"Inszeniert - Deutsche Geschichte im Spielfilm"

Wie das Damals das Heute beeinflusst

Die Ausstellung "Inszeniert - Deutsche Geschichte im Spielfilm" in Bonn: Abhörgeräte stehen zur Darstellung des Films "Das Leben der Anderen" in einer Vitrine.
Die Ausstellung "Inszeniert - Deutsche Geschichte im Spielfilm" in Bonn: Abhörgeräte stehen zur Darstellung des Films "Das Leben der Anderen" in einer Vitrine. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Susanne Luerweg · 09.06.2016
Nazis und Mitläufer, Stasi-Generäle oder Kapitalisten mit Allmachtfantasien - das sind alles Aspekte der deutschen Geschichte, die verfilmt wurden. Eine Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn reflektiert, wie historische Stoffe erzählt werden.
Ob als Komödie oder Tragödie- Geschichte ist Primetime-tauglich.
Christian Peters, Kurator der Ausstellung: "Auswahlkriterium war, dass wir Filme nehmen wollten, die Diskussionen, Debatten, ausgelöst oder begleitet haben."
"Unsere Mütter, unsere Väter" gilt als Paradebeispiel für die Sprengkraft von Historienstoffen im Fernsehen. Viele Polen hielten den Mehrteiler von 2013, in dem die Heimatarmee schlecht wegkommt, für Geschichtsklitterung. Drehbuchautor Stefan Kolditz sprach zur Ausstellungseröffnung in Bonn und bezieht Stellung.
"Ich verstehe, dass die Polen mit dieser unglaublichen Leidensgeschichte was die Sowjetunion und die Russen, aber vor allem die Deutschen betrifft, sich im Grunde von Deutschen nicht ihren eigenen Antisemitismus vorhalten oder nachsagen lassen wollen. Ich muss aber auch sagen, dass ich finde, dass die Kritik zum Teil sehr eindimensional ist."
Sieben große historische Pflöcke schlägt die Ausstellung ein: Von "Holocaust", "Widerstand", über "Linksterrorismus" bis hin zu "DDR im Spielfilm nach 1989".
Kurator Christian Peters: "Wir haben in jedem dieser sieben Bereiche einen Hauptfilm, der auch als offene Projektion läuft, in der Regel vier Minuten."

Das Verbrechen an den deutschen Juden

Neben Filmbeispielen präsentiert das Haus der Geschichte Plakate und Requisiten wie die Uniform, die Tom Cruise als Graf Schenck von Stauffenberg in "Operation Walküre" getragen hat. Außerdem gibt es aufschlussreiche Zeitungs- und Talkshowausschnitte zu sehen. Besonders betroffen machen die negativen Zuschauerreaktionen auf die Serie Holocaust aus dem Jahre 1979, wie hier in einer WDR Sendung.
"Warum beschmutzen die Deutschen immer ihr eigenes Nest. Es ist eine Unverschämtheit diesen Film zu senden."
Die Serie "Holocaust" leitete eine mediale Zeitenwende ein. Danach standen nicht mehr länger die Ereignisse, sondern Einzelschicksale im Mittelpunkt. Und damit konnten sich die Zuschauer besser identifizieren. Nie zuvor wurde deutschlandweit so breit über die Verbrechen an den Juden diskutiert wie 1979. Seitdem dient fiktionalisierte Geschichte immer wieder als Debattentreibstoff.
Die Flucht/Trailer: "Du bist jetzt allein verantwortlich, Nein, Vater. Das schaffe ich nicht. Doch, du bist stark. Das ist die Stunde der Frauen."
Wie sehr Realität und Fiktion dabei auseinanderdriften können, zeigte etwa der Zweiteiler "Die Flucht" mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle aus dem Jahr 2007. Verzweifelte Familien machen sich 1944 von Ostpreußen auf den Weg in den vermeintlich sicheren Westen. Obwohl der Film versucht, keine eindeutige Schuldzuweisung zu machen, wird am Ende dennoch ein Schwarz-Weiß-Bild gezeichnet. In dem die Russen als die Bösen dastehen.
Christian Peters: "Die suggestive Kraft der Bilder setzt sich durch. Ich sehe eben die Tiefflieger, die diesen Treck attackieren, die Wägen die ins Eis einbrechen."

Kritischer oder lustiger Umgang mit DDR

An der Uni Magdeburg wurde die Wirkung von "Die Flucht" auf Schüler untersucht. Ihr Erkenntnisgewinn aus dem Film ist ernüchternd einseitig: Vor dem Krieg lebten die Deutschen friedlich in ihren ostpreußischen Ländereien, dann kam die marodierende Rote Armee und zerstörte diese wohlgeordnete Welt.
Historiker Björn Bergold: "Es ging da ganz konkret um die Bilder der sowjetischen Soldaten, die sich an der Zivilbevölkerung vergehen, also es waren Vergewaltigungsszenen, die da gezeigt wurden, und vor allem die sind enorm bedeutsam angenommen worden."
Mit dem Fall der Mauer entwickelt sich wiederum ein neuer Blick auf die Darstellung von Geschichte im Fernsehen. Die deutsch-deutsche Teilung bringt eine Flut von Komödien hervor wie "Good Bye Lenin" und "Sonnenallee".
Die kritische Auseinandersetzung mit der DDR brachte allerdings ein anderer Film in Gang. "Das Leben der Anderen" stellte zum ersten Mal das Thema Stasi publikumswirksam dar. Und löste eine große Debatte über das richtige Erinnern aus.
Leben der Anderen/Trailer:
"Staatssicherheit: Öffnen Sie die Tür.
Wir haben den Befehl Ihre Wohnung zu durchsuchen."
Richtiges Erinnern gibt es genauso wenig wie richtiges Geschichtsfernsehen. Das große Interesse an historischen Themen belegt, dass viele Menschen wissen wollen, woher sie kommen. Und wie das Damals das Heute beeinflusst.
Die Bonner Ausstellung ist alles andere als eine trockene Geschichtsstunde, zeigt aber dennoch die Grenzen von Fiktion. Denn eins wird klar: Inszenierte Geschichte kann immer nur einen Teil der Wahrheit erzählen, nie die ganze Geschichte.
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