Innovative Navigation per Handy
Für blinde Menschen ist es ein Balanceakt, von A nach B zu kommen, selbst bei alltäglichen Routen. Der sogenannte Guide4Blind - eine Navigationshilfe per Handy, nicht nur für Blinde - macht nun europaweit Furore. Die Soester Kreisverwaltung hat das Projekt mitentwickelt.
"Ich streiche mit dem Finger von links nach rechts, also ich bin jetzt bei 'Suchen' und kann dann halt eingeben als Beispiel 'Osthofentor' – kann ich auch aufsprechen lassen" - "Osthofentor."
Vor sechs Jahren verlor Edip Kartal sein Augenlicht infolge einer Krankheit. Orientierungslos in seiner Heimatstadt Soest ist der Mitarbeiter der Kreisverwaltung aber nicht. Ein Smartphone in seiner Hand weist ihm den Weg zu dem nur wenige Hundert Meter entfernten Osthofentor.
"Also ich kann jetzt auch auswählen, ob jetzt per Sprache navigiert werden soll, per Geiger oder per Vibration. Und da mich Sprache und Vibration irritiert, nehme ich halt den Geiger."
Der "Geiger" ist ein Klick-Geräusch, das langsamer wird, wenn man sich von der gewählten Route entfernt. Guide4Blind führt die blinden Menschen auf virtuellen Korridoren – frei von Hindernissen. Die im Smartphone gespeicherten Korridore sind Gehwege, aber auch Zebrastreifen und führen bis zur Haustür.
Liegen Stolpersteine wie Straßenpoller, Blumenkübel oder Parkuhren auf dem Weg, weist auch noch eine Stimme auf das Gefährdungspotenzial hin, erklärt Projektleiter Jörn Peters.
Mit einem Zusatzgerät, das via Bluetooth mit dem Handy verbunden ist, kann bis auf wenige Zentimeter genau navigiert werden:
"Wir haben komplementäre Satellitensysteme genommen mit einer hohen Dichte. Also das amerikanische Satellitensystem GPS, das russische Glonass und das zukünftige europäische Galieo und nutzen das gleichzeitig, sodass wir mit diesen Daten mit vielen Satelliten eine gute Position erreichen – bis zu 25 Zentimeter Genauigkeit. Sodass wir uns gut fortbewegen können mit dieser Genauigkeit."
Ohne Blindenstock geht es aber auch mit dem Guide4Blind nicht. Zur Leerung bereitgestellte Mülltonnen, angeschlossene Fahrräder an Pfählen oder wild parkende Autos, die kurzzeitig den Weg blockieren, müssen auch weiterhin manuell aufgespürt werden.
Edip Kartal läuft auf dem "Hohen Weg" entlang. Die Straße hat zwar einen Bürgersteig, jedoch keine Bordsteine. Nur eine farblich abgesetzte Steinreihe in Fahrbahnhöhe markiert den Übergang zwischen Straße und Gehweg. Mit einem Blindenstock allein könnte er diese Art der "Begrenzung" nicht ertasten. Doch elektronisch - mit dem Guide - ist er bestens informiert:
"Jetzt. Sie betreten einen Weg mit mittlerem Gefährdungspotential aufgrund von Straßenverkehrszeichen oder Treppenaufgängen"
Edip Kartal: "Ja, es gibt mir Sicherheit, und ich weiß, was auf mich zukommt."
Um mit dem Handy in der Hand auf den Zentimeter genau an Hindernissen vorbei geführt zu werden, bedarf es nicht nur einer präzisen Satellitenortung. Auch der Stadtplan spielt dabei eine wichtige Rolle. Herkömmliche Karten – auch die des Katasteramtes – enthalten keine Informationen zum Beispiel über abgesenkte Bordsteine, Poller oder Parkuhren am Wegesrand.
Um auch diese Hindernisse berücksichtigen zu können, musste ein spezielles Kamerafahrzeug wochenlang durch Soest fahren, erklärt Jörn Peters:
"Wir haben ein System eingesetzt, das so ähnlich funktioniert wie Google-Street-View, ein vermessungstechnisches System: Eagle-Eye-Technology. Dieses Fahrzeugsystem kann mit einer Genauigkeit von unter zehn Zentimetern erfassen. Und diese Kartendaten – diese Bilddaten – haben wir in Kartendaten aufbereitet, in unsere Karten integriert und als Grundlage für die Fußgängernavigation blinder Menschen zur Verfügung gestellt."
