchs Fehlanzeige. Das Pendant zur geplanten Natürlichkeit des englischen Landschaftsparks – in der modernen Grabgestaltung scheint es das kaum zu geben. Doch Manfred Freuken hat in diesem Jahr beobachtet:
"Mittlerweile versucht man hier von diesen Kriterien auch etwas auszubrechen. Was teilweise auch sehr gelingt."
Lemmy wird sich vor Freude im Grab umdrehen.
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