Integrationsgipfel im Kanzleramt

"Viele Menschen mit Migrationsbiografie haben Angst"

06:20 Minuten
Menschen stehen in Hanau am Denkmal der Brüder Grimm auf dem Marktplatz, wo Bürger mit Blumen, Plakaten und Kerzen ihre Trauer zum Ausdruck bringen.
Nach dem rassistischen Angriff in Hanau soll auf die Trauer ein entschiedenderes Handeln der Politik folgen, fordern Migrantenverbände heute im Kanzleramt. © picture-alliance/dpa/Frank Rumpenhorst
Ali Ertan Toprak im Gespräch mit Stephan Karkowsky  · 02.03.2020
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Nach dem rassistischen Angriff in Hanau dürfe nicht mehr nur geredet werden, sagt Kurdenvertreter Ali Ertan Toprak. Vor dem Integrationsgipfel betont er, dass die deutsche Politik eine "Kultursensibilität" vermissen lasse.
Das Bundeskanzleramt hat heute zum Integrationsgipfel eingeladen. Vertreter von Migrantenverbänden, Kirchen und andere gesellschaftliche Organisationen wollen mit Politikern darüber sprechen, wie sich die Demokratie gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rechtsextremismus verteidigen kann.
"Wir erhoffen uns, dass natürlich endlich das, worüber wir seit Jahren miteinander sprechen, endlich umgesetzt wird. Die Zeit der Reden ist vorbei, die Politik muss endlich handeln", sagt Ali Ertan Toprak, Vertreter der Kurdischen Gemeinschaft in Deutschland über seine Erwartungen an das Treffen.
"Viele Menschen mit Migrationsbiografie haben Angst", so Toprak. Der Rechtsradikalismus sei derzeit die größte Gefahr und müsse mit rechtsstaatlichen und polizeilichen Mitteln bekämpft werden. "Wir brauchen einen Kampf wie gegen den RAF-Terror in den 70er Jahren."
Außerdem müsse die politische Teilhabe von Migranten gestärkt werden, damit sie sich in der Politik auch stärker vertreten fühlten.

Gespräch über nationale Identität

Dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sein Erscheinen beim Integrationsgipfel angekündigt hat und einen Expertenkreis gegründet hat, begrüßt Toprak. Im Vergleich zu früheren Zeiten sei das ein deutlicher Fortschritt, aber er vermisse in der Politik eine "gewisse Kultursensibilität". Das habe sich beispielsweise nach dem rassistischen Angriff in Hanau gezeigt, bei dem die Opfer muslimisiert oder islamisiert worden seien. Auch darüber wolle man heute im Kanzleramt sprechen.
Es sei auch wichtig darüber zu reden, dass Menschen, die seit mehreren Generationen in Deutschland lebten, nicht ständig als Migranten bezeichnet würden. "Das macht sie auch zu identitätslosen Wesen und man signalisiert damit, sie gehören nicht hierher", so Toprak. Deshalb sollte im Kanzleramt auch über die nationale Identität gesprochen werden.
(gem)
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