Soest, Osthofenstraße, Ecke Nelmannweg. Edip Kartal hat sein Ziel - das Osthofentor – erreicht. Zuletzt ging er allein über eine stark befahrene Kreuzung mit einer speziellen Ampelanlage für Blinde. Auch sie ist in der Karte verortet. Nun steht Edip Kartal im denkmalgeschützten Torhaus:
"Wir befinden uns jetzt direkt unter dem Osthofentor. Und ich kann mir jetzt über das Osthofentor etwas vorlesen lassen. Und da machen wir jetzt einfach mal."
Navigationsansage: "Das Stadttor aus Grünsandstein wirkt wie ein sehr mächtiger, umfangreicher Turm. Die dicken Mauern schimmern smaragdgrün bis ocker …"
Der elektronische Führer weiß natürlich auch über den Dom und alle anderen rund 600 Sehenswürdigkeiten der Altstadt bestens Bescheid. Und deswegen sollen ab März diesen Jahres 50 solcher Smartphones als virtuelle Touristenführer bereit liegen. Für Blinde. Aber auch Sehende dürfen sich die Handys ausleihen. Neben Denkmälern sind Apotheken und Ärzte, Cafés, Kneipen und Geschäfte - sogar mit Öffnungszeiten und Artikeln gespeichert. Wer eine Jacke, ein Souvenir oder auch nur eine Tasse Kaffee braucht, kann sich zu den Läden führen lassen.
Jörn Peters: "Wir haben vor Kurzem unser System in London, auf der europäischen Satellitenkonferenz in London. Und Anfragen von den Landesministerien, aber auch Bundesministerien. Und zum anderen wollen wir versuchen, auf europäischer Ebene mit den Nachbarländern versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden, um so eine hohe Genauigkeit in der Positionierung von Fußgängern zu erreichen."
Wer ein iPhone oder auch ein Smartphone mit Android-Betriebssystem besitzt, kann sich den Guide für 1,79 Euro als App herunterladen. Andere Städte stehen schon in den Startlöchern. In Berlin-Mitte werden derzeit die Straßen kartografisch neu vermessen. Frankfurt und auch Stuttgart haben Interesse bekundet. Der "Guide4Blind" ist für Blinde und auch für Sehende – Touristen wie Einheimische – ein echtes Plus.
Vor sechs Jahren verlor Edip Kartal sein Augenlicht infolge einer Krankheit. Orientierungslos in seiner Heimatstadt Soest ist der Mitarbeiter der Kreisverwaltung aber nicht. Ein Smartphone in seiner Hand weist ihm den Weg zu dem nur wenige Hundert Meter entfernten Osthofentor.
"Also ich kann jetzt auch auswählen, ob jetzt per Sprache navigiert werden soll, per Geiger oder per Vibration. Und da mich Sprache und Vibration irritiert, nehme ich halt den Geiger."
Der "Geiger" ist ein Klick-Geräusch, das langsamer wird, wenn man sich von der gewählten Route entfernt. Guide4Blind führt die blinden Menschen auf virtuellen Korridoren – frei von Hindernissen. Die im Smartphone gespeicherten Korridore sind Gehwege, aber auch Zebrastreifen und führen bis zur Haustür.
Liegen Stolpersteine wie Straßenpoller, Blumenkübel oder Parkuhren auf dem Weg, weist auch noch eine Stimme auf das Gefährdungspotenzial hin, erklärt Projektleiter Jörn Peters.
Mit einem Zusatzgerät, das via Bluetooth mit dem Handy verbunden ist, kann bis auf wenige Zentimeter genau navigiert werden:
"Wir haben komplementäre Satellitensysteme genommen mit einer hohen Dichte. Also das amerikanische Satellitensystem GPS, das russische Glonass und das zukünftige europäische Galieo und nutzen das gleichzeitig, sodass wir mit diesen Daten mit vielen Satelliten eine gute Position erreichen – bis zu 25 Zentimeter Genauigkeit. Sodass wir uns gut fortbewegen können mit dieser Genauigkeit."
Ohne Blindenstock geht es aber auch mit dem Guide4Blind nicht. Zur Leerung bereitgestellte Mülltonnen, angeschlossene Fahrräder an Pfählen oder wild parkende Autos, die kurzzeitig den Weg blockieren, müssen auch weiterhin manuell aufgespürt werden.
Edip Kartal läuft auf dem "Hohen Weg" entlang. Die Straße hat zwar einen Bürgersteig, jedoch keine Bordsteine. Nur eine farblich abgesetzte Steinreihe in Fahrbahnhöhe markiert den Übergang zwischen Straße und Gehweg. Mit einem Blindenstock allein könnte er diese Art der "Begrenzung" nicht ertasten. Doch elektronisch - mit dem Guide - ist er bestens informiert:
"Jetzt. Sie betreten einen Weg mit mittlerem Gefährdungspotential aufgrund von Straßenverkehrszeichen oder Treppenaufgängen"
Edip Kartal: "Ja, es gibt mir Sicherheit, und ich weiß, was auf mich zukommt."
Um mit dem Handy in der Hand auf den Zentimeter genau an Hindernissen vorbei geführt zu werden, bedarf es nicht nur einer präzisen Satellitenortung. Auch der Stadtplan spielt dabei eine wichtige Rolle. Herkömmliche Karten – auch die des Katasteramtes – enthalten keine Informationen zum Beispiel über abgesenkte Bordsteine, Poller oder Parkuhren am Wegesrand.
Um auch diese Hindernisse berücksichtigen zu können, musste ein spezielles Kamerafahrzeug wochenlang durch Soest fahren, erklärt Jörn Peters:
"Wir haben ein System eingesetzt, das so ähnlich funktioniert wie Google-Street-View, ein vermessungstechnisches System: Eagle-Eye-Technology. Dieses Fahrzeugsystem kann mit einer Genauigkeit von unter zehn Zentimetern erfassen. Und diese Kartendaten – diese Bilddaten – haben wir in Kartendaten aufbereitet, in unsere Karten integriert und als Grundlage für die Fußgängernavigation blinder Menschen zur Verfügung gestellt."
Soest, Osthofenstraße, Ecke Nelmannweg. Edip Kartal hat sein Ziel - das Osthofentor – erreicht. Zuletzt ging er allein über eine stark befahrene Kreuzung mit einer speziellen Ampelanlage für Blinde. Auch sie ist in der Karte verortet. Nun steht Edip Kartal im denkmalgeschützten Torhaus:
"Wir befinden uns jetzt direkt unter dem Osthofentor. Und ich kann mir jetzt über das Osthofentor etwas vorlesen lassen. Und da machen wir jetzt einfach mal."
Navigationsansage: "Das Stadttor aus Grünsandstein wirkt wie ein sehr mächtiger, umfangreicher Turm. Die dicken Mauern schimmern smaragdgrün bis ocker …"
Der elektronische Führer weiß natürlich auch über den Dom und alle anderen rund 600 Sehenswürdigkeiten der Altstadt bestens Bescheid. Und deswegen sollen ab März diesen Jahres 50 solcher Smartphones als virtuelle Touristenführer bereit liegen. Für Blinde. Aber auch Sehende dürfen sich die Handys ausleihen. Neben Denkmälern sind Apotheken und Ärzte, Cafés, Kneipen und Geschäfte - sogar mit Öffnungszeiten und Artikeln gespeichert. Wer eine Jacke, ein Souvenir oder auch nur eine Tasse Kaffee braucht, kann sich zu den Läden führen lassen.
Jörn Peters: "Wir haben vor Kurzem unser System in London, auf der europäischen Satellitenkonferenz in London. Und Anfragen von den Landesministerien, aber auch Bundesministerien. Und zum anderen wollen wir versuchen, auf europäischer Ebene mit den Nachbarländern versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden, um so eine hohe Genauigkeit in der Positionierung von Fußgängern zu erreichen."
Wer ein iPhone oder auch ein Smartphone mit Android-Betriebssystem besitzt, kann sich den Guide für 1,79 Euro als App herunterladen. Andere Städte stehen schon in den Startlöchern. In Berlin-Mitte werden derzeit die Straßen kartografisch neu vermessen. Frankfurt und auch Stuttgart haben Interesse bekundet. Der "Guide4Blind" ist für Blinde und auch für Sehende – Touristen wie Einheimische – ein echtes Plus